von Cornelia Hüsser • 16.08.2024
Verlag: Kein & Aber
256 Seiten • Hardcover
Erscheinungstermin: 16.08.2024
ISBN: 978-3-0369-5045-7
Ein Unglück passiert, und niemand bemerkt es – denn alle sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Was es mit einer Familie macht, wenn Konflikte jahrzehntelang totgeschwiegen werden, ergründet Céline Spierer in ihrem Roman «Bevor es geschah».
Alljährlich trifft sich die Familie Haynes zum gemeinsamen Barbecue im Elternhaus: vier Geschwister, ihre jeweiligen Partner und Kinder sowie die Mutter, die nach dem Tod ihres Ehemanns hiergeblieben ist. Wie in vielen Familien ist aber nicht nur Wiedersehensfreude spürbar, sondern vor allem Anspannung – und so bemerkt keiner, dass sich am Pool gerade eine Katastrophe anbahnt.
In der Folge entfaltet die Autorin eine Familiengeschichte, die von Schweigen, Lügen und Verdrängung geprägt ist. Jede Figur hängt ihren Gedanken nach; mittels Rückblenden wird erzählt, was in der Jugend der vier Geschwister vorgefallen ist. Die unter den Teppich gekehrten Vergehen sind schwerwiegend, ebenso das stumme Mitwissen. (Dass das grösste Problem zweier Figuren ist, dass sie jemand anderes als ihren Partner begehren, erscheint dagegen nahezu lächerlich.)
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Der Text ist gut konstruiert, mit jeder Figur wird eine weitere Ebene der Vergangenheit freigelegt, bis sich alles wie ein Puzzle zusammenfügt. Jedoch sind nicht alle Figuren gleichermassen beteiligt, auf mindestens ein Paar hätte komplett verzichtet werden können. Auch stilistisch wirkt der Text unbeholfen; mal weiss man nicht, welcher der Brüder jetzt gerade aufgetaucht ist, ein anderes Mal wird er mit diversen Wiederholungen übererklärt. Plötzliche Perspektivenwechsel sind keine Seltenheit und erschweren den Lesefluss.
Überhaupt ist es schwierig, eine Bindung zu den Charakteren herzustellen – sie sind schlicht zu flach, und fast alle bedienen bestimmte Stereotype (die frühreife Tochter, der gelangweilte Ehemann, die eifersüchtige Mutter usw.). Das macht die weitere Handlung vorhersehbar und killt jede Spannung. «Bevor es geschah» ist ein vielversprechend klingender Roman, der die Erwartungen aber nicht erfüllen kann.