von Michael Bohli • 11.06.2023
Verlag: Geparden Verlag
360 Seiten • Hardcover
Erscheinungstermin: 01.03.2023
ISBN: 978-3-907406-03-8
Ein Essay zur aktuellen Situation, ein Märchen über totalitäre Machenschaften: A. L. Kenney verbindet in «Der Kern der Dinge» persönliche Gedanken, die Macht der Sprache und die Suche nach Hoffnung.
Ist eine Existenz, die sich nicht zweigeteilt oder chaotisch anfühlt, in der heutigen Zeit überhaupt möglich? Pandemien, Kriege, Flüchtlingskrisen und politische Entscheide, die Länder und Kontinente immer tiefer in die Dunkelheit führen – die Hoffnung schwindet. A. L. Kennedy hält dagegen, mit Sprache, Witz und Intelligenz.
Dass die schottische Autorin eigens für den Geparden Verlag den Essayband «Der Kern der Dinge» verfasst hat, ist überraschend. Dass sich die kreative Denkerin mit ihrem Buch aber nicht bloss der aktuellen Lage in England und den UK widmet, sondern ein duales Leseerlebnis zwischen privaten Gedanken und Märchen bietet, ist beeindruckend.
Kennedy ist eine wache Autorin, die sich nicht scheut, herrschende Normen und Systeme pointiert zu kritisieren.
«Der Kern der Dinge» ist nicht nur ein Kommentar zu den schrecklichen Machenschaften im Namen der Wahrheit und Macht, sondern eine persönliche Aufarbeitung von Kennedys Long-Covid-Erkrankung und ihren Zweifeln an der Wirkung des geschriebenen Wortes. Das Buch analysiert die Kraft von Geschichten, sucht nach den Beweggründen von Schriftsteller:innen und zeigt die Magie auf, die in Büchern steckt.
Verstärkt werden die Ängste, Gedanken und Aussagen durch die Metaphern, die sich im zweiten Teil des Buches finden lassen. A. L. Kennedy besiegt ihre krankheitsbedingten Hindernisse und entführt uns in eine fantasievolle Umgebung, in der Überzeichnungen und Sagen-Elemente zusammenfinden. Daraus keimt Zuversicht und Kampfgeist.
Coda: Dass A. L. Kennedy wegen gewissen Aussagen als «Verschwörungstheoretikerin» bezeichnet wurde, kann ich weder nach ihrem Auftritt an den Solothurner Literaturtage noch nach der Lektüre von «Der Kern der Dinge» nachvollziehen. Viel eher ist sie eine wache Autorin, die sich nicht scheut, herrschende Normen und Systeme pointiert zu kritisieren.