von Michael Bohli • 28.04.2024
Während das Action-Ereignis «Alice In Borderland» endet, starten mit «Crossing Borders» und «Omniscient Reader’s Viewpoint» zwei vielversprechende neue Reihen in eurer Manga-Kolumne.
Loszulassen ist nicht immer einfach, im Falle von «Alice In Borderland» ist es zum Glück nur ein halber Abschied, denn Hayabusa hat die Nachfolgereihe bereits angekündigt. Trotzdem ist es auch ein schönes Gefühl, eine Geschichte abgeschlossen zu haben. Die freie Zeit kann mit neuen Serien gefüllt werden, logisch. Wir haben mehrere Tipps auf Lager.
Triggerwarnung: Selbstverletzung, Cyber-Mobbing
Adam ist ein zurückhaltender Junge, der sich nebst dem Lernen seinem Hobby, dem Zeichnen hingibt. Er träumt von einer Veröffentlichung, würde diesen Schritt aber niemals wagen. Mia ist eine bekannte Persönlichkeit auf Social Media, stammt aus wohlhabendem Haus und hat scheinbar nur ein Problem: Die schlechten Schulnoten. Als die beiden aufeinandertreffen ergibt sich die Möglichkeit der gegenseitigen Unterstützung.
Es stellt sich heraus, dass hinter den Fassaden der beiden jungen Menschen Sorgen, Ängste und Abgründe lauern, die niemand vermuten würde. In der Coming-Of-Age-Geschichte «Crossing Borders» schauen wir unter die Oberfläche und erfahren viel über das Innenleben von Mia und Adam.
Dominik Jell hat eine berührende und traurige Geschichte geschaffen, die mit Situationen und Wendungen subtiler sein könnte, aber immer mitreisst. Die wunderbaren Zeichnungen implementieren japanische Elemente geschickt in den Stil des Deutschen Zeichners, die Layouts sind klar und strikt. Mia und Adam wachsen ans Herz und sind zum Verlieben süss, wenn auch die Insta-Erklärungen von «Crossing Borders» bereits überholt sind. Eine starke Lektüre.
226 Seiten • Carlsen Manga • 978-3-551-78179-6 • Bestellen
Das ruhige Leben kann Jin nicht geniessen, denn nun ist klar, dass der ZET ein künstliches Wesen ist und Doktor Kanzaki seine Finger bei der Schöpfung im Spiel hatte. Trotzdem entschliesst sich Jin, den Deal von Amagi einzugehen und sich von seiner menschlichen Form zu verabschieden. Nur so können die Player aufgehalten werden. Doch bevor der Prozess abgeschlossen ist, müssen Antworten her!
Bei vielen Seiten des vierten Bands von «Zetman» handelt es sich aus diesem Grund um Rückblenden. Die Player, ZET und die Machenschaften der Organisation werden erläutert, wir als Leserschaft erhalten gemeinsam mit Jin einen Einblick und einige Antworten. Das macht die Lektüre stellenweise etwas behäbig, der detaillierte Zeichnungsstil von Masakazu Katsura weiss aber auch in dialoglastigen Momenten zu begeistern.
Action gibt es logischerweise auch, denn Jin tritt erneut gegen diverse Player an und muss sich deren Überheblichkeit stellen. Zugleich gibt es ein Wiedersehen mit Konoha und Koga, die Charaktere werden im fünften Band wieder zentrale Rollen einnehmen. Schade bloss, stellt Katsura weibliche Figuren stets übersexualisiert und fragwürdig dar. Ein Minuspunkt in dieser harten Science-Fiction-Action-Story.
448 Seiten • Manga Cult • 978-3-96433-809-9 • Bestellen
Wer liest, ist im Vorteil. Das realisiert Dokja sehr schnell, als seine Welt von Monstern angegriffen wird und sich in die Apokalypse seines Lieblingsromans zu verwandeln beginnt. Als einzige Person hat er die Fortsetzungsgeschichte zu Ende gelesen und weiss, wie der Weltuntergang zu überstehen ist. Blöd nur, dass er scheinbar nicht die Hauptperson ist. Ist sein Überleben garantiert?
Webtoons sind heiss. Das zeigen Serien wie «Solo Levelling», das gleiche Studio steht auch hinter dem neuen Actionhit «Omniscient Reader’s Viewpoint». Die Game-Mechaniken nehmen in der Geschichte von singNsong, UMI und Sleepy-C einen zentralen Punkt ein; Levels, Anzeigegrafiken und viele Kämpfe gehören zu diesem südkoreanischen Comic.
Die Grundidee ist angenehm frisch, die grafische Ausarbeitung sehr gelungen und das hohe Erzähltempo lässt im ersten Band keine Ruhepause zu. Das sorgt für abenteuerlichen Lesespass und hält sich bei den Figuren glücklicherweise mit übermächtigen Fähigkeiten vorerst zurück.
256 Seiten • C Lines • 978-3-551-63006-3 • Bestellen
Antworten suchen auch Zaha Sanko und seine Gruppe im fünften Band von «Dai Dark». Schliesslich wissen sie zu wenig über die Identität von Damemaru, der erneut gestorben ist und im Dunkel erforscht werden soll. Eine gute Gelegenheit, Ausrüstung einzukaufen und sich von den Abenteuern zu erholen. Aber Achtung, die bösen Mächte von Koryokukai und dem Light-Head-Orden hecken neue Pläne aus.
Sind wir mal ehrlich: Der leicht durchgeknallte und selbstironische Stil von Q-Hayashida macht die Lektüre dieses Science-Fiction-Abenteuers so unterhaltsam, dass es keine Kämpfe und Verschwörungen brauchen würde. Zaha Sanko und seine Freund:innen zu beobachten ist Unterhaltung pur, eingebettet in den eigenständigen, leicht skizzenhaften Zeichnungsstil.
Die Momente im Dunkel, die Diskussionen im Raumschiff und die Rückblenden in Sankos Kindheit machen den fünften Band von «Dai Dark» erneut zum grossen Spass, bei dem Genre-Klischees ausgespart und viele Hürden mit einem Schulterzucken überstanden werden. Mehr davon!
212 Seiten • Manga Cult • 978-3-96433-783-2 • Bestellen
Abschlussband!
Ryohei und seine Mitstreiter:innen haben es fast geschafft, das Ende der Spiele im Borderland zu erreichen. Ein letztes Game gegen die Herz-Königin bleibt. Dann, ja, was dann? Gibt es eine weitere Runde mit noch perfideren Herausforderungen? Werden die Überlebenden wieder in ihre eigene Welt zurücktransportiert? Ryohei will nicht nur am Leben bleiben, er will endlich Antworten!
Und die liefert Haro Aso im letzten Band von «Alice In Borderland» auf unerwartete Weise. Das Duell mit der Herz-Königin wird zum psychologisch-philosophischen Austausch, der Mangaka liefert Lügen und Optionen, weicht Klischees und Erwartungen aus und findet eine überraschende und ruhige Erklärung.
Vieles auf diesen letzten 400 Seiten dreht sich um den Sinn des Lebens, um unsere Verhaltensweisen und den vorherrschenden Egoismus. Das ergänzt die Action und die Brutalität geschickt und bietet der Geschichte am Schluss genügend Raum. Ich bin schon sehr gespannt, wie Haro Aso die Reihe mit «Alice in Borderland – Retry» fortgesetzt hat. Los geht es im Mai.
402 Seiten • Hayabusa • 978-3-551-62391-1 • Bestellen
Manga Yomimono
Yominono; japanisch für Lesestoff. Das bieten wir mit dieser Beitragsreihe, regelmässige Lesetipps und Kurzkritiken zu aktuellen Veröffentlichungen im deutschsprachigen Markt. Damit euer Manga-Feuer nie ausgeht.
Alle bisherigen Ausgaben findet ihr hier.