Rebekka Salm: Wie der Hase läuft

von Cornelia Hüsser • 24.04.2024

Verlag: Knapp
195 Seiten • Hardcover
Erscheinungstermin: 10. April 2024
ISBN: 978-3-907334-20-1

Im Amsterdam des Zweiten Weltkriegs fällt ein Schuss; ein Mann stirbt, seine Witwe flieht in die Schweiz. Fünfzig Jahre später begeht hier ein Mann Fahrerflucht. Und heute versucht eine junge Frau, ihre Familiengeschichte zu rekonstruieren – und die ihres Partners.

Als Mircos Grossmutter Emma stirbt, reist er gemeinsam mit seiner Partnerin Teresa nach Amsterdam, um ihre Wohnung aufzulösen. Teresa – Mitarbeiterin in der örtlichen Brockenstube und mit dem emotionalen Wert von Dingen vertraut – taucht fasziniert in Emmas Leben ein. Sie will mehr wissen. Wer hat Emmas ersten Mann auf dem Gewissen? Wer ist Mircos Vater, und warum sprach seine Mutter nie über ihn? Wer hat Mircos Mutter angefahren und einfach liegen gelassen?

Teresa will Antworten, Mirco nicht. Nicht mehr. Er will die Vergangenheit ruhen lassen, im Hier und Jetzt leben. Eine eigene Familie gründen. Doch Teresa lassen die Geschichten keine Ruhe. Langsam spinnt sie ein Netz aus Verbindungen, nicht nur zwischen Mircos Vorfahren, sondern auch ihren eigenen. Sie ist überzeugt, dass ihre gemeinsame Geschichte nicht erst vor fünf Jahren begonnen hat, als sie sich kennenlernten.

Rebekka Salm nimmt in ihrem zweiten Roman unterschiedliche Erzählperspektiven ein. Da sind Teresa und Mirco, doch auch ein Vater und eine Mutter, ein Grossvater und eine Grossmutter blicken auf ihre persönlichen Geschichten zurück. Fast detektivisch stellt man so beim Lesen Zusammenhänge her – nach und nach, einer nach dem anderen.

Ob diese Zusammenhänge der Wahrheit entsprechen, ist zweitrangig. Schon im ersten Kapitel stellt sich Teresa die Frage: Ist sie es, die Geschichten erschafft, oder erschaffen umgekehrt die Geschichten sie? Die Antwort darauf gibt sie sich am Schluss des Buches selbst.

«Wie der Hase läuft» ist ein geschickt konstruierter, bis zum Schluss spannungsvoller Roman, der immer wieder überrascht. Die eine, abschliessende Wahrheit verweigert er zwar – man muss sie wie Teresa selber finden. Oder beschliessen, die Vergangenheit ruhen zu lassen und nach vorne zu blicken.