von Cornelia Hüsser • 09.03.2024
Verlag: Nagel & Kimche
192 Seiten • Hardcover
Erscheinungstermin: 20.02.2024
ISBN: 978-3-312-01323-4
Sie schrieb über Figuren am Rand der Gesellschaft: Ein frisch aufgelegter Erzählband gibt Einblick in das Werk einer fast vergessenen Autorin.
Dass sie sich einst der Schriftstellerei zuwenden würde, hätten ihre ersten Lebensjahre nicht vermuten lassen: 1884 in St. Gallen geboren, wurde Regina Ullmann aufgrund einer Sprach- und Schreibschwäche zunächst nicht einmal in die Grundschule aufgenommen. Später – nun nach Deutschland gezogen – führte sie einen Briefwechsel mit Rainer Maria Rilke, der schliesslich zu ihrem Mentor wurde.
Trotz aller Bemühungen blieb Ullmann eine literarische Aussenseiterin. Sicherlich ist diese Tatsache nicht zuletzt ihrer jüdischen Herkunft geschuldet: 1936 musste sie, aus dem Deutschen Schriftsteller-Verband ausgeschlossen, Deutschland verlassen und kehrte über mehrere Stationen nach St. Gallen zurück. Sie kannte bitterste Armut, musste ihre unehelich geborenen Kinder weggeben und erfuhr Ausgrenzung am eigenen Leib.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Wer in ihre Texte eintaucht, erahnt die Schwermut und Depression, unter der die Autorin litt. Ihre Figuren stehen meist am Rande der Gesellschaft, sind vereinsamte Alte, Kinder aus ärmlichen Verhältnissen und selbst Tiere, denen eine menschgemachte Grausamkeit droht. Doch auch von der Schönheit einer vertrauten Umgebung wird gesprochen, von der einfachen Freude darüber, eine Ballonfahrt zu beobachten oder zu einem Weihnachtsfest eingeladen zu sein. Es sind weniger die Handlungen, die ihre Texte ausmachen, als vielmehr die Stimmung, die vermittelt wird.
So still und schlicht das Erzählte auch sein mag: Verpackt wird es in eine dichte, oftmals sperrige Sprache. Satz für Satz muss man freikratzen, was sich unter dem Text verbirgt, sich durch sprachliche Windungen und Wiederholungen kämpfen. Es ist kein zugängliches Werk, sondern eines, das langsam und genau gelesen werden will. Das ist anstrengend – macht aber die schmalen 192 Seiten umso ergiebiger.