von Cornelia Hüsser • 24.04.2023
Verlag: Edition Moderne
208 Seiten · Hardcover
Erscheinungstermin: August 2022
ISBN: 978-3-03731-229-2
Eine psychische Krankheit hindert Eva daran, ein spontanes und freies Leben zu führen. Sie probiert verschiedenste Therapieformen aus und entwickelt Strategien, um Angstsituationen zu vermeiden – doch Hilfe kommt schlussendlich von unerwarteter Seite.
Manchen Menschen scheint das Leben einfacher zu fallen als anderen. Eva gehört nicht zu ihnen. Ein falsch weggeräumter Teller, die Atemgeräusche des neuen Freundes: jede Abweichung vom Gewohnten bedeutet Stress, Kleinigkeiten werfen sie komplett aus der Bahn. Sie bekommt Panikattacken, zieht sich zurück. Und zu allem: das schlechte Gewissen, weil sie weiss, dass sie damit ihr Umfeld belastet.
Die Protagonistin in Anja Wickis erster Graphic Novel «In Ordnung» leider unter einer nicht näher benannten psychischen Krankheit, die sich in zwanghaftem Verhalten und unkontrollierten Anfällen äussert. Um letztere möglichst zu vermeiden, lebt Eva nach einem strengen Ordnungssystem und durchstrukturierten Tagesablauf. Doch was ihr Stabilität gibt, wirkt sich auf ihr Umfeld negativ aus – spontan eine Party zu besuchen, mit Freunden auf einen Kurzurlaub zu gehen oder sich einfach nur zwei Stunden später zu treffen sind Dinge, die ihr unmöglich erscheinen. Ihr Freundeskreis reagiert unterschiedlich, manche thematisieren ihre Gefühle und versuchen, Eva zu verstehen, andere sind hilflos und distanzieren sich. Es ist für beide Seiten kräftezehrend.
Im Laufe der Erzählung macht Eva verschiedenste Therapieerfahrungen. Atemübungen, Muskelentspannungen, ein Aufenthalt im buddhistischen Kloster – nichts scheint Besserung zu bringen, so sehr sie es sich auch wünscht.
Was ihr schliesslich hilft, ist ein Geschenk ihrer Grossmutter. Zum dreissigsten Geburtstag schenkt sie Eva eine Karte des Schutzengels Gabriel – der kurz darauf als reale Person in ihrer Wohnung auftaucht. Mit seiner überschwänglichen, lebensfrohen Art fordert Gabi Evas Spontaneität heraus. Mit ihm gelingt es ihr, sich ihren Ängsten zu stellen und ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen.
Evas Zustand überträgt sich eindrucksvoll auch auf die zeichnerische Ebene. Die Linien sind klar, die Kolorierung reduziert in einheitlichen Farbtönen gehalten. Die Panels einer Doppelseite sind jeweils gespiegelt angelegt. Es herrscht die Ordnung, die Eva braucht.
Anja Wicki behandelt ein bleischweres Thema, das verbreitet ist und dennoch entschlossen beschwiegen wird. «In Ordnung» liest sich als Plädoyer, offen mit seinen Gemütszuständen umzugehen – egal auf welcher Seite der Geschichte man sich befindet.