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Augenpulver #18: Bücher im Dezember

von Cornelia Hüsser • 05.01.2025

Zwischen den Jahren liegt traditionsgemäss die Zeit für die richtig dicken Bücher, damit man nicht wochenlang mit ihnen im Zug pendeln muss. Dieses Jahr gab es den SciFi-Klassiker von Frank Herbert – aber auch für ein paar kürzere Lektüren blieb noch Zeit.

Mattia Insolia: Brennende Himmel ★★★☆☆

Winter 2019: Niccolò ist ein rücksichtsloser, verwöhnter Teenager, der die Menschen um sich herum ausnutzt und quält. Als sein Vater – eine in seinen Augen gescheiterte Existenz – ihn zu einem gemeinsamen Roadtrip überredet, wird er mit der Vergangenheit seiner Eltern konfrontiert. Teresa und Riccardo lernten sich im Sommerurlaub 2000 kennen; doch der unverfängliche Flirt endete in einem gefährlichen Spiel …

Mattia Insolia schreibt von toxischen Verhaltensmustern, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Da gibt es die handlungsunfähigen Väter/Ehemänner, die zwanghaft kontrollierenden Mütter und die veritablen Arschlöcher (Niccolò/Riccardo). Eine gute Idee, die allerdings von Insolia mit dem Holzhammer aufgetragen wird. Natürlich riecht man auch den sprichwörtlichen Braten schon von Weitem. Insgesamt kein schlechter Roman, etwas mehr Subtilität hätte ihm aber gut getan.

2024 • 352 Seiten • Karl Rauch • Bestellen

Martina Hefter: Hey guten Morgen, wie geht es dir? ★☆☆☆☆

Die Tänzerin Juno, um die 50, hilft ihrem schwer kranken Mann Jupiter so gut es geht, seinen Alltag zu bestreiten. Doch nachts, wenn sie nicht schlafen kann, chattet sie mit Love Scammern auf Instagram. Meist, indem sie sie auflaufen lässt – bis sie bei einem doch hängen bleibt.

Klingt spannend? Ist es leider nicht. Es gibt nicht ein einziges Element in der Geschichte, das Spannung aufbauen würde; die Dialoge sind träge; eine richtige Innensicht oder gar ein innerer Konflikt der Hauptfigur fehlt. Sprachlich einfallslos, mit vielen Abschweifungen zu Themen, die keinen Belang haben. Was mir der Text sagen wollte? Ich weiss es nicht.

2024 • 224 Seiten • Klett-Cotta • Bestellen

Isabel Bogdan: Laufen ★★★★★

Isabel Bogdans Ich-Erzählerin wird von einem erschütternden Verlust aus der Bahn geworfen. In einer langen Phase nicht enden wollender Trauer beginnt sie wieder mit dem Laufen. Erst schafft sie nur kurze Strecken. Doch nach und nach wird es leichter – sowohl das Laufen als auch das Trauern.

«Laufen» ist konsequent im inneren Monolog gehalten. Und da die Erzählerin läuft, sind auch ihre Sätze lang, atemlos, durchbrochen von der Konzentration auf das Laufen selbst. Ihre Gedanken kreisen um den Verlust, Erinnerungen und die zurückbleibende Leere, später auch um neue Begegnungen und Erfahrungen – bis sie auch Gedanken an die Zukunft zulässt. Ein sehr berührendes Buch über Trauerarbeit, Halt und den Willen, sein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen.

2021 • 208 Seiten • Kiepenheuer & Witsch • Bestellen

Giulia Becker: Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes ★★★★☆

Ein Urlaub im Wellnesshotel, der stete Neukauf von Pürierstäben, obwohl man eigentlich schon mehrere hat, die Teilnahme beim Perfekten Dinner – in ihrem neuen Buch versammelt Giulia Becker Alltagsbeobachtungen, aus denen sie gekonnt das Groteske herausschält. Ein wenig absurd, ein wenig komisch, maximal unterhaltsam. Die kurzen Episoden sind schnell inhaliert und laden zum Sich-selber-oder-andere-Wiedererkennen ein. Perfekt, wenn man Lust auf etwas Leichtes hat, und auch als Hörbuch zu empfehlen (von der Autorin selbst gelesen).

2024 • 224 Seiten • Rowohlt • Bestellen

Frank Herbert: Der Wüstenplanet ★★★★☆

Tausende von Jahren in der Zukunft übergibt der Imperator den Planeten Arrakis an die Familie Artreides, um den Abbau des nur dort vorkommenden «Gewürzes» – eine für die Zivilisation überlebenswichtige Substanz – voranzutreiben. Doch schnell entspinnt sich ein Netz aus Intrigen, und Paul Artreides, der Sohn des Herzogs, muss sich seinem Schicksal in der offenen Wüste stellen.

Die Romangrundlage für die ersten beiden Dune-Verfilmungen von Denis Villeneuve erschafft ein komplexes Universum, in dem verschiedene Häuser, Interessengruppen, Kulturen und Religionen aufeinanderprallen. Sie alle werden detailreich etabliert, vieles geschieht dialoggetrieben. Einmal für eine Figur entwickelte Sympathien können jeden Moment wieder zerschlagen werden: Ein simples Gut gegen Böse gibt es hier nicht, da alle auf ihre Weise intrigieren und eigene Pläne und Ziele verfolgen. Stets werden neue Facetten und Zusammenhänge aufgedeckt, die Zukunft verändert sich laufend. Eine wahrhaft absorbierende Lektüre.

2016 • 800 Seiten • Heyne • Bestellen