von Michael Bohli • 07.06.2023
Verlag: Der gesunde Menschenversand
196 Seiten • Softcover
Erscheinungstermin: 01.10.2022
ISBN: 978-3-03853-128-9
Tagebucheinträge anderer Menschen sollte man nicht lesen! Ach was, Lidija Burčak will es sogar. «Nöd us Zucker» ist 17 Jahre Leben, zusammengefasst in einem Buch. Ungeschönt und sehr unterhaltsam.
Mis liebschte Kulturmagazin, es esch vell passiert ide letschte Woche. Doch wo beginnen? Über meinen Besuch an den Solothurner Literaturtage habe ich dir bereits erzählt. Ebenso mehrmalig über Bücher und Autor:innen. Doch war das genug?
Ach, es gibt einfach zu viele Werke und Menschen, über die man lesen und schreiben möchte. Deren Veröffentlichungen hier Platz und eine grosse Leserschaft verdient hätten. Aber ich bin zu langsam. Hey, nein, Michael, nicht zu langsam. Du willst bloss zu viel, während die Zweifel am Ergebnis immer bleiben. Aber das kennen viele, wie etwa Lidija Burčak.
Du wirst jetzt gröhlen, aber ich habe mich in alten, fremden Tagebuchaufzeichnungen wiedergefunden. Nein, ich bin nicht Jugo und keine Frau – und in Winterthur habe ich nie gelebt. Aber ich kenne die Sorgen als Teenager, die Welt, in der schwierig ist, seinen eigenen Platz zu finden. Besonders, wenn die Interessen im Kreativbereich liegen.
«Nöd us Zucker» zu sein hilft in solchen Fällen, aber vieles redet man sich eh ein. Eventuell. Oder war die Stärke schon immer da, innen drin? Du siehst, mein Magazin, einfach wird es nie werden. Meine Reflektion muss ohne 17 Jahre Tagebucheinträge passieren, Lidija Burčak hat eindeutig mehr festgehaltene Gedanken vorzuweisen.
Unglaublich, dass sie uns alle darin lesen lässt. Aber auch bizeli geil. «Nöd us Zucker» ist ungeschönt und direkt, ehrlich und zum Mitschämen, Freuen, melancholisch an die vergangenen Zeiten denken und Mitfiebern. Eine feine und unterhaltsame Auswahl an schriftlichen Monologen, die Burčak auch fulminant live vorträgt. Das ist ein Erlebnis!
Kleiner Spoiler: Schlussendlich hat die Autorin viele Ziele erreichen können und ist heute auch Filmschaffende. Darum diese Clips zwischen meinen Worten. Ahaaa, logisch.
So, jetzt aber guet Nacht. Muess morn weder früeh uf.