von Michael Bohli • 29.11.2023
Verlag: Edition Clandestin
96 Seiten • Softcover
Erscheinungstermin: 01.06.2023
ISBN: 978-3-907262-46-7
Béatrice Gysin erzählt im Buch «Berta» die Geschichte ihrer Grossmutter; als Aufarbeitung, Kunstprojekt und Auseinandersetzung mit der schwierigen Vergangenheit der Verdingkinder.
Berta, geboren 1884 in Rupperswil, hatte es nie einfach. Bereits als Kleinkind wurde sie von ihrer Familie entrissen und verdingt. Zuerst musste sie bei ihrer Tante in Obermeilen arbeiten und leben, danach folgten weitere Familien und Häuser. Auch die Hochzeit mit einem Deutschen brachte keine Beruhigung, wurde dieser in den ersten Weltkrieg eingezogen.
Bis Berta endlich glücklichere Momente erleben durfte, vergingen viele Jahre voller Mühe, Sorgen und Hunger. Diese Zeit hat Béatrice Gysin als collagierte Erinnerungen im kunstvollen Buch «Berta» zum Leben erweckt. Trotz der Schrecken finden sich auf den Seiten wärmende Emotionen, die persönlichen Erinnerungen der Autorin zeichnen den Lebensweg ihrer Grossmutter nach.
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Die kurzen Prosatexte von Bettina Wohlfender kombinieren sich gelungen mit den Illustrationen; Fotografien, Dokumente und Zeichnen bilden mit den Wörtern neue Erkenntnisse und Inhalte. Die schöne Gestaltung des Buchs zeugt von einer feinfühligen Ausführung und lässt die wichtigen Aspekte greifbar werden.
Als Ergänzung und historische Einordnung wird die Sicht in die Vergangenheit mit Sachtexten der Historikerin Dr. Mirjam Janett erweitert, welche Bezüge herstellen und die damalige Lage der Schweiz veranschaulichen. Industrialisierung, Arbeitskräfte, Dienstmädchen, Heiratsregel und Verdingkinder sind bei «Berta» nicht bloss Stichworte, sondern gelebte Schicksale.
Nicht nur haben es die drei Frauen geschafft, mit dem Buch ein respektvolles und emotionales Portrait zu gestalten, sondern eine wichtige Aufarbeitung zum Thema geschaffen, das noch lange nicht genügend behandelt wurde.