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Manga Yomimono #26

von Michael Bohli • 11.08.2024

Science-Fiction-Fans aufgepasst, in der 26. Ausgabe von Manga Yomimono stellen wir euch ein Schmankerl vor. Dazu gibt es Thriller, Horror, Romance und Slife Of Life.

Was ich beim Manga lesen am meisten mag, ist Geschichten aus unterschiedlichen Jahrzehnten zu entdecken. Die Zeichnungen, die Erzählstrukturen und die Inhalte zu vergleichen macht viel Spass und birgt Überraschungen. Wie etwa bei der edlen Neuauflage von «Planetes».

Makoto Yukimura: Planetes Perfect Edition • Band 1

Die Menschheit hat sich auf dem Mond angesiedelt, baut fleissig Rohstoffe ab und will tiefer ins Sonnensystem vordringen. Das Ziel: Jupiter mit seinen verheissungsvollen Elementen. Da will auch Hachimaki hin, um als Astronaut berühmt zu werden. Aktuell ist er gemeinsam mit Juri und Fee als Schrottsammler in der Erdatmosphäre tätig, was ein notwendiger, aber mühseliger Job ist. Alle drei haben mit eigenen Sorgen und Hoffnungen zu kämpfen.

Der Alltag in Space, «Planetes» ist eine Science-Fiction-Reihe, die eine mögliche Zukunft der Menschheit im Jahre 2070 zeigt und viele heutige Diskussionen gelungen weiterführt. Die Destruktion des Ökosystems, Terrorismus und die menschliche Gier nach Reichtum und Land – Makoto Yukimura verpackt dies geschickt in seiner Story um liebenswürdige und eigensinnige Charaktere.

Der Stil, der zu Beginn der Nullerjahre erstmalig veröffentlichten Reihe ist stark von den Eigenheiten der Neunzigerjahre beeinflusst und kombiniert toll gestaltete, sehr technische Umgebungen mit knuffigen Figuren. Ergänzt um diverse Farbseiten ist der erste Band der Perfect Edition ein grosses Lesevergnügen, das ernste Momente und lustige Situationen in längeren Kapiteln mühelos paart.

360 Seiten • Carlsen Manga • 978-3-551-80024-4 • Bestellen

Edogawa Edogawa: Human Extinction • Band 2

Ok, jetzt mal ehrlich, wer hasst Teruo auch so fest wie ich? Dieser selbstverliebte, arrogante und sexistische Typ macht die ganze Stimmung kaputt und terrorisiert Ayaka. Makoto greift nicht ein, er ist mit dem Verschwinden der Menschheit überfordert und Yasushi trainiert für seinen Judo-Wettkampf, obwohl die Apokalypse eingetreten ist.

Diese schlimme Mischung aus Angst, Trauer, Verzweiflung und Wut entlädt sich nach dem stadtweiten Stromausfall auf diverse Arten und hat einen blutigen Ausgang. Der zweite Band von «Human Extinction» macht klar, warum die kurze Reihe im Thriller-Genre zu verorten ist und der präsentierte Cliffhanger ist sehr fies.

Edogawa Edogawa verarbeitet auf heftige Weise die Sorgen der Pandemie und liefert mit seinen ansprechenden, wenn auch digital wirkenden Zeichnungen eine dystopische Weltsicht, in der wir uns stellenweise wiederfinden können und gemeinsam mit den Figuren auf eine bessere Zukunft hoffen. Schade nur, ist der Band nach 160 Seiten bereits ausgelesen.

160 Seiten • Hayabusa • 978-3-551-62427-7 • Bestellen

Junji Ito: The Liminal Zone • Band 1

Die Pandemie machte auch Junji Ito zu schaffen, trotzdem liess sich der Meister des Horrors nicht unterkriegen und verarbeitete schon vor längerer Zeit verfasste Ideen zu vier Kurzgeschichten voller unangenehmer Entwicklungen. «The Liminal Zone» versammelt die Gruselepisoden in einem Hardcoverband.

Das ist gewohnt ein optisch aufwühlendes Erlebnis mit Gesichtern, die zu Fratzen verzerrt sind, mit Dörfern und Umgebungen, die sich durch den Einfluss böser Mächte verändern. Ein Ort wird von Trauerfrauen heimgesucht, ein junger Mann träumt jede Nacht von schlimmen Morden, im Selbstmordwald Aokigahara passieren verstörende Dinge und eine religiöse Schule verliert sich im Wahn der Madonnenerscheinungen. Harter Stoff, wie immer bei Ito.

Dass keine der Kurzgeschichten den Titel «The Liminal Zone» trägt verwundert, eventuell wird dies im zweiten Band der Sammlung geklärt. Sonst macht es schaurige Freude, sich mit den kranken Einfällen von Junji Ito zu beschäftigen. Wenn auch die versammelten Storys weniger aufwühlen als die älteren Werke und sich stellenweise ziehen. Eventuell, weil sich der Autor pro Geschichte mehr Seiten Platz gelassen hat. Fans finden trotzdem Gefallen an dem Band.

224 Seiten • Carlsen Manga • 978-3-551-80116-6 • Bestellen

Hinata Nakamura: Heart Program • Band 2

Mit einem Herz zu leben, ist nicht immer einfach. Trotzdem will Robotermädchen Ichiko lernen, was das bedeutet. Ihre starken Gefühle zu Kyu sind nicht nur schön, die Mitschülerin Ai fühlt sich von ihr Hintergangen. Als Kyu mit Neo einen weiteren Roboter zur Nachhilfe erhält, wird aus dem Dreieck sogar ein Viereck mit neuen Missverständnissen und Sorgen.

Wer kennt es nicht, die Hilflosigkeit gegenüber den eigenen Gefühlen, die Angst vor der ersten Liebe. Im zweiten Band von «Heart Program» nehmen Zuneigung und Hoffnung viel Platz ein, Hinata Nakamura stellt die Emotionen auf wunderbare Weise dar und versprüht durch die Zeichnungen mit grossen Panels und hübschen Licht-Schatten-Wirkungen viel Atmosphäre.

Die Figuren sind mir ans Herz gewachsen, ich freue mich über die gemeinsamen Ausflüge von Kyu, Ichiko und Ai, und weiss selbst nicht, welche Charaktere das beste Paar abgeben würden. Denn bei «Heart Program» haben alle das Glück verdient und die schöne Mischung aus Slice Of Life, Science-Fiction und Romance geht super auf.

208 Seiten • Carlsen Manga • 978-3-551-80023-7 • Bestellen

Yuu Kuraishi: Denjin N • Band 1

Empfohlen ab 18 Jahren.

Als wären die üblichen Stalker nicht bereits genug, wird Idol Misaki Kanzaki online belästigt und die Umgebung scheint sie zu beobachten. Jede Ampel springt für sie auf grün, jedes Gewinnspiel kürt sie zur Siegerin. Warum sterben Menschen in ihrem Umfeld? Gibt es etwa einen Zusammenhang zum Tod ihres ehemaligen Mitschülers Tadahiro Nasu, der sich und seine alkoholsüchtige Mutter mit schlechtbezahlten Jobs durchfütterte?

Wie bei Satoshi Kons legendärem Anime «Perfect Blue» wird das extreme Fan-Dasein bei Idols von der düsteren und brutalen Seite gezeigt. «Denjin N» schockiert mit heftigen Todesfällen, Suizidgedanken und psychologischen Abgründen. Die Grundlage der Geschichte ist zwar an den Haaren herbeigezogen, Yuu Kuraishi weiss mit seinem Thriller aber zu fesseln.

Sehr wild und gelungen sind die Zeichnungen von Inabe Kazu, der das wahnsinnige Verhalten der Figuren mit starken Kontrasten und ungezähmter Gewaltdarstellung kombiniert. Mit grossen Panels und gut ausgearbeiteten Hintergründen werden die dargestellten Exzesse spürbar. Das macht den ersten Band von «Denjin N» zu einem intensiven Einstieg in die Story.

192 Seiten • Crunchyroll • 978-2-88951-935-4 • Bestellen

George Asakura: Dance Dance Danseur • Band 3

Ausgerechnet jetzt, wo das wichtige Vortanzen für das Stipendium ansteht, hat sich Luo davongemacht. Die Spannung zwischen ihm und Junpei wurde grösser, die Frage nach dem korrekten Weg als Balletttänzer zum Hindernis. Gemeinsam mit Miyako versucht Junpei die Wogen zu glätten und gleichzeitig die Weichen für seine eigene Tänzerkarriere zu stellen.

Der dritte Doppelband von «Dance Dance Danseur» liefert grosse Emotionen, hitzige Wortgefechte und schweisstreibende Lektionen im Studio. Die Vergangenheit von Miyako und Luo wird erklärt, Junpeis unorthodoxer Weg in die Kunst des Balletts wird durch diverse überraschende Fügungen weitergeführt. Das sorgt logischerweise für Reibungen bei anderen Tänzer:innen.

George Asakura bringt die romantischen Momente auf der Bühne, die Leidenschaft der Charaktere und deren Sorgen und Unsicherheiten auf mitreissende Weise zusammen. Wie Junpeis ungezähmter Charakter wirbeln die Leser:innen durch die Kapitel, bestaunen die schön gezeichneten Tanzmomente und lachen über die Überraschungen. Da fiebern alle mit.

404 Seiten • Tokyopop • 978-3-8420-8409-4 • Bestellen

singNsong, UMI, Sleepy-C: Omniscient Reader’s Viewpoint • Band 3

Viel Sicherheit hat die U-Bahn-Station Geumho unserer unfreiwilligen Heldentruppe nicht gebracht, werden die dortigen Machtspiele gefährlich und eine neue Quest verlangt von Dokja und seinen Mitstreiter:innen das Abschlachten von vielen Monstern. Ob sich die lockenden Items lohnen? Glücklicherweise hilft Dokjas Wissen über die Geschichte weiter, wenn auch die eigentliche Hauptfigur Junghyeok Yu im Dunkeln lauert.

Die Mechanik der Geschichte von «Omniscient Reader’s Viewpoint» wird sich nicht ändern, der Webtoon funktioniert wie ein Game und die Charaktere müssen schwieriger werdende Herausforderungen bestehen, um ihre Fähigkeiten und die Ausrüstung zu verbessern. Das liest sich flott und überzeugt mit der optischen Einbindung der Chats, Statistiken und Menüfenster, wirkliche Tiefe stellt sich bisher nicht ein.

Immerhin gelingt es singNsong, UMI und Sleepy-C beim dritten Band die «vorbestimmten» Wendungen der Geschichte mit leichten Abweichungen für Dokja und die Leserschaft unberechenbar und aufregend zu halten. Zeichnerisch bestimmt der digitale Look mit teils statisch wirkenden Figuren die Seiten.

256 Seiten • C-Lines • 978-3-551-63008-7 • Bestellen

Mokumokuren: Der Sommer, in dem Hikaru starb • Band 4

Es wird unheimlicher, nicht nur im Dorf, sondern auch beim Lesen. Der vierte Band bringt die Geschichte von «Der Sommer, in dem Hikaru starb» stärker in die Gebiete des Mystery-Thriller-Genres und bietet neue Informationen zu den grusligen Vorfällen.

Gleichzeitig versuchen Yoshiki und Hiraku herauszufinden, was auf dem Berg wirklich passiert ist und welche Macht von Hikarus Körper Besitz ergriffen hat. Drastische Mittel bringen wenig neue Erkenntnisse, unerwartet kommt ihnen aber Frau Kurebayashi zu Hilfe und erzählt Ihnen von den Verbindungen zwischen den Menschen- und Geisterwelten. Auch Tanaka schleicht weiterhin durch den Ort und sucht nach Hinweisen auf spirituelle Geschehnisse.

Während die drei vorangegangenen Bände mit der Mischung aus Slice Of Life, Boys Love und Mystery das Herz wärmten, erlaubt sich Mokumokuren in den neuen Kapiteln das Drehen an der Spannungsschraube. Die Gewalt nimmt teilweise zu, unsere Hauptfiguren finden sich in sehr gefährlichen Situationen wieder. Diese Veränderung geschieht schleichend und ist perfekt gelöst, eingebettet in die schönen Zeichnungen mit liebevollen Details.

200 Seiten • Altraverse • 978-3-7539-2604-9 • Bestellen

Manga Yomimono

Yominono; japanisch für Lesestoff. Das bieten wir mit dieser Beitragsreihe, regelmässige Lesetipps und Kurzkritiken zu aktuellen Veröffentlichungen im deutschsprachigen Markt. Damit euer Manga-Feuer nie ausgeht.

Alle bisherigen Ausgaben findet ihr hier.

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