Kilian Ziegler: Gelesen und gehört

Wer in den letzten 20 Jahren in den Kulturszenen der Schweiz unterwegs war, ist bestimmt einige Male mit Poetry Slam in Kontakt gekommen. Auch uns erging es so – Kilian Zieglers Auftritt an der Sommerbar des OXILs gab den Ausschlag für eine Zeitreise. Passenderweise haben wir eine digitale Kompaktkamera von Sony aus den Nullerjahren ausgegraben, um das Event visuell festzuhalten.

Erinnerung

Die weitum bekannte Trilogie in Olten, die regelmässigen Besuche der klingenden Namen der Szene im Ochsensaal Zofingen: Poetry Slam war bei meinem Übertritt ins Erwachsenenalter ein steter Begleiter. Lisa Christ, Lara Stoll, Raphael Studer, viele weitere Gehversuche und logischerweise auch Kilian Ziegler waren zu Gast auf der Bühne der OX Kultur-Slams.

Zwischen Lachern, Buh-Rufen, in die Höhe gereckten Blättern mit Wertungen und überschwappenden Getränkeflaschen gab es Kapriolen, Denkzettel und Wiederholungen. Dass ich mich an die Inhalte der Auftritte nicht mehr erinnern kann, geschenkt. Der Name Ziegler blieb aber haften – wie auch seine damals «La Vache Kili» betitelte Facebook-Page. Eine Zeit unter dem Banner «Laut & deutlich», voller Liebe für die Sprache.

Lektüre

Klassische Slam-Abende gibt es in meiner Freizeit nicht mehr, dank der Veröffentlichung «Dass es überraschend kommt, habe ich erwartet» aus dem Knapp Verlag wurde mir aber die Möglichkeit zur Aufholjagd geboten. Kilian Ziegler hat Bühnentexte, Auftragsarbeiten und Gedanken versammelt, ich habe mir den Inhalt innert zwei Tagen zu Gemüte geführt.

Das war übermütig, wirkte die schiere Menge an Gags und Wortspielen beinahe erdrückend. Ziegler hat das fantastische Talent, zu jedem Thema die Unendlichkeit der Sprachwitze anzuzapfen und auf Papier zu bringen. Zwar wiederholen sich die Formen und Mechaniken in den Texten, doch wenn er sich Themen wie der SBB, Steel Drums oder der Zeit annimmt, ist das grossartig.

Manche Arbeiten wirken dagegen zäh und sind auf Schenkelklopfer ausgelegt, der Humor ist klar ein Kind der Nullerjahre und gewisse Passagen sollten heute nicht mehr so geschrieben werden. Doch die Neugier, welche Emotionen die Texte laut gelesen auslösen können, wurde durch das Buch entfacht.

Auftritt

Dann die Zusammenkunft bei der Sommerbar des OXILs, Ziegler aus dem weit entfernten Olten angereist, die Zuschauer:innen aus der Region eingetroffen – alles bereit für einen Abend im Zeichen des Wortspiels. Und siehe da, obwohl ich die Texte bereits kannte, verliehen Rhythmus, Dialekt und eingeworfene Zwischensätze in Mundart den Inhalten eine frische Wirkung. «Dass es überraschend kommt, habe ich erwartet» ist und bleibt Spoken Word.

In der Gruppe musste sich niemand für Lacher schämen, auch wenn ein auf sympathische Weise verdrehtes Augenpaar dazugehörte. Perfekt wurde der Auftritt durch die Einbindung der Umgebung: Leicht gefährlich aussehende Personen im BMW beäugten Kilian Ziegler, der nahe Zugverkehr unterstrich akustisch perfekt die Seelsuche.

Der Autor und Wortakrobat weiss, wie er auf der Bühne zu agieren hat und liefert nebst vorgetragenen Texten aus dem Buch Anekdoten, Ablenkungen und spontane Wortgefechte mit dem Publikum. Wiederhören machte Freude, das hat mir der Abend laut und deutlich gezeigt.