von Michael Bohli • 05.07.2024
Manus aus Zürich veröffentlicht mit «Severed» seine erste Manga-Reihe bei Carlsen. Wir haben mit ihm über seine Leidenschaft und die japanische Comic-Kultur gesprochen.
Manga sind im Trend, und das seit längerer Zeit. Der Kult ist auch in der Schweiz überall zu spüren und mit Manus tritt bald ein neuer Mangaka-Stern aus Zürich in Erscheinung. Ende Juli erscheint der erste Band von «Severed», der Reihe des Zeichners, eine beachtliche Leistung für eine Erstveröffentlichung.
Wir haben uns mit Manus in Zürich getroffen, um im wunderbaren Jeeg Manga Anime Shop an der Grüngasse über Lieblingsmanga, Leidenschaft und das Zeichnen zu sprechen.
A Silent Voice • Yoshitoki Oima
Der Manga ist eine sehr berührende Geschichte über einen Jungen und ein taubstummes Mädchen, die sich mit der Zeit näher kommen. Eine sehr gelungene Mischung aus Drama, Slice Of Life und Romance, die auch härtere Themen wie Mobbing nicht ausspart.
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Parasyte • Hitoshi Iwaaki
Das ist eine etwas ältere Reihe, was an den Zeichnungen erkennbar ist, erzähltechnisch ist «Parasyte» aber weiterhin grossartig und originell. Es gibt stets neue Umsetzungen des Science-Fiction-Stoffs als Anime und Real-Life-Serien, die Erzählung um ausserirdische Invasoren überzeugt bei Hitoshi Iwaaki durchweg.
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Yokohama Kaidashi Kikō • Hitoshi Ashinano
Die sehr schönen, mit Aquarell ergänzten Zeichnungen passen gut zur gefühlvollen Geschichte. In einer nostalgisch dargestellten Post-Apokalypse begleiten wir eine Androidin, die auf dem Land ein Café und Gespräche mit Gäst:innen führt. Unaufgeregt und schön.
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Blue Period • Tsubasa Yamaguchi
Die Reihe habe ich vor Kurzem begonnen. Sie behandelt mein Thema, die Kunst, mit tollen Charakteren. Die Hauptperson ist ein Rowdy, der entdeckt, dass er Malen mag und eine öffentliche Kunstschule besuchen möchte. Doch für die dortige Aufnahmeprüfung muss er sich stark pushen.
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Atelier of Witch Hat • Kamome Shirahama
Eines der zeichnerisch schönsten Werke überhaupt! Jede Seite und jedes Panel ist ein Kunstwerk, das ich sofort an die Wand hängen würde. Inhaltlich geht es in Richtung «Harry Potter»; eine junge Schneiderin ist von der Zauberei fasziniert und wird nach diversen Hürden an der Zauberschule aufgenommen.
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Die Blumen des Bösen • Shuzo Oshimi
Shuzo Oshimi ist einer meiner Lieblingsautoren und diese Reihe ist eine sexuell stark aufgeladene Geschichte über Jugendliche. Das führt zu viel Drama und Reibungen zwischen den Figuren, die sich bei den Hauptcharakteren in psychologisch einengende Situationen entwickeln.
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Wir haben Manus ebenfalls drei Reihen vorgestellt:
«Insomniacs After School» von Makoto Ojiro
«Der Sommer, in dem Hikaru starb» von Mokumokuren
«Goodnight Punpun» von Inio Asano
Phosphor: Was zeichnest du am liebsten und was gar nicht gerne?
Manus: Wahrscheinlich fällt es beim Lesen von «Severed» auf, ich zeichne gerne Frauen (lacht). Weniger Gefallen finde ich am Zeichnen von Hintergründen; diese benötigen viel Zeit, mathematische Präzision und Konstruktion. Bei Figuren kann man sich vom Strich leiten lassen.
Dein Anspruch ist es, realistisch zu zeichnen?
Bei Manga ist es vielfach so, dass die Hintergründe realistisch dargestellt werden, während die Figuren stilisiert gezeichnet sind. So heben sich diese besser ab und es bildet sich eine spannende Gegensätzlichkeit.
Wie bist du zum Mangazeichnen gekommen?
Seit den frühen Nullerjahren lese ich Manga und habe bereits als Kind Comics mit Figuren aus Star Wars oder Super Mario gekritzelt. Das hat sich durch mein Animationsstudium gezogen, auch da war ich nebenbei stets am Zeichnen.
Lange hatte ich Zweifel an meinen Fähigkeiten, besonders beim Schreiben der Geschichten. Die Idee der Figur Akane – die Hauptperson in «Severed» – existiert schon lange und ich brachte mich dazu, ihre Story komplett auszuformulieren. Das waren zirka hundert Seiten, die ich während eines Jahres zeichnerisch geschaffen habe.
Hat sich von diesem Entwurf zur jetzigen Veröffentlichung viel verändert?
Nein, es ist dem Entwurf sehr nahe geblieben. Den zuständigen Personen bei Carlsen Manga gefiel die Geschichte und es gab nur Detailänderungen, wie etwa die Gestaltung der Prothesen. Das hat mich in meinem Schaffen sehr bestärkt.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Carlsen?
Ganz unspektakulär: Ich habe mich bei Verlagen mit einer Mappe zu meinem Projekt und mir selbst beworben, und von Carlsen kam die positive Rückmeldung.
Wie sieht dein Mangaka-Alltag aus?
Aktuell zeichne ich sehr viel; ich arbeite auf den zweiten Band meiner Reihe hin. Ich stehe morgens auf und arbeite bis abends um 22 Uhr an meinem Manga. Wirklich viel Zeit für anderes bleibt da nicht (lacht). Da muss teilweise sogar meine Arbeit im Videobereich zurückgestellt werden. Ein Manga ist sehr aufwendig, das darf nicht vergessen werden.
Dass es eine fortlaufende Serie wird, hat sich nach den Gesprächen mit Carlsen ergeben. Die Geschichte musste ich zuerst ausgehend von meinen 100 Entwurfsseiten entwickeln.
Wie siehst du deinen Stil? In «Severed» gibt es westliche Elemente – wie die englischen Soundwörter oder die Gesichter der Figuren.
Das ist eine spannende Beobachtung, ich selber kann es schlecht beurteilen. Meine Zeichnungen werden von unterschiedlichsten Dingen beeinflusst, mein Interessengebiet ist aber klar Manga. Superhelden-Comics beispielsweise haben mich nie wirklich gepackt, ich brauche menschliche Emotionen und nicht bloss Kämpfe mit Superkräften.
Die Soundwörter wollte ich ursprünglich teilweise in Japanisch anwenden, mein Redakteur meinte aber, dass es sprachlich zu unsicher wird.
Welche Verbindungen gibt es zwischen dir und Japan?
Ich war vor etwa zehn Jahren für ein Jahr in einer Sprachschule in Tokio. Lustigerweise habe ich auch dort, während des Unterrichts, viel gezeichnet (lacht). Ein Lehrer in der Schule konnte grossartig zeichnen und hat seine Erklärungen damit ergänzt. Er hat mir viele Hintergrundinfos zum Leben als Mangaka geliefert.
Es war eine sehr inspirierende und spannende Zeit. Diverse Erinnerungen und Eindrücke fanden ihren Weg in «Severed», das in Japan spielt. Ich lasse mich beispielsweise von der Architektur beeinflussen, es sind aber nicht zwingend konkrete Orte in der Stadt.
Logischerweise nutze ich zusätzlich eine Menge Referenzmaterial wie vor Ort gemachte Fotos, deren Elemente ich neu kombiniere.
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Mit welchen Werkzeugen arbeitest du?
Digital und analog werden bei mir gemischt, ich bin aber zwiespältig gegenüber den digitalen Tools eingestellt. Die Mittel sind sehr effektiv, aber man starrt stets in einen Bildschirm und ich vermisse das Gefühl von Papier. Skizziert werden die Seiten darum mit Bleistift, das Reinzeichnen erfolgt digital – was Zeit spart, besonders bei Rasterfolien und Flächen.
Wie bist du auf das Thema von «Severed» gekommen?
Die Hauptfigur von Akane ist wie aus dem Nichts erschienen, zu Beginn noch mit einem Roboterarm. Aus den Überlegungen, wie sie zu diesem Arm kam, was dahinter steckt, bin ich zum Inhalt von «Severed» gekommen – auf eine Art, die zwischen Kontrolle und Zufall lag.
Das Unterbewusstsein ist für meine Arbeit sehr wichtig; auch beim Zeichnen, wenn ich in den Flow komme und das Gehirn «ausschaltet». Der Körper macht, was er will. Das ist ein sehr spannender Aspekt beim kreativen Schaffen und dem Geschichtenerzählen.
Wird «Severed» auch in Japan erscheinen?
Das hängt wahrscheinlich von der Leserschaft ab (lacht). Es wäre natürlich traumhaft, aber ich bin sehr zufrieden, dass nach langer, isolierter Arbeit das Werk vom Publikum gelesen werden kann. Auf die Reaktionen bin ich sehr gespannt.
Zum Abschluss: Wie steht es mit der Hundefrage?
Ich bin hin- und hergerissen (lacht). Hunde mag ich sehr, aber es ist auch eine grosse Verantwortung, die wohlüberlegt sein muss.
Für mehr Energie, auch beim Zeichnen, ist die neuseeländische Punk-Band The Beths zu empfehlen.
manus: Severed 1
Verlag: Carlsen Manga
180 Seiten • Softcover
Erscheinungstermin: 30.07.2024
ISBN: 978-3-551-02287-5