Ben Gijsemans: Aaron

von Michael Bohli • 17.05.2023

Verlag: Edition Moderne
216 Seiten · Softcover
Erscheinungstermin: 04.05.2023
ISBN: 978-3-03731-245-2

Wie nähert man sich dem Tabuthema Pädophilie? Ben Gijsemans wagt den unaufgeregten, emotional erdrückenden Weg in seiner Graphic Novel «Aaron» und macht damit alles richtig.

Hast du eine Fantasie, eine Lust oder eine Neigung, die dich begleitet, aber du mit niemandem Teilen kannst? Ein Verlangen, das dich bedrückt und dich isoliert? Der 20-jährige Schüler Aaron kennt diese Situation und wird in den Urlaubstagen nicht nur vom Lernen für die Nachprüfungen geplagt, sondern von dem Anblick eines kleinen Jungen. Was passiert da mit ihm?

Eine Flucht in die Welten von Superheldencomics hilft selten, ein klärendes Gespräch mit den Eltern ist unmöglich. Das eigene Zimmer wird immer mehr zum Gefängnis, die Emotionen bieten keinen Ausweg. Eine Lösung sucht die Graphic Novel «Aaron» von Ben Gijsemans nicht, zeigt die Situation aber weder wertend noch forciert.

Das Thema Pädophilie wird auf eindrückliche und emotionale Weise dargestellt, das gesellschaftliche Tabu ist unüberwindbar in dem Buch. Dazu kommt die strenge und engmaschige Gliederung, die Autor und Zeichner Gijsemans für sein Werk gewählt hat. Zwölf quadratische Panels pro Seite, ohne Bruch und einer Darstellung, die den amerikanischen Comics früherer Jahrzehnte angelehnt ist.

Detailreich werden die Alltagsmomente von Aaron gezeigt, minimale Veränderungen pro Kästchen lassen Druck und Unsicherheit spürbar werden. Das Eintauchen in gezeichnete Geschichten voller Muskelprotze und Bösewichter bietet keinen Ausweg, auch hier bleibt der Raster konstant. Der Sommer, welcher befreiend und lustvoll sein sollte, wie zu einem Albtraum.

Nicht selten muss man bei der Lektüre innehalten und durchatmen, so nahe geht einem das Schicksal von Aaron. Da Ben Gijsemans aber keine Position bezieht und keine moralischen Aussagen provoziert, verleitet die Graphic Novel zum Nachdenken und Diskutieren. Ein sehr starkes Buch über ein wichtiges Thema, das zu oft totgeschwiegen wird.

Abgerundet wird der vorzüglich gestaltete Band mit einem Nachwort von M. Sc. Fanny de Tribolet-Hardy, Leitung Präventionsstelle Pädosexualität, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich.