von Michael Bohli • 28.05.2023
Verlag: Scheidegger & Spiess
216 Seiten · Hardcover
Erscheinungstermin: 04.05.2023
ISBN: 978-3-03942-148-0
Das Werk von Ladina Gaudenz lässt sich mit der wunderbar verarbeiteten Publikation «La face cachée de l’instant» in seiner Gesamtheit erfassen. Eine faszinierend Dichte Reise durch die Malerei.
Die Wirklichkeit wird abgebildet. Wie oft tappt man mit dieser Aussage in die Falle der Kunst, der Darstellung. Denn ist ein Abbild nicht eine Kopie einer Existenz, einer Situation, und damit bloss eine artifizielle Wiedergabe? Das malerische Schaffen von Ladina Gaudenz hat solche Gedanken als Grundlage inkorporiert.
Die in den Sechzigerjahren in Scuol geborene und in Genf lebende Malerin versucht nie, mit realistischen Bildern die Natur und das Leben der Schweiz auf Leinwände zu bringen. Die Diskrepanz zwischen Gegebenheit und Abbild ist ihr ein wichtiger Faktor, egal ob auf den Bildern Kühe, Bäume oder Blumen gezeigt werden.
Verwischte Farbflächen, extreme Sättigung, geschickter Umgang mit Leerflächen und Spiegelungen – Ladina Gaudenz ist eine Meisterin. «La face cachée de l’instant» lässt Techniken, Eigenheiten und den Umgang mit erwähnten Fragen erleben, der ansprechend gestaltete und auf schönem Papier gedruckte Band versammelt Werke aus allen Phasen und begleitet diese mit erläuternden Essays.
Schwimmende Personen auf Papptellern, hinter Blumen versteckte Strommasten, am Strand auftauchende Marssonden: In der Malerie von Ladina Gaudenz prallen Vorstellungen auf Täuschungen, die Biografie der Künstlerin auf Neugierde. Bilder aus drei Jahrzehnten finden sich in «La face cachée de l’instant», die Einordnung des Werks in die Geschichte der heimischen und internationalen Malerei wird ermöglicht.
Man darf an die verwischten Motive von Gerhard Richter denken, an die abstrakten Gewächse von Albert Oehlen; Ladina Gaudenz bleibt ihre eigene Stimme. Die technische Brillanz, die Farbwahl, die Verdichtung und das Weglassen von Elementen resultieren in Werken, die betören, reizen und täuschen. «La face cachée de l’instant» lässt einen nach dem ersten Blick auf die Seiten für eine lange Zeit nicht mehr los.