Helena Baumeister: oh cupid

von Michael Bohli • 13.05.2023

Verlag: Avant-Verlag
104 Seiten · Softcover
Erscheinungstermin: 02.03.2023
ISBN: 978-3-96445-084-5

Wie gehen wir mit unseren Gefühlen, Neigungen und Lüsten in der digitalisierten Welt um? Helena Baumeister zeigt mit «oh cupid», wie sich diese Wirrungen anfühlen können.

Ach, diese Liebe in modernen Zeiten. Was bedeuten Gefühle, welche Wichtigkeit hat Sex? Und wie kann man sich nach den Pandemiejahren wieder in das normale Dating-Leben einfühlen? Mit ihrem Comic «oh cupid» stellt Helena Baumeister Fragen, die intim sind und uns alle betreffen. Geschickt verwebt sie persönliche Erfahrungen und kollektive Gedanken zu einer Geschichte mit viel Wirkung.

Der Band ist nach etwas mehr als 100 Seiten bereits ausgelesen, Baumeister hat darin aber viel emotionale Intensität untergebracht. Wie ein dichter Film entfaltet sich die Geschichte mit ihren Charakteren in wenigen, prägnanten Szenen und liefert ein offenes, treffendes Ende. Grafisch wurden die Geschehnisse von «oh cupid» in wunderbaren Bildern festgehalten, welche Veränderungen der Laune im Extrem zeigen und den Fortlauf der Zeit auf wenige Panels komprimieren.

Die Bleistiftzeichnungen sind experimentell und wild, eine Figur kann mehrere Positionen zugleich einnehmen oder sich zwischen zwei Panels in eine überzeichnete Fantasie-Version verwandeln. Die Vorstellungen der Hauptperson werden sichtbar, beschämende, erquickende oder verwirrende Situationen durch die Darstellung erlebbar.

Auch bei der Seitenaufteilung lässt Helena Baumeister mit der variablen Grösse der Zeichnungen Zeit und Emotionen durchscheinen. Ein Moment kann langsam und wichtig erscheinen, oder überhastet vorbeiziehen. Wie im richtigen Leben, wenn die Gefühle durcheinandergeraten und Unsicherheiten an die Oberfläche treten.

Die junge Autorin aus Frankfurt am Main trifft mit ihrem Debüt «oh cupid» die verwirrenden Momente der heutigen Zeit perfekt. Die Suche nach Nähe und Zuneigung wurde mit den Apps nicht einfacher, diese Geschichte beweist allerdings, dass es vielen Menschen gleich geht. Da tut es manchmal gut, eine aussenstehende Position einzunehmen und wie die zwei Amseln das Geschehen zynisch zu kommentieren.

Oder man liest «oh cupid» und wird in den Wirbelsturm der Gefühle hineingesogen.