von Cornelia Hüsser • 23.10.2023
Verlag: Edition Moderne
240 Seiten, Softcover
Erscheinungstermin: Oktober 2023
ISBN: 978-3-03731-258-2
Was tun Menschen, wenn der Weltuntergang unmittelbar bevorsteht? Von Gewaltorgien bis zum emotionalen Aufblühen im Angesicht der Apokalypse hält die Popkultur verschiedenste Szenarien bereit. Ein besonders berührendes schafft Lisa Blumen mit ihrem Comic «Vor dem Vergessen»
Ob Zombie-Apokalypse, tödliche Seuche oder Angriff aus dem Weltraum: Es sind Szenarien, die uns in Film und Buch meist mit einer Handvoll Held:innen geliefert werden, die es irgendwie doch schaffen, die Welt zu retten. Nicht so bei Lisa Blumen. Sie lässt den Mond auf die Erde zustürzen – eine Kollision ist unvermeidbar, das Ende des Planeten besiegelt.
Die Nachricht über das Scheitern eines letzten Ablenkungsversuchs wird von der Nachrichtensprecherin in die Wohnzimmer, Cafés und Läden gebracht. Und dort begegnen wir den Menschen an ihren letzten Tagen, die sie auf dem geliebten Heimatplaneten verbringen dürfen. Da sind Leute, die eine letzte Party feiern wollen; eine Kuratorin, die sich nicht von den Kunstwerken in ihrem Museum lösen kann; eine junge Frau, die trotz allem in der Dating-App weiter nach rechts wischt.
Brutalität sucht man in diesen Szenen vergebens. Vielmehr sehnen sich die Figuren in diesen Tagen nach Menschlichkeit und Sinnhaftigkeit – und finden sie in manch unverhoffter Begegnung. Nach und nach verbinden sich ihre Geschichten, bis sich ein Netz entspinnt: Sie sitzen alle im selben Boot.
Sanfte Pastelltöne unterstreichen die melancholische Stimmung. Schmerz wird mit Wärme begegnet; fallen einmal grobe Worte, so höchstens aus Hilflosigkeit. In diesem Sinne ist «Vor dem Vergessen» eine Utopie vor der Dystopie: eine bittersüsse Vision, kurz und intensiv und unausweichlich.
Weiterführender Lesetipp: Anstelle einer Mondkollision stürzt die Erde bei C. F. Ramuz direkt auf die Sonne zu.