von Michael Bohli • 08.02.2024
Die bereits fünfte Ausgabe von Manga Yomimono taucht tief in düstere Geschichten ein. «#DRCL – Midnight Children» betört, «Der Sommer, in dem Hikaru starb» berührt und «Mr. Nobody» endet.
Habt ihr Lust auf Sommer und lange Tage? Mit «Der Sommer, in dem Hikaru starb» erhält ihr genau das, und eine wunderschön illustrierte, emotionale Geschichte über Liebe und Tod. Ebenfalls grafisch umwerfend ist der zweite Band von «#DRCL – Midnight Children» – der Graf würde es lieben. Intensiv und brutal wird es bei den neuen Bänden von «Homunculus», «Mr. Nobody» und «A Suffocatingly Lonely Death»; Hochspannung ist garantiert.
Shin’ichi Sakamoto: #DRCL – Midnight Children • Band 2
Leute, welch Wonne die Zeichnungen von «#DRCL – Midnight Children» sind. Bereits im ersten Band begeisterte mich die Optik, im zweiten Buch drehen Shin’ichi Sakamoto und sein Team voll auf. Romantische Details, doppelseitige Illustrationen, Symbolik, Menschen und Tiere – alles kommt auf geniale Weise in den Panels zusammen.
Auch die Story verdichtet sich, versuchen Mina und die Schüler von Whitby die dunklen Kräfte aus Lucy:Luke zu vertreiben. Das gestaltet sich nicht einfach, dringt die Macht wie Gift in die Gedanken ein. Als mit Van Helsing ein Professor auftaucht, der sich mit dem Graf Dracula auszukennen scheint, gibt es neue Hoffnung.
Obwohl «#DRCL – Midnight Children» die altbekannte Geschichte um den Vampir mit vielen gewohnten Elementen erzählt, überzeugt die Neuinterpretation von Shin’ichi Sakamoto. Minas Perspektive ist interessant, die Gefühle zwischen den Figuren werden sehr gut transportiert. Wie ein Bannspruch funktioniert der Manga, mit verführender Gestaltung.
224 Seiten • Hayabusa • 978-3-551-62423-9 • Bestellen
Mokumokuren: Der Sommer, in dem Hikaru starb • Band 1
Wie schön die sommerliche Stimmung auf den ersten Seiten ist, die Freundschaft zwischen Yoshiki und Hikaru – handelt es sich bei «Der Sommer, in dem Hikaru starb» etwa um ein Manga aus dem Gebiet «Slice Of Life»? Weit gefehlt, was bereits beim Titel zu ahnen wäre. Mokumokuren liefert nach kurzer Zeit eine Entwicklung, die überrascht und schockiert.
Denn Hikaru ist nach einem Ausflug in die Berge nicht mehr er selbst und offenbart dies seinem langjährigen Schulfreund Yoshiki auf direkte Weise. Dass die beiden weiterhin Zeit zusammen verbringen, lässt vorhanden Gefühle noch intensiver werden. Genau das ist die grosse Stärke von «Der Sommer, in dem Hikaru starb»:
Die Charaktere werden von Mokumokuren auf vielschichtige Weise dargestellt, die Horrorelemente der Geschichte mischen sich mit Coming-Of-Age und Boys Love. Starke Emotionen und die langen Sommertage generieren einen Strudel der Gefühle, das kleine Dorf Kibogayama wird zum Ort der Zweifel. Begleitetet von den wunderschönen Zeichnungen, welche die Stimmung mit grossen Panels, Schattierungen und eingebetteten Soundwörtern genial transportieren, ist dieser Manga ein Muss.
184 Seiten • Altraverse • 978-3-7539-1311-7 • Bestellen
Hajime Inoryu, Shota Ito: A Suffocatingly Lonely Death • Band 2
Unglaublich: Kurze Zeit, nachdem Jin Saeki und seine Kollegen von der Polizei den mordverdächtigen Hausbesitzer zur Fahndung ausgeschrieben haben, wird er von einer Streife gefasst. Dass Juzo Haikawa von seinen «Kindern» als unschuldig betitelt wird und auch Jins Bruder diesen Mann «Vater» nennt, wirft Fragen auf. Eine blutige Wendung lässt die Fakten wanken.
An diversen Stellen der Lektüre des zweiten Bands von «A Suffocatingly Lonely Death» hatte ich das Gefühl, der Wahrheit auf die Schliche zu kommen. Hajime Inoryu und Shota Ito liefern mit ihrem Thriller aber heftige Entwicklungen ab, die regelmässig neue Rätsel aufwerfen.
Während die Geschichte in dialogreichen Szenen voranschreitet und einzelne Figuren weiter ausgearbeitet werden, ist «A Suffocatingly Lonely Death» ein brutaler Krimi, in ansprechenden und realistisch gezeichneten Bildern gebettet. Die Figuren wirken weich, die Umgebungen sind detailliert. Am Ende spitzt sich die Lage weiter zu und deutet auf noch mehr Schrecken hin.
176 Seiten • Carlsen Manga • 978-3-551-79973-9 • Bestellen
Gou Tanabe: Mr. Nobody • Band 3
Der Abschlussband! Das war’s, Susumu Kawai ist seinem wahren Wesen als Klon auf die schlichte gekommen und versucht herauszufinden, was damals in der Forschungseinrichtung «Kreml 2» passiert ist. Wer war die leitende Person und wer hat den Mord an Kawai in Auftrag gegeben? Eines ist klar: Die Wahrheit bedeutet den Tod.
In nur drei Bänden hat Gou Tanabe mit «Mr. Nobody» einen wilden Action-Thriller geschaffen, der sich mit mysteriösen Experimenten, Auftragskillern und zwielichtigen Typen in der Politik beschäftigt. Ein abenteuerlicher Ritt durch Russland, ein Trip durch Erinnerungen und der Vergangenheit; bis zur letzten Seite packend.
Die grafische Gestaltung ist sehr nahe an der Realität und liefert auch im dritten und letzten Band eine gute Mischung aus Details, grossen Panels und emotionaler Dichte. Das Ende ist ein Blutbad, der Epilog ein Moment der Ruhe. Da «Mr. Nobody» jetzt abgeschlossen ist, hat man Lust, die Reihe in ihrer Gesamtheit erneut zu lesen und noch mehr auf Einzelheiten zu achten.
224 Seiten • Carlsen Manga • 978-3-551-71135-9 • Bestellen
Hideo Yamamoto: Homunculus • Band 4
Triggerwarnung: Sexualisierte Gewalt
Langsam wird mit klar, wieso Egmont Manga die Reihe «Homunculus» unter dem Banner «Horror» veröffentlicht. Nakoshi wird vom verwirrten Beobachter immer mehr zum Übeltäter und vergreift sich im vierten Band an der Schülerin. Dies, weil er sie umformen will – die Wahnvorstellung der programmierten, symbolischen Realität nimmt überhand.
Vergewaltigung, Unterdrückung und kapitalistische Gier: Hideo Yamamoto liefert harte Momente und lässt das vierte Kapitel von «Homunculus» schwer verdaulich beginnen. Glücklicherweise bleibt es nicht bloss bei der einen Konfrontation, die Geschichte erhält durch Rückblenden und einen erneuten Besuch der Obdachlosen im Park mehr Tiefe.
Das tut der Reihe sehr gut, kann damit die schleppende Entwicklung überwunden werden und trotz der weiterhin grosszügigen Einteilung von Panels und Seiten wird das Geschehen intensiver. Spass verspürt man bei der Lektüre von «Homunculus» nicht, die Rätsel und Mysterien, die Yamamoto liefert, mischen Filme wie «American Psycho» oder «Fight Club» mit Manga.
336 Seiten • Egmont Manga • 978-3-7555-0179-4 • Bestellen
Manga Yomimono
Yominono; japanisch für Lesestoff. Das bieten wir mit dieser Beitragsreihe, regelmässige Lesetipps und Kurzkritiken zu aktuellen Veröffentlichungen im deutschsprachigen Markt. Damit euer Manga-Feuer nie ausgeht.
Alle bisherigen Ausgaben findet ihr hier.