von Cornelia Hüsser • 31.03.2024
Ein bisschen Drama, ein bisschen Dystopie und einen Han-Kang-Verschnitt: Das brachte der literarische März. Unter anderem.
Mit dabei war auch das derzeit absolute Lieblingsbuch der Leserei – Prima Facie – und ein weiterer Band der Sexy-Feen-Reihe. Es ging um Placebo-Studien, Fitnessstudios und Mammutfleisch. Seid also gespannt auf einen abenteuerlichen Mix.
Tessa ist eine angesehene Strafverteidigerin in London. Sie stammt allerdings nicht aus einer der angesehenen Familien mit altem Geld, sondern musste sich aus eigener Kraft hocharbeiten. Heute verteidigt sie auffallend häufig Männer, die wegen sexualisierter Gewalt vor Gericht stehen – sie vertraut auf das Justizsystem und glaubt fest daran, dass es stets die Wahrheit ans Licht bringt. Bis sie selber zum Opfer wird.
Suzie Miller handelt in «Prima Facie» verschiedenste Themen ab: die britische Klassengesellschaft, das Privatschulsystem und seine Chancenungleichheit; das Erleben sexueller Gewalt, den Umgang damit und schliesslich das Justizsystem, das von weissen Männern für weisse Männer gemacht wurde. Die Protagonistin durchläuft eine Entwicklung, die einem nahegeht – genauso wie die Unterstützung, die sie aus ihrem Umfeld erfährt. Dass ebendiese Unterstützung seitens der Institutionen, die alle gleichermassen beschützen sollte, fehlt, macht umso wütender. Ein emotionaler und packender Roman.
2024 • 352 Seiten • Kjona • Bestellen
Drei Freund:innen Mitte zwanzig. Ein Tag, der Erinnerungen und Emotionen hochbringt. Ted, Danny und Charlotte wollen endlich ihr Leben in die Hand nehmen, etwas ändern, etwas bewirken. Jetzt.
«Wasted» erzählt von gewöhnlichen Menschen in einer unversöhnlichen Welt. Sie suchen nach Sinn, Erfüllung, etwas, das einen Unterschied macht. Doch es ist leichter gesagt als getan – und schon findet man sich am nächsten Morgen wieder, nach Alkohol riechend, verkatert, zerstört. Ein Porträt einer Generation und einer Klasse, aufbereitet als Drama und verstärkt durch Spoken-Word-Intermezzos – wie immer genial.
2013 • 80 Seiten • Bloomsbury • Bestellen
Von einem Feld in den USA aus hat sich ein Smog über die Welt gelegt. Das fehlende Sonnenlicht lässt nichts mehr wachsen; nach und nach verschwinden Pflanzen, Bäume, Getreide, Arten. Doch auf einem abgelegenen Berg in Italien wird an der De-Extinktion von Nahrungsmitteln und Nutztieren geforscht. Hierher verschlägt es die Erzählerin, die in einer undenkbar dekadenten Gesellschaft die Reichen bekochen soll …
So bitter wie der Endiviensalat, den sich die Protagonistin zurücksehnt, ist auch die Lektüre von «Wo Milch und Honig fliessen». Die Sprache ist kalt und distanziert, die Figuren sind allesamt charakterlich abstossend. Selbst die Katze schafft es, Abneigung hervorzurufen. Die Erzählung fokussiert vor allem auf gegenseitige Abhängigkeiten und moralische Abwägungen, schafft es aber nicht, Emotionen zu transportieren. Insgesamt also ein interessantes Gedankenspiel, aber keine Lektüre, die lange nachhallt.
2024 • 272 Seiten • S. Fischer • Bestellen
Jack und Elizabeth lernen sich in den 90er Jahren kennen. Er stammt aus einer ländlichen Gegend, sie aus reichem Elternhaus. Er ist Fotograf, sie ist Wissenschaftlerin und studiert den Placebo-Effekt. In Chicagos lebendiger Kunstszene erleben sie aufregende Jahre. Irgendwann folgen Heirat, Kind, der Traum vom Eigenheim, einsetzender Selbstoptimierungswahn – und die Ehe droht zu scheitern.
«Wellness» deckt eine grosse Bandbreite von Themen ab: Fitness-Tracker, offene Ehe, Verschwörungstheorien, soziale Medien, Erziehungsmethoden … Alles wird auf zynische Art und Weise auseinandergenommen. Im Zentrum steht allerdings immer die Beziehung von Elizabeth und Jack, der Lauf einer Ehe, der Rhythmus eines Familienlebens. Nathan Hill bringt beides hervorragend zusammen – zu einem unterhaltsamen, nicht aber belanglosen Roman.
2024 • 736 Seiten • Piper • Bestellen
Nach einer traumatischen Erfahrung beginnt eine Frau, ins Fitnessstudio zu gehen. Sie will schwerer und stärker werden. Ihr Körper verwandelt sich drastisch, und mit ihm auch ihr Wesen. Der Prozess wird von drei Menschen beobachtet, die auf unterschiedliche Weise mit ihr verbunden sind und sie in unterschiedlichen Lebensphasen begleitet haben: Eliott, den sie im Fitnessstudio kennenlernt; ihre Mutter Bella; und Susie, eine Arbeitskollegin und Freundin.
Anna Metcalfe erzählt vom Versuch einer Frau, nicht nur Kontrolle über sich und ihren Körper zu erlangen, sondern sich gänzlich von den Zwängen der Gesellschaft zu befreien. Das erinnert nicht selten an «Die Vegetarierin» von Han Kang, verzichtet aber auf die magische Komponente. Gleichzeitig kann es als Kritik überbordender «Self-care» und der Romantisierung von Depression gelesen werden. Der Plot ist zwar schnell durchschaut, dennoch ist «Chrysalis» eine faszinierende Lektüre.
2023 • 272 Seiten • Rowohlt • Bestellen
Achtung Spoiler! Im zweiten Band geniesst Feyre zunächst ihr neues Feen-Leben mit ihrem Entführer. Doch der beschliesst, sie einzusperren. Zum Glück steht Rhys rechtzeitig (nämlich am Tag der Hochzeit) auf der Matte, um sie zu entführen (einmal mehr). Rhys stellt sich aber glücklicherweise als guter Kerl heraus. Zusammen müssen sie nun zwei halbe Bücher und einen Kessel finden, um einen Krieg zu verhindern, den der Hybern-König plant. Und was soll ich sagen: Feyre verkackt’s …
Band 2 weiss einmal mehr mit Intrigen und blutigen Vergangenheiten zu überzeugen. Am Anfang etwas zäh, die Flirterei ewig lang (darauf bezieht sich wohl das Statement «darkly sexy» auf dem Cover), geht es gegen Schluss doch gut zur Sache. Natürlich häufen sich günstige Zufälle, aber sei’s drum. Ich war gut unterhalten. Wenn sie im nächsten Band zu Tamlin zurückkehrt, will ich aber nicht mehr weiterlesen. 😤
2020 • 656 Seiten • Bloomsbury • Bestellen
Ausserdem gelesen: Die Landstrasse von Regina Ullmann • Reptil von Jane Mumford • Babas Schweigen von Özlem Çimen