von Cornelia Hüsser • 02.11.2023
Der Oktober kennt vor allem ein Ziel: 31 Horrorfilme in 31 Tagen zu sehen. Das verknappt zwar die Lesezeit, aber auch hier durfte ein wenig Gänsehaut nicht fehlen.
Neben Kürbissuppe, Marroni und Sauerkraut gab es diesen Monat literarisch Gangster, Grusel und Graphic Novels: ein gescheiterter Suizidversuch, der zum Verkauf des eigenen Lebens inspiriert; eine junge Frau, die auf die falsche Bahn gerät; die Rückkehr eines verschwundenen U-Boots mitsamt Besatzung; ein suspekter Beauty-Laden; und nicht zuletzt der unabwendbare Weltuntergang.
Das Filmziel wurde dieses Jahr übrigens überboten. Interessierte finden unsere 31+ Horrorfilme aus dem Shocktober 2023 hier.
Nach einem gescheiterten Suizidversuch beschliesst Hanio, seinen Todeswunsch in fremde Hände zu geben. Er schaltet eine Anzeige: Leben zu verkaufen. Bald findet er sich in Gesellschaft rachesüchtiger Ehemänner, verliebter Vampirfrauen und skrupelloser Gangster wieder. Um ihn herum stirbt einer nach dem anderen; doch er selbst bleibt wie durch ein Wunder noch immer am Leben.
Trotz seiner trüben Ausgangslage ist «Leben zu verkaufen» ein unterhaltsamer Roman, in dem Pistolen und Penisse gleichermassen freigiebig gezückt werden. Die Charaktere sind bizarr, die Handlungsstränge zeugen von einer blühenden Fantasie. Nur nebenher wird – eher plump – ein wenig Gesellschaftskritik gedroppt (leider auf die konservative Art). Als Krimi-Fantasy-Thriller-Mash-up lässt sich das Buch aber auf jeden Fall gut weglesen.
1968/2020 • 240 Seiten • Kein & Aber • Bestellen
Die siebzehnjährige Kiara lebt zusammen mit ihrem älteren Bruder in einem heruntergekommenen Apartment in East Oakland. Marcus kriegt allerdings nichts auf die Reihe – und Kiara versucht verzweifelt, an Geld für Miete und Essen zu kommen. Schliesslich landet sie in der Prostitution. Und bringt damit nicht nur sich selbst in Gefahr.
Leila Mottley schreibt in ihrem Roman über den Druck, der auf Schwarzen Frauen lastet, für ihre Familien – beziehungsweise die Männer der Community – zu sorgen. Szenen von emotionaler Ausbeutung und Missbrauch beschreibt sie bildhaft und ungeschönt. Gleichzeitig gelingt es ihr, Kiaras Charakter Tiefe zu verleihen und sie nicht in einer stereotypen Opferrolle darzustellen. Ein Buch, das den Finger in die Wunde drückt, allerdings auch seine Längen hat.
2022 • 416 Seiten • Ecco • Bestellen
Leah kehrt nach einem halben Jahr von einer Routineexpedition zurück. Diese hätte nur wenige Wochen dauern sollen – doch das U-Boot verschwand plötzlich vom Radar. Jetzt, zurück auf festem Boden, stellt ihre Partnerin Miri Veränderungen fest: Leah isst und redet kaum, lässt dauernd das Wasser laufen und mischt sich Salz in ihr Trinkwasser …
Der Horror von «Our Wives Under The Sea» besteht in dem, was man nicht sieht. Sechs Monate zu dritt auf engstem Raum gefangen zu sein, meilenweit unter der Erdoberfläche, ohne Tageslicht und Zeitgefühl; aber auch Veränderungen an einem geliebten Menschen wahrzunehmen, ohne rationale Erklärungen dafür zu finden. Ein intensiver, packender Debütroman.
2023 • 240 Seiten • Picador • Bestellen (Englisch)
Erscheint im September 2024 unter dem Titel «Gestalten der Tiefe» im Kommode Verlag: Bestellen (Deutsch)
Holistik ist berühmt für seine besonders effektiven Schönheitsprodukte und -behandlungen. Als die chinesischstämmige Erzählerin – die sich später Anna nennt – hier zu arbeiten beginnt, kommt sie ebenfalls in deren Genuss. Mithilfe von Cremes, Tinkturen und Pillen wird ihr Körper schlanker, ihre Haut glatter, ihr Haar heller. Doch hinter der schönen Fassade lauert etwas Dunkles.
«Natural Beauty» ist eine wilde Body-Horror-Geschichte, die sich um Schönheitsideale, Kapitalismus und Gier dreht. Ling Ling Huang lässt sich Zeit, Plot und Atmosphäre zu entwickeln. Erst nach und nach lässt sie durchscheinen, was hinter der Handlung und den Figuren steckt – um schliesslich komplett zu eskalieren. Die Kannibalismus-Kapitalismus-Parabel mag mit dem Holzhammer daherkommen, unterhaltsam ist der Roman aber allemal.
2023 • 272 Seiten • Penguin • Bestellen (Englisch)