von Michael Bohli • 15.06.2024
«Mila Superstar» verspricht Nostalgie pur, während der letzte Band von «Takopi» das Herz im Heute zerschmettert. Mit der 18. Ausgabe von Manga Yomimono reisen wir durch die Zeit.
Dass wir in unserer Manga-Kolumne stets dieselben Themen präsentieren, kann uns echt niemand vorwerfen. Das beste Beispiel ist die aktuelle und bereits 18. Ausgabe: Seelenwärmend «Insomniacs After School», romantisch gruselig «#DRCL – Midnight Children» und emotional hart «Takopi und die Sache mit dem Glück». Alle Gamer werden mit dem Webtoon «Omniscient Reader’s Viewpoint» beglückt.
Ach, es ist zwar erst der zweite Band der Reihe von Makoto Ojiro, aber ich habe mich bereits in die Hauptfiguren verliebt. Zu «Insomniacs After School» zurückzukehren, fühlt sich richtig und beruhigend an. Denn mit Isaki Magari (ihre Haare!) und Ganta Nakami den Alltag zu verbringen, ist unterhaltsam, menschlich und ohne grosse Gefahren.
Zwar müssen die beiden für ihren neu gegründeten Astronomie-Club eine Jahresplanung mit Aktivitäten durchführen, sonst verlieren sie das Observatorium, das sollte aber kein Problem sein. Denn mit dem anstehenden Fotowettbewerb können sich die beiden Schlaflosen unter Beweis stellen. Bloss, wer bringt ihnen das Fotografieren des Nachthimmels bei?
Knuffige Figuren, lebensecht wirkende Zeichnungen und viele ruhige Momente: Obwohl die Hauptfiguren in «Insomniacs After School» keinen Schlaf finden, wird die Lektüre nie stressig. Makoto Ojiro liefert humorvolle Momente des Alltags, entzückt mit Details und Outfits auf den Seiten und lässt sanft romantische Gefühle in die Erzählung rein. Ich fühle mich wohl.
192 Seiten • Carlsen Manga • 978-3-551-71760-3 • Bestellen
Triggerwarnung: Mobbing, Missbrauch, Suizid • Abschlussband
Dass «Takopi und die Sache mit dem Glück» mit dem zweiten Band den Abschluss findet, kann als Erleichterung gesehen werden. Ich weiss nicht, ob ich die emotionale Härte der Geschichte noch länger ertragen hätte. taizan5 macht gnadenlos weiter und konfrontiert Shizukas Klasse mit dem Tod von Marina. Jetzt scheint nicht einmal mehr Takopi helfen zu können.
Nicht nur sind die Gadgets des ausserirdischen Wesens kaputt, die Täuschung von Marinas Familie hat ebenfalls nicht geklappt. Shizuka bleibt nur ein Ausweg: Sie braucht eine Person, welche die Schuld des Mordes auf sich nimmt.
Diese ist schnell gefunden und im zweiten Band der Story wird es noch schlimmer und bedrückender. Dass taizan5 es durch einige Kniffe doch schafft, eine Art Happy End zu gestalten, macht die Lektüre aushaltbar. Überhaupt ist es sehr wichtig, dass sich der Mangaka auf ernste (wenn auch drastische) Weise mit Mobbing und Missbrauch beschäftigt – bei der Leserschaft ist aber ein gewisses Mass an Toleranz und Stärke nötig.
208 Seiten • Hayabusa • 978-3-551-62405-5 • Bestellen
Dass Egmont Manga die Shojo-Sportgeschichte «Mila Superstar» als Luxus-Edition im dicken Hardcover veröffentlicht, passt zur Fangemeinde. Auch ich wurde als Kind vom Anime im Nachmittagsprogramm angefixt und freue mich endlich die Geschichte im Original lesen zu können. Für ein solches Erlebnis stört der höhere Preis nicht.
Überraschungen gibt es auf den ersten 500 Seiten der Erzählung von Chikako Urano genug: Die Schülerin Mila Ayuhara ist ein grosses Talent im Volleyball und sorgt an ihrer neuen Schule in Fujimi dafür, dass die Mannschafft an Tournieren mitspielt, was ihren Ehrgeiz offen zeigt. Das bedeutet interne Machtkämpfe, direkte Aussprachen und ultrahartes Training. Erlebnisse, die in rascher Abfolge präsentiert und durchlebt werden – emotionale Ruhepausen gibt es wenige, dafür umso mehr zwischenmenschliche Konfrontationen.
Das ist in Bezug auf Struktur und Charakterzeichnung den heutigen Lesegewohnheiten fremd und wirkt unsensibel, dafür gibt es im ersten Band mehrere Spiele und Wettkämpfe zu erleben. Die zahlreichen, kleingehaltenen Panels leben von den Figuren, Milas Augen sind wie ein Sternenmeer und die Gesichter reduziert gestaltet. «Mila Superstar» wurde 1969 zum ersten Mal veröffentlicht und ist ein Kind ihrer Zeit, ganz klar.
522 Seiten • Egmont Manga • 978-3-7704-4274-4 • Bestellen
Die gruslige Augenweide geht in die dritte Runde und die Lage für unsere Hauptpersonen ist brenzlig. Luke*Lucy ist weiterhin von der dämonischen Macht besessen und liegt bewusstlos im Bett, das Zimmer wird vom Grafen der Dunkelheit belagert. Unter der Leitung von Professor Helsing versuchen Mina und die Jungs das Böse mit einer Bluttransfusion zu vertreiben.
Dass Dracula in der Zwischenzeit tierische Verbündete gesammelt hat und die Whitby-Schule in Chaos versinken lässt, macht die Ausführung des Plans nicht einfacher. Aber traumhaft schön anzusehen, sind die Zeichnungen von Shin’ichi Sakamoto eine düster-romantische Augenweide voller Ornamente und Texturen.
Zwischen Gothic-Entzückung, eiskaltem Schrecken und Abenteuerlust bewegen sich die Gefühle beim Lesen des dritten Bands von «#DRCL – Midnight Children», die Neuinterpretation von «Dracula» ist eine optische Wucht. Da ist rasch vergessen, dass die Handlung eher schleppend vorangeht und Sakamoto der Legende bisher wenig Neues einbringen konnte.
224 Seiten • Hayabusa • 978-3-551-62424-6 • Bestellen
Jetzt ist es wirklich so, Dokja ist in der apokalyptischen Welt seines Lieblingsromans gelandet. Dank seinem Vorwissen aus der Lektüre hat er die ersten Herausforderungen gemeistert und macht sich mit anderen Überlebenden zum nächsten Bahnhof auf. Doch die Brücke beim Zugang stürzt ein und die Hauptfigur der Geschichte taucht auf. Dieser scheint sich über Dokjas Existenz keinesfalls zu freuen…
Von einem Szenario zum nächsten, durch die Missionen und Kämpfe: «Omniscient Reader’s Viewpoint» versteckt die Game-Mechaniken der Story nicht, sondern trägt diese stolz auf der Brust. Der südkoreanische Action-Webtoon von singNsong, UMI und Sleepy-C fühlt sich wie ein Spiel an und liest sich stellenweise mit hoher Geschwindigkeit.
Im zweiten Band sind die anfänglichen Unsicherheiten überwunden und wir tauchen mit Dokja tiefer in die Mechaniken der Spiele ein. Das wird optisch mit vielen Display-Einblendungen aufs Papier gebracht und ergänzt die digitalen Panels und Kolorierung. Schade nur, wirken viele Seiten durch die zahlreichen Sprechblasen und zeichnerischen Wiederholungen unspektakulär.
240 Seiten • C-Lines • 978-3-551-63007-0 • Bestellen
Manga Yomimono
Yominono; japanisch für Lesestoff. Das bieten wir mit dieser Beitragsreihe, regelmässige Lesetipps und Kurzkritiken zu aktuellen Veröffentlichungen im deutschsprachigen Markt. Damit euer Manga-Feuer nie ausgeht.
Alle bisherigen Ausgaben findet ihr hier.