von Cornelia Hüsser • 18.04.2024
Verlag: Lenos
294 Seiten • Hardcover
Erscheinungstermin: 26. März 2024
ISBN: 978-3-03925-034-9
Eine Frau kommt als Übersetzerin in die Schweiz und heiratet reich. Nach der Scheidung ist sie Multimillionärin. Der psychische Totalzusammenbruch kommt trotzdem.
Matylda Żelichowska ist Ende fünfzig und eine schillernde Persönlichkeit. Aufgewachsen in bescheidenen Verhältnissen in Polen, lebt sie mittlerweile an bester Lage in Zürich. Ihr Exmann hat ihr – dank fehlendem Ehevertrag – mehrere Millionen überlassen, mit denen sie nun mehr oder weniger gedankenlos hantiert. Über ihre Stiftung vergibt sie ab und zu Gelder zur Förderung von Kunst und Literatur, doch wenn sie ehrlich ist, langweilt die Arbeit sie. Komplettiert wird die Misere von einer Essstörung, die sie seit dem Auftauchen fieser Paparazzi-Bilder pflegt.
Um aus der emotionalen Abstumpfung auszubrechen, beginnt sie, Konflikte vom Zaun zu brechen und damit ihr ganzes Umfeld zu vergraulen. Auf dem Höhepunkt ihres Selbstzerstörungstrips will selbst ihre beste Freundin nichts mehr von ihr wissen. Schliesslich flüchtet sie sich für ein paar Tage nach Polen, um dort ihrer familiären Vergangenheit nachzuspüren. Doch auch dort ist nichts mehr so, wie es erwartet hatte.
«Das Leben ist die grösstmögliche Ruhestörung» ist das Porträt einer vereinsamenden Frau, die ihr Leben unfreiwillig zugrunde fuhrwerkt – und kann zugleich als Gesellschaftsroman gelesen werden. Es geht um psychische Gesundheit und Traumabewältigung, aber auch aktuelle Brandherde wie Abtreibungsrechte, Gender und Demokratie werden gestreift. Die Gespräche, die Matylda mit Freunden, in der Selbsthilfegruppe oder mit ihrer imaginären Therapeutin führt, sind dabei – dank ihrer selbstkritischen und zynischen Persönlichkeit – nicht nur ernst, sondern auch immer wieder witzig zu lesen.
Das Setting in Zürich ist vertraut, der Lokalkolorit aber manchmal etwas zu viel des Guten und nicht nötig für den Roman. Es ist eine Geschichte, die in jedem reichen Land spielen könnte. Das ist aber nur ein kleiner Wermutstropfen. Insgesamt ist Julia Kohli ein spannender, unterhaltsamer und nachdenklich stimmendes zweites Buch gelungen, von dem man sich gerne in seiner Ruhe stören lässt.