von Cornelia Hüsser • 21.04.2024
Verlag: Splitter
96 Seiten • Hardcover
Erscheingstermin: 25.10.2023
ISBN: 978-3-9872125-3-6
Was treibt Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen? Wie läuft eine Flucht ab? Und was erwartet die Geflüchteten in Europa? Diesen Fragen geht Patrick Oberholzer in seiner dokumentarischen Graphic Novel «Games» nach.
Games nennt man die Versuche, auf der Flucht die Grenze zu einem anderen Land zu überqueren, erklärt Ziya. Nicht im Sinne eines Spiels, sondern als Testen des Schicksals. Die wenigsten schaffen es beim ersten Game.
Ziya ist einer von fünf Erzählenden – es sind vier Männer und eine Frau –, deren Erlebnisberichte den roten Faden des Bandes bilden. Sie alle sind aus Afghanistan über den Iran und die Türkei geflüchtet; dort haben sie entweder das Meer überquert, um nach Griechenland zu gelangen, oder sind auf der Balkanroute nach Mitteleuropa gekommen.
Die Berichte geben insbesondere Einblick in die Funktionsweise von Schlepperbanden und zeigen die Not auf, aus der heraus die Flucht angetreten wird. Auch von Misshandlungen, Pushbacks und Gewalt wird erzählt; es ist die grausame Realität für tausende von Menschen. Oberholzer fängt diese Schilderungen geschickt ein, ohne visuell zu explizit zu werden. Die klaren, farblich dezenten Panels erlauben es, sich auf die Geschichten einzulassen und Empathie für die Erzählenden zu empfinden.
Ergänzt werden die Fluchtgeschichten von verschiedenen Infopanels. Man erfährt die historischen Hintergründe des Afghanistan-Konflikts – von der Unabhängigkeit über die Besatzung und Intervention bis zur Rückkehr der Taliban – und erhält Informationen zur Bevölkerung und den häufigsten Fluchtgründen. Statistiken aus Europa geben Auskunft über das hiesige Asylwesen und seine Funktionsweise.
«Games» verbindet somit individuelle Schicksale mit dem übergreifenden Kontext der Fluchtthematik. Es steckt viel Recherche und Information in dem schmalen Band. Dennoch bleibt er durch seine Gestaltung zugänglich und bietet spannende, aufwühlende Einblicke. Nach dieser Lektüre wird niemand mehr Afghanistan für ein sicheres Rückkehrland halten.