von Michael Bohli • 30.05.2025
Zur 50. Ausgabe gibt es in Manga Yomimono nicht nur ein Wiederlesen mit bekannten Namen und Geschichten, sondern einen neuen Verlag zum Entdecken.
50 Ausgaben, was für ein Ereignis. Das bedeutet, dass wir euch seit Anfang 2024 regelmässig mit Lesetipps zu asiatischen Comics versorgen und bereits über 300 Bände vorgestellt haben! Schluss ist noch lange nicht und in dieser Ausgabe starten wir ein neues Abenteuer mit den ersten Vorstellungen von Splitter Manga+.
Die alternative Mangaszene geht im gewohnten Veröffentlichungsprogramm der Verlage zu oft vergessen, mit dem schicken Sammelband «Am Anfang ist ein Strich» macht Reprodukt eine Ausnahme. Die Sammlung von sechs Geschichten aus der Feder von Fumiko Takano bieten Einblick in vergangene Jahrzehnte und andere Comicströmungen Japans.
Wer schon länger dabei ist, kennt die Kurzgeschichte «Als Tomoko krank war» eventuell aus der Strapazin Nummer 81; widmete sich das Comicmagazin damals dem japanischen Untergrund. Schicker ist der Hardcoverband mit Hintergrundinfos zur Einordnung in der Comicwelt. Denn Takano hat keine «normalen» Manga gezeichnet, sondern Geschichten ausserhalb der gewohnten Genres.
Heutzutage würde «Special» hintendrauf stehen, damals waren die Arbeiten von Fumiko Takano wegweisend, ohne sich den Gender-Unterscheidungen unterzuordnen. Magischer Realismus, Träumerei und selten gesehene Perspektiven kommen bei «Am Anfang ist ein Strich» zusammen und wirken feministisch begeisternd.
208 Seiten • Reprodukt • 978-3-95640-451-1 • Bestellen
Der Kater Buchio ist so süss, doch leider ist er von seiner neuen Form als Nekomata ziemlich überfordert und wagt es fast nicht, sich gemeinsam mit den Menschen und Geister in Fuchigamori zu bewegen. Glücklicherweise stehen ihm diverse Freund:innen mit Rat zur Seite und zusammen werden die Probleme angegangen.
Yokai, Dämonen, Tengu und mehr: In der Realität von «Mein Nachbar Yokai» erhalten die Geister und Götter der japanischen Kultur viel Raum und existieren selbstverständlich neben den Menschen. Noho zeichnet den Alltag mit viel Hingabe und alle Figuren sehen knuffig aus. Besonders der leicht depressive Buchio will auf jeder Seite geknuddelt werden.
Die detailreich ausgearbeiteten Panels, das entspannte Lesegefühl und die nachvollziehbaren Emotionen machen aus «Mein Nachbar Yokai» eine grosse Empfehlung. In Fuchigamori würde ich zu gerne leben und mit den Yokai meine Tage verbringen.
248 Seiten • Splitter Manga+ • 978-3-68950-301-7 • Bestellen
Wilde Action, brutale Verwandlungen und üble Machenschaften von Konzernen: Die Storyelemente von «Lili-Men» lassen bereits erahnen, dass Takuma Tokashiki mit dieser Seine-Reihe keine Innovation liefert. Die Mischung aus Thriller, Science-Fiction und Drama ist laut und brachial.
Nito wird in einem Krankenhaus geboren und gemeinsam mit vielen anderen zu kräftigen und intelligenten Exemplaren herangezüchtet wird. Wer die Tests nicht besteht und Mutationen vorweisen kann, verschwindet. Wieso passiert das alles und wie kann Nito ausbrechen?
Der Inhalt ist wahrlich nichts neues und leider will auch die zeichnerische Umsetzung Tokashikis nicht durchwegs gefallen. Die Auseinandersetzungen sind gelungen, die Figuren und Hintergründe aber zu simpel und unsauber gestaltet. Das erinnert an «Attack on Titan» und kommt nie über den Durchschnitt heraus.
192 Seiten • Egmont Manga • 978-3-7555-0391-0 • Bestellen
Als Hundefreund plötzlich mit Katzen leben zu müssen ist was? Genau, Horror. Und wer kennt sich mit Horror aus? Genau, Junjo Ito. Das «Katzentagebuch» ist eine ungewöhnliche Arbeit des bekannten und erfolgreichen Mangaka, der sich autobiografischen Momenten des Zusammenlebens widmet.
In kurzen Kapiteln erzählt Ito davon, wie er sich mit den Katzen Yon und Mu anfreunden muss – denn seine Frau hat die Viecher ohne sein Zugeständnis ins Haus gebracht. Eine Situation, die überfordert und die grausige Vorstellungskraft Itos auf Hochtouren laufen lässt.
Harmlose Momente werden durch den Zeichnungsstil zu Schockern umgewandelt, der selbstironische Umgang mit dem Thema sorgt für Lacher. Ergänzt mit Fotos, Interview und Bonuszeichnungen ist «Katzentagebuch» ein ungewöhnliches, unterhaltsames und überraschendes Buch, abseits der Horror-Norm.
132 Seiten • Carlsen Manga • 978-3-551-80561-4 • Bestellen
Das Plus im Namen von Splitter Manga+ gibt an, dass der Verlag auch Comics von ausserhalb Japans veröffentlicht, so zum Beispiel «Die Legende von Hakutaku». Der One-Shot von Alba Cardona ist eine Arbeit aus Spanien, die grafisch und erzählerisch ganz klar zu den Manga gezählt werden kann.
Die Geschichte von der jungen und tauben Yuki ist in einem Fantasy-Umfeld angesiedelt und ihr Leben wird vom Dorfalltag und den dortigen Sagen beherrscht. Als sie in im Wald auf den Dämon Hakutaku trifft, zeigt sich schnell, dass hinter den Vorurteilen andere Wahrheiten stecken.
Toleranz, Gemeinschaft und Akzeptanz; Alba Cardona erzählt uns in ihrer Geschichte davon, wie wichtig es ist, dass wir unsere Mitmenschen gut behandeln. Dabei umgeht «Die Legende von Hakutaku» nicht alle Klischees, weiss dank den knuffigen Zeichnungen zu gefallen und ist auch für jüngere Leser:innen geeignet.
176 Seiten • Splitter Manga+ • 978-3-68950-342-0 • Bestellen
Nach vier Doppelbänden ist bei «Alice On Border Road» bereits Schluss, bis dahin liefert uns Haro Aso noch viel Nervenkitzel. Das stark aufgeladene Cover des zweiten Bandes, das uns die Konfrontation von Arisu und Hayeong zeigt, kann die enthaltene Brutalität nur andeuten. In diesen Kapiteln leiden alle.
Die Jagd nach den Spielkarten und der Weg nach Tokyo stellen sich als gewaltige Herausforderungen heraus und unter der Leitung der Schwestern Ayeong und Hayeong hat sich eine mörderische Truppe gebildet, die keine Rücksicht nimmt. Als Morio zudem seinen Verstand verliert, geht alles bachab.
Die vielen Kilometer, welche die Figuren durch die dystopische Umgebung zurücklegen müssen, sind voller Gefahren und Kämpfe. Der wirkliche Grund für ihre Existenz im Borderland bleibt weiterhin hinter Gedächtnislücken verborgen. Klar ist nur: Es handelt sich um eine Mission und die junge Kina scheint im Zentrum dieser zu stehen.
Aso liefert viel Spannung, Takayoshi Kuroda illustriert den Überlebenskampf mit sehr genau ausgearbeiteten Hintergründen und rohen Figuren. Das bleibt dem Stil von «Alice In Borderland» treu und passt zur Mischung aus Action, Horror und Mystery.
Band 2: 386 Seiten • Hayabusa • 978-3-551-62501-4 • Bestellen
Band 3: 386 Seiten • Hayabusa • 978-3-551-62502-1 • Bestellen
Nicht nur das beigelegte Shikishi macht den zweiten Band von «Who Saw the Peacock Dance in the Jungle?» zur optisch überzeugenden Angelegenheit. Das schicke Cover und die tollen Zeichnungen von Rito Asami finden die Balance zwischen tragischem Inhalt und junger Perspektive.
Da wir weiterhin Komugi Yamashita auf ihren Nachforschungen begleiten, macht es Sinn, dass die Figuren weich wirken und diverse Stellen mit Humor für Auflockerung sorgen. Nach dem Tod ihres Vaters wird Komugi bei den Untersuchungen mit einem weiteren Mordfall konfrontiert, der ihre eigene Familiengeschichte durcheinanderrüttelt.
Sensationsgierige Reporter, undurchschaubare Anwälte und verurteilte Verbrecher mit vielen Geheimnissen: Rito Asami hat eine komplexe Geschichte ausgedacht, die sehr spannend zu lesen ist. Bloss ist der zweite Band viel zu kurz. Ich will nicht bis August auf weitere Momente mit Komugi warten.
146 Seiten • Carlsen Manga • 978-3-551-80328-3 • Bestellen
Manga Yomimono
Yominono; japanisch für Lesestoff. Das bieten wir mit dieser Beitragsreihe, regelmässige Lesetipps und Kurzkritiken zu aktuellen Veröffentlichungen im deutschsprachigen Markt. Damit euer Manga-Feuer nie ausgeht.
Alle bisherigen Ausgaben findet ihr hier.