von Cornelia Hüsser • 07.11.2023
Verlag: lectorbooks
432 Seiten • Softcover
Erscheinungstermin: 28.08.2023
ISBN: 978-3-906913-40-7
Wie sieht die Welt in 60 Jahren aus? Die literarischen Visionen reichen vom Klimakollaps über Seuchen bis zur Machtübernahme durch die Künstliche Intelligenz. Eine davon serviert uns Reda El Arbi – mit Schauplatz Zürich.
Wir befinden uns am ausgetrockneten Flussbett der Sihl. Hier, im ehemaligen Polizeigebäude, hat Lea Walker ihre Agentur – im Jahr 2082 keine begehrte Adresse mehr, sondern direkt anschliessend an das Shantytown Zürichs. Die Schweiz liegt eingebettet als Sonderzone in einem Europa, das wie jede zivilisierte Weltregion von einer KI-Einheit regiert wird.
Die Ermittlerin – stets begleitet von ihrer intelligenten Armprothese Cali – hat sich eigentlich auf kleine Fälle innerhalb der Stadtgrenzen spezialisiert. Doch eines verkaterten Morgens wird jede Grössenordnung gesprengt: Ein alter Freund ihrer Mutter braucht ihre Hilfe, um nichts Geringeres als einen Anschlag auf die hiesige Regierungs-KI aufzuklären. In der Folge entspinnt sich eine wilde Verfolgungsjagd durch die schöne neue Welt. Die Spuren führen nicht nur durch Europa, sondern auch in die rückständigen Christlichen Staaten von Amerika (umgangssprachlich liebevoll «Jesusland» genannt) bis in den Weltraum, der die Schweiz als Finanzplatz der Wahl abgelöst hat.
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Reda El Arbi entwirft eine Welt, in der die Künstliche Intelligenz ein fixer Wert im Leben der Menschen geworden ist, und trifft damit den Nerv der Zeit. Nicht nur werden den komplexesten KIs die Regierungsgeschäfte überlassen; niedrigschwelligere Ausführungen vereinfachen dem Individuum das Leben und dienen der Selbstoptimierung. So machen sie sich die Ermittler:innen immer wieder zunutze, um filmreife Kampf- und Verfolgungsszenen hinzulegen. Ob schussbereite Armprothesen oder reaktionssteigernde Nanobots im Blut, für Action ist gesorgt.
Auch das erweiterte Personal des Romans ist bunt durchmischt und mit spannenden Geschichten versehen. Das Innenleben der Figuren tritt leider insbesondere in der zweiten Romanhälfte in den Hintergrund, um die Handlung voranzutreiben. Das mag für Thriller-Ungeübte (hier!) ein wenig zäh zu lesen sein. Der grosse Einfallsreichtum El Arbis macht das allerdings wieder mehr als gut. «[empfindungsfæhig]» ist ein kreativer, rasanter Cyberpunk-Krimi, der die Lesenden abzuholen weiss – inhaltlich wie auch emotional.