Manga Yomimono #11

Die Gefühle stehen im Zentrum dieser elften Ausgabe von Manga Yomimono. Romantisch wird es beim zauberhaft gezeichneten «Heart Program», leicht schusselig die Annäherungen bei «Smoking Behind the Supermarket» und zärtlich die Gedanken über Tod und Ende bei «Hiraeth». Wer brutale Parasiten aus dem All oder mörderische Detektivspiele mag, wird ebenfalls nicht enttäuscht.

Hinata Nakamura: Heart Program • Band 1

Wie funktioniert das Herz? Nicht im anatomischen Sinn, sondern mit den Gefühlen und der Liebe – das will Ichiko lernen. Das Robotermädchen zieht dazu in den Haushalt der Usamis ein, um während mehreren Jahren ihr Gefühlsprogramm zu absolvieren. Das verunsichert Kyu, dessen Gefühle für Ichiko eventuell tiefer reichen als Freundschaft.

Die erste Liebe, das zaghafte Annähern der Körper und die Unsicherheiten: Hinata Nakamura verbindet die Romance-Themen und Coming-Of-Age-Aspekte in ihrem Manga «Heart Program» mit Soft-Science-Fiction. Durch die Inklusion des Roboters wird die Perspektive erweitert.

Natürlich sorgt Ichikos Erscheinen für ein Liebesdreieck und ihre leicht unbeholfene Art für Probleme. Als Leser:in verliebt man sich sofort in die Figuren der Geschichte, Hinata Nakamuras Zeichnungen sind wunderschön, die Seiten locker gefüllt und die Panels detailreich gestaltet. Die Emotionen, das Wetter und die Umgebungen werden körperlich wahrnehmbar.

208 Seiten • Carlsen Manga • 978-3-551-71103-8 • Bestellen

Hitoshi Iwaaki: Parasyte • Band 2

Glücklicherweise sind Shin’ichi Izumis Eltern verreist, so kann er sich ohne Störung mit seinem Parasiten beschäftigen. Dieser bringt ihm nicht nur bei, wie sie in Symbiose zu leben haben, sondern wie Shin’ichi besser kämpfen kann. Das ist bitter nötig, machen nicht nur diverse mörderische Parasiten ihre Runden, seine Eltern werden auf ihrer Reise angegriffen. Kann ihnen Shin’ichi helfen?

Das Beste am zweiten Band von «Parasyte» sind nicht die parasitären Verformungen der Körper (diese sind aber auch sehr cool und gruselig), sondern das angenehme Erzähltempo. Hitoshi Iwaaki brachte seine Geschichte mit vielen Dialogen und Gedanken der Charaktere zu Papier, was das Innenleben der Figuren perfekt vermittelt. Die Emotionalität wird immer intensiver, Shin’ichi und seine Freund:innen wachsen ans Herz.

Die brutalen Konfrontationen mit den Parasiten und das Dilemma um die Mutter wirken sehr intensiv und die ruhigen, in viele kleinere Panels unterteilten Zeichnungen sorgen für eine stete Übersicht. Der Manga kann seine Entstehungszeit nicht verstecken, wirkt aber weiterhin fesselnd und Iwaaki schockt mit den Wendungen.

286 Seiten • Planet Manga • 978-3-7416-2824-5 • Bestellen

Yuhki Kamatani: Hiraeth – Heimweh nach Endlichkeit • Band 1

Triggerwarnung: Suizid

Einfach vor den Lastwagen springen und dem Leben ein Ende setzen, für Mika der einzige Ausweg aus der Trauer, den sie seit dem Tod von ihrer besten Freundin Mistuha verspürt. Doch das Vorhaben misslingt und sie wird vom unsterblichen Typen Hibino und einem Gott gerettet. Wie bitte? Nach anfänglicher Verwirrung macht sich das ungleiche Trio auf den Weg zum Totenreich, dort will die Gottheit ihre Existenz beenden.

Süssigkeiten, Seelenverwandtschaften, Todessehnsucht und viel überdrehter Humor: Trotz der tragischen Grundlage ist die Geschichte von Yuhki Kamatani eine unterhaltsame Lektüre. Witzige Passagen, reale Emotionen und viel menschliche Wärme füllen die Seiten von «Hiraeth – Heimweh nach Endlichkeit».

Die luftigen Zeichnungen, welche sich oft über Doppelseiten erstrecken und keine strikte Panelordnung einhalten, zeigen den Roadtrip des leicht chaotischen Trios voller Hingabe und mit lustigen Details. Mika möchte man in die Arme nehmen und bei Hibino selbst auf dem Motorrad mitfahren. So schön war die Reise ins Totenreich wohl noch nie.

192 Seiten • Carlsen Manga • 978-3-551-80017-6 • Bestellen

Jinushi: Smoking Behind the Supermarket • Band 2

Packung zwei wird angebrochen, Herr Sasaki sucht wieder Entspannung von der Arbeit bei gemeinsamen Zigarettenpausen mit der wilden Frau Tayama aus dem Supermarkt. Diese erfährt immer mehr zu Sasakis heimlicher Zuneigung für die Verkäuferin Frau Yamada und stichelt noch mehr. Dass die beiden Frauen dieselbe Person sind, merkt der Nullchecker einfach nicht.

«Smoking Behind the Supermarket» ist ein Manga, der nicht viel erzählt. Gemeinsam mit den Figuren verbringt man die Momente, geniesst die zwischenmenschlichen Reibungen und lacht über Sasakis Unbeholfenheit. Ein wirkliches Ziel gibt es allerdings nicht.

Jinushis Zeichnungen sind wie beim ersten Band stellenweise grob ausgefallen, implementieren die cartoonartigen Ausdrucksweisen der Figuren aber geschickt in die realistische Umgebung. Der Erzählstil bleibt locker, die Zigaretten glühen regelmässig. Ein Manga, der sich wie eine Pause vom stressigen Alltag anfühlt.

214 Seiten • Hayabusa • 978-3-551-62408-6 • Bestellen

Yukito Ayatsuji, Hiro Kiyohara: Mord im Dekagon • Band 2

Verdammt, Orczy wurde ermordet. Der Ausflug des Mystery-Clubs der Uni wurde nach der ersten Nach auf der Insel zum Albtraum. Sie sechs übrigen Freund:innen müssen herausfinden, wer der Mord verübt hat. Was es jemand von ihnen, oder ist der Architekt Seiji Nakamura gar nicht beim Brand ums Leben gekommen, sondern weiterhin als Wahnsinniger auf dem Landstrich unterwegs?

Die Lage spitzt sich im zweiten Band von «Mord im Dekagon» nicht nur auf der Insel zu, auch die Charaktere, welche Nachforschungen auf dem Festland betreiben, stossen auf weitere Ungereimtheiten. Die Wahrheit scheint viel schrecklicher zu sein als gedacht. Yukito Ayatsuji lässt die Leserschaft aber zappeln.

Noch führen die vielen Fragen und Stränge nicht zu einer Gesamtheit, Hiro Kiyohara sorgt mit den Zeichnungen für eine gute Bebilderung, die besonders bei den eleganten Gesichtern und der Natur überzeugt. Eine spannende Sache, die aber dichter erzählt werden könnte.

162 Seiten • Carlsen Manga • 978-3-551-80045-9 • Bestellen