von Michael Bohli • 29.09.2024
Okkulte Architektur? Models an der Highschool? Eine Welt ohne Sonnenlicht? Die 31. Ausgabe von Manga Yomimono liefert Lesestoff mit abenteuerlichen Inhalten.
Eine Mangareihe zu beenden, die sehr gefällt, ist eine Übung im Loslassen. So zum Beispiel mit «Paradise Kiss» in dieser Kolumne. Aber wir wissen zum Glück, wo Nachschub zu holen ist. Etwa in der Gruselecke mit den Neustarts von «The Strange House» und «Fool Night».
Beruflich bin ich im Bereich Architektur tätig, klar, dass mein Herz höherschlägt, wenn ein Grundrissplan aus dem Manga geflattert kommt. In «The Strange House» verbinden sich das titelgebende Gebäude, mörderische Taten und gruslige Geheimnisse sich zu einer Mixtur aus Vorstellungskraft und harter Realität.
Yanagioka bittet seinen Freund, ein Kaufobjekt genauer zu betrachten, dieser holt sich beim Architekten Kurihara Unterstützung. Fasziniert von okkulten Dingen, vertiefen sich die beiden Männer in ihre Gedankenspiele – bis die brutale Realität heranrückt.
Welche üblen Gedanken sich bewahrheiten werden, lässt Kyo Ayano im ersten Band offen, legt aber viele Pfade aus für schockierende Wendungen. In viele Dialogszenen und imaginierten Sequenzen wird die Story vorangetrieben, die Zeichnungen sind sauber und ruhig ausgestaltet. Ich freu mich auf die Fortsetzungsbände.
178 Seiten • Panini Manga • 978-3-7416-3954-8 • Bestellen
Denji ist vor kurzer Zeit ein fast unbesiegbarer Teufel geworden, trotzdem bringt ihn Power in eine brenzlige Situation. Der Kampf mit dem Fledermausteufel hat sich als Falle entpuppt, dabei will Power bloss ihre Katze retten. Ein verrückter Grund? Naja, Denjis Motivation beschränkt sich weiterhin auf Boobies, was durch Makima verstärkt wird. Zuerst muss aber Blut fliessen.
Ich hätte nicht gedacht, dass bereits im zweiten Band von «Chainsaw Man» der infantile Antrieb Denjis abgeschwächt wird. Das gibt der Story mehr Platz für witzige Team-Missionen und Tatsuki Fujimoto kann sich bei den Konfrontationen und Monsterdesigns zeichnerisch ausleben.
Mit hohem Tempo, direkten Dialogen und frechen Figuren bleiben die Kapitel ein wildes und laut wirkendes Lesevergnügen, das den Charakteren genügend Raum bietet und bei den Kämpfen explizite Darstellungen grafisch zulässt.
192 Seiten • Egmont Manga • 978-3-7704-2848-9 • Bestellen
Abschlussband
Wir sind am Ende der Reise mit Yukari angelangt, die Modeschau steht vor der Tür und sie wird tatsächlich als Model für Georges Kreation auf dem Laufsteg stehen. Eine Entscheidung, die grosse Veränderungen in ihrem Leben bewirkt und bei diversen zwischenmenschlichen Beziehungen für Konfrontation sorgt. War es richtig, das Studium hinzuschmeissen und in die Modebranche einzusteigen?
Nervosität, Sorgen und die grosse Liebe; im dritten und letzten Band von «Paradise Kiss New Edition» ist es für Yukari nicht einfach, ihre Emotionen zu kontrollieren. Das wird durch weitere Figuren aus Georges Vergangenheit intensiviert, das Team von Paradise Kiss lässt Yukari aber niemals im Stich.
Die Mischung aus gut geschriebenen Figuren, inneren Konflikten und witzigen Abenteuer im Alltag machen den Abschluss zu einem durchweg gelungenen Lesevergnügen. Ai Yazawa löst die Hauptgeschichte gut auf und entzückt zeichnerisch mit den Outfits, Gefühlsdarstellungen und Layouts. Nach diesen 300 Seiten die Welt von «Paradise Kiss» verlassen zu müssen, ist nicht einfach.
300 Seiten • Panini Manga • 978-3-7416-3718-6 • Bestellen
Niemals hätte ich gedacht, wegen einer Tanzstunde Herzklopfen zu verspüren. Der zweite Band von «Not-Sew-Wicked Stepmom» liefert Überraschungen – inhaltlich und bei der Lektüre selbst. Die Wiedergeburtsgeschichte fokussiert sich im zweiten Band auf die wärmer gewordene Beziehung zwischen Abigail und Blanche – sogar Sabrian zeigt sich von emotionaler Seite. Wird aus dem Trio wieder eine Familie?
Gemeinsame Abendessen, Lektionen im Tanz und Spaziergänge im Schlossgarten sorgen bei den Bediensteten für Gerede und zwischen den Figuren für neue Möglichkeiten und Intrigen. Iru bringt die Story mit einer gelungenen Mischung aus Verflechtungen und humorvollen, direkten Momenten voran.
Der Webtoon hat es trotz History-Setting geschafft, mich als Fan zu gewinnen und ich fiebere mit Abigail mit. Hoffentlich gelingt es ihr, eine grosszügige und verständnisvolle Mutter für Blanche zu werden. Mo9Rangs Zeichnungen wirken stellenweise statisch und leer, dann wieder mit schicken Texturen und Farben aufgehübscht – für ein Webtoon in dem Genre aber passend.
304 Seiten • C-Lines • 978-3-551-63004-9 • Bestellen
Hast du dir schon mal gewünscht, als Pflanze weiterzuleben? Weniger Sorgen und mehr Verbundenheit mit der Erde – doch die «transflorierten» Personen in «Fool Night» haben es nicht nur gut. Seit über hundert Jahren gibt es auf der Erde kein Sonnenlicht mehr, lebenskranke Menschen werden in Gewächse umgewandelt.
Diese spenden Sauerstoff, nachdem der Prozess während zwei Jahren den Körper übernommen hat. Gar nicht so nice, Toshiro ist allerdings mit seinen Nerven am Ende, hat kein Geld mehr und seine kranke Mutter will ihn umbringen. Seine ehemalige Schulfreundin Yomiko soll ihm aus der Patsche helfen.
Eine interessante Grundlage, Charaktere mit inneren Konflikten und nette Details: Kasumi Yasudas Mangareihe ist angenehm anders, im charakteristischen Zeichnungsstil und der Entwicklung. «Fool Night» packt von der ersten Seite an und verbindet das dystopische Szenario mit Mystery und Sozialkritik.
228 Seiten • Carlsen Manga • 978-3-551-80331-3 • Bestellen
Seit Mike in Japan zu Besuch ist, geht es im Leben von Kana und Yaichi drunter und drüber. Alte Wunden werden aufgerissen, neue Lebensweisen aufgezeigt und die Toleranz für queere Liebe unter Beweis gestellt. Zugleich ist es für Yaichi eine Möglichkeit, sich von seinem verstorbenen Bruder Ryoji verabschieden zu können.
Homosexualität ist für viele ein schwieriges Thema, Gengoroh Tagame leistet mit seiner kurzen Reihe «Der Mann meines Bruders» beste Aufklärungsarbeit. Nicht nur verfügt der zweite Band über weitere Einträge im «Gay Culture»-Kurs, durch die kindlichen Augen von Kana werden homophobe Grundsätze der Gesellschaft clever hinterfragt.
Die Lektüre ist nicht nur schön, humorvoll und lehrreich, sie ermöglicht mit den Dialogen und angesprochenen Problemen auch Momente der Selbstreflexion. Ob du den Comic selber liest, deinen Verwandten schenkst oder Freund:innen empfiehlst, «Der Mann meines Bruders» lohnt sich für alle.
180 Seiten • Carlsen Manga • 978-3-551-80120-3 • Bestellen
Saki und Kanon sind sich nähergekommen, doch ist es bloss eine tiefe Freundschaft oder mehr? Als Kanon durch ihren Lehrer Miura einem Club beitritt und ihre jüngere Schwester Rinne die guten Absichten von Sakis Freundlichkeit in Frage stellt, scheinen die zwei Frauen nicht mehr den gleichen Weg zu gehen.
Gefühlschaos, Drama und Kanons Schwerhörigkeit sorgen im zweiten Band der Girls Love-Reihe «Der Mond in einer Regennacht» für einige Momente der Frustration und Traurigkeit. Kuzushiro übertreibt es nicht, sondern schreibt ihre Erzählung auf lebensechte Weise fort. Die Charaktere sind nahbar und süss, gemeinsam mit ihnen hoffen wir auf ein gutes Ende.
Bis dahin gibt es viele innere und äussere Hürden zu überwinden und den Schulalltag zu überstehen. Mit den leicht wirkenden Zeichnungen, den feinen Figuren und gelungenen Outfits hat der Manga viel Stil, auch wenn eine klare Eigenständigkeit im Design ausbleibt.
176 Seiten • Egmont Manga • 978-3-7555-0300-2 • Bestellen
Manga Yomimono
Yominono; japanisch für Lesestoff. Das bieten wir mit dieser Beitragsreihe, regelmässige Lesetipps und Kurzkritiken zu aktuellen Veröffentlichungen im deutschsprachigen Markt. Damit euer Manga-Feuer nie ausgeht.
Alle bisherigen Ausgaben findet ihr hier.