thumbnail

Selbstverlegte Comics aus der Schweiz

von Michael Bohli • 24.06.2025

Comics und Manga selbst herauszugeben, ist beliebt. Viele Schweizer Künstler:innen gehen diesen Weg, um ihre Geschichten unter die Menschen zu bringen. Wir stellen euch einige vor.

Conventions sind nicht nur der perfekte Ort, um deine Lieblingscharaktere aus Anime und Games zu treffen, sondern Schweizer Künstler:innen zu unterstützen. Viele von ihnen gestalten nicht nur Sticker und Prints, sondern wagen sich an eigene Comics.

Wir haben auf unseren Streifzügen durch die Artists Alleys diverse Werke gefunden und bieten mit diesem Beitrag einen ersten Einblick in die Welt der selbstverlegten Comics in der Schweiz. Überraschungen sind garantiert. Und wie immer gilt: Support your local artists!

Ilona Schweizer: Belonging

Die Post-Apokalypse ist nicht selten eine Metapher für Einsamkeit und der Sehnsucht nach zwischenmenschlicher Nähe. «Belonging» erzählt davon und zeigt auf wenigen Seiten mit kargen Dialogen und ausdrucksstarken Bildern von einer Reise durch die menschenleere Zukunft.

Die Natur hat sich bebaute Umgebungen zurückerobert, Tiere werden zu Gefahren und Gefährden. Was die junge Protagonistin antreibt ist die Hoffnung nach Begegnungen und führt sie in eine halb zerfallene Stadt. Dort angekommen wird sie vor eine gewichtige Entscheidung gestellt.

Stimmungsvoll und mit dichter Atmosphäre liefert Ilona Schweizer ihren ersten (leider kurzen) Comic ab, der als Abschlussarbeit den Anfang nahm. Der gelungene Stil und die hübsche Kolorierung passen zum grossen Format, die Mischung aus analogen und digitalen Mitteln geht wunderbar auf.

16 Seiten • Softcover • Bestellen

Sarah Lucia Balosetti: Momiji 1

Geschichten in Manga werden oft mit einer überfordernden Menge an Informationen gestartet, um die Story möglichst schnell ins Rollen zu bringen. Sarah Lucia Balosetti geht bei ihrer ersten Veröffentlichung ähnlich vor, «Momiji» liefert Figuren, Fakten und rasante Ereignisse.

Wir befinden uns in der Stadt ohne Grenzen, in der alles durch ein Energiefeld zusammengehalten wird und Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten unterdrückt werden. In dieser Existenz voller Widersprüche wird die junge Aya näher an die Wahrheit gebracht und erfährt von der Korruption der Ordnungshüter und dem Tod ihrer Eltern.

All die Namen, Organisationen und Verhältnisse machen es nicht einfach, im ersten Band von «Momiji» den Überblick zu behalten, was aber auch zeigt, dass Sarah Lucia Balosetti viele Ideen hatte. In Schwarzweiss und östlicher Leserichtung gestaltet, entsteht besonders in den Spannungsmomenten ein gutes Manga-Gefühl. Schade bloss, sehen sich die Gesichter der Figuren oft sehr ähnlich.

158 Seiten • Softcover • Bestellen

Jodok Maurer: Action till Dawn – Das Orakel von Selphi

Der junge Zeichner Jodok Maurer hat eine Vision und die heisst «Action Till Dawn». Nach zwei veröffentlichten Comic-Heften hat er seine Reihe mit dem Band «Das Orakel von Selphi» zu einem Comic-Roman weiterentwickelt und die Geschichte vorangetrieben.

Das ist für Leute ohne Vorwissen kein Problem, werden die bisherigen Ereignisse geschickt zusammengefasst und wir erleben, was die drei Freund:innen Finley, Boriz und Glinda alles in Dawn-City durchmachen mussten. Das Leben im Jahr 2062 ist kein Zuckerschlecken, die Gruppierung der Fettleibigen stört die Ordnung, Korruption verunmöglicht ein ruhiges Dasein.

Verbrechen, Lügen, Sex und Rache – bei dieser Mischung aus Endzeit, Science-Fiction und Neo Noir kochen die Emotionen hoch und Jodok Maurer liefert einen dialoglastigen Beginn, bevor er auf den letzten Seiten die Bilder sprechen lässt. Das ist spassig und voller Möglichkeiten, in Dawn-City gibt es vieles zu erleben; «Das Orakel von Selphi» fühlt sich aber eher wie eine Bestandsaufnahme als neues Kapitel an.

72 Seiten • Softcover • Download

Midori Art: Cian

Sei von Anfang an dabei und erlebe, wie Cian an der Magie-Akademie in Roïs den Schulalltag übersteht. Wirklich entspannt ist es mit ihren Mitschüler:innen selten und Emotionen wie Neid und Eiversucht mischen sich in die Lektionen über Heiltränke, Nahkampf und Zaubersprüche.

Im Gegensatz zu bekannten Fantasy-Reihe wie etwa «Harry Potter» sind bei «Cian» die zwischenmenschlichen Probleme näher an der Wirklichkeit. Mobbing, sexuelle Anziehung und komplizierte Freundschaften werden beschrieben, handelt es sich bei den Charakteren um Teenager.

Midori Art erzählt mit einer grossen Portion Humor von den Herausforderungen, was gut zum digitalen Zeichnungsstil passt. Die Figuren sind gelungen, die Hintergründe der Panels vielfach detailliert und die Storyentwicklung spassig. Wir dürfen uns auf weitere Kapitel und einen Sammelband freuen, dann eventuell sogar unter anderem Titel.

100 Seiten • Softcover • Website

Michael Furler: Child Of Wrath

Kennst du die Schneckenautobahn? Nach der Lektüre von «Child Of Wrath» wirst du den Begriff nie mehr vergessen und die tägliche Gartenroutine mit anderen Augen sehen. Im grossartigen Comic von Michael Furler begleiten wir die junge Otter in den Schrebergarten ihrer Mutter.

Eigentlich sollte sie am Morgen bloss die Pflanzen giessen, um die Schnecken abzuhalten, doch wegen ihrem blauen Auge und dem eigensinnigen Auftreten sind die alten Platzbesitzer nicht nur erfreut über ihr Erscheinen. Und was haben die Schnecken überhaupt falsch gemacht?

Überraschende Perspektiven, eine Kurzgeschichte mit ungewohntem Inhalt und einer reizvollen Hauptfigur: «Child Of Wrath» unterhält vom ersten Panel an (ist das etwa das Bezirksschulhaus in Zofingen?). Das mit Risografik gedruckte Heft lässt dich mitfühlen, lachen und über den Begriff «Snail Express» rätseln.

38 Seiten • Softcover • Bestellen

Murazaki Zach und CASS: The Evil Eye

Sorry, Murazaki Zach und CASS, aber was ihr mit dem ersten Heft zu «The Evil Eye» anstellt ist fies. Sobald die Geschichte Fahrt aufgenommen hat, endet das Kapitel und somit auch der Comic. Ich brauche mehr von Ava und ihrer dämonischen Brille aus der Unterwelt.

Avas Alltag wird mit dem Kauf der Brille gehörig auf den Kopf gestellt, hat sie den Gegenstand vom Dämon Kevin erstanden, dem sie ab sofort Folge leisten soll. Was das für ihre Zeit an der Schule bedeutet und welche Komplikationen das Auftreten des heissen Teufels mit sich bringt, ist noch nicht abzusehen.

Nebst dem ersten Kapitel der Story gibt es Bonusskizzen, Infos zu den Autorinnen und Behind The Scenes Material. Das macht den Auftakt von «The Evil Eye» zu einem Comic voller Leidenschaft mit cuten Zeichnungen und filmreifen Panels, und lässt bei mir die Hoffnung aufkommen, viele weitere Momente mit Ava erleben zu dürfen.

40 Seiten • Softcover • Webtoon

Astrid Robertsson: Unidaze – The Beginning

Wäre es doch nur möglich, mit dem Drachen an die Hochschule zu reisen. Oder die Umgebungslautstärke runterzudrehen. Obwohl sie sich auf das Studium an der ZHdK freut, ist der Alltag für Astrid Robertsson oft eine fast nicht aushaltbare Herausforderung. Mit «Unidaze – The Beginning» hat sie solche Situationen aufgearbeitet.

Der autobiografisch angelegte Comic behandelt die Zeit, in der Astrid in Zürich ankam und ihr Autismus den Neuanfang kompliziert gestaltete. Dank ihrer Kreativität fand sie ein Werkzeug, um Zusammenbrüche oder Unverständnis zu minimieren. In «Unidaze» bleibt sie ehrlich und zeigt, wie sie die Welt erlebt.

Handgezeichnet und in kurzen Szenen erzählt, ist der erste Band von «Unidaze» eine emotionale und persönliche Geschichte, die uns allen offenlegt, wie viel Chaos und Überforderung die Welt für viele Menschen darstellt. Bisher sind drei Bände in der Reihe erschienen.

28 Seiten • Softcover • Bestellen

Jared Muralt: Hellship

Ok, mit Tintenkilby hat Jared Muralt seinen Verlag und tanzt deswegen leicht aus der Reihe. Da beim Zeichner aus Bern und dem BlackYard-Kollektiv aber alles aus Eigenantrieb und Leidenschaft geschieht, hat «Hellship» seinen Platz in diesem Beitrag verdient.

Der erste Band, den Muralt als eigenständiger Artist herausgebracht hat, ist eine Reise in den Zweiten Weltkrieg, genauer zu den Luftschlachten im Pazifik. Amerikaner und Japaner bekämpfen sich, patriotisches Getue geht in der Brutalität des Kriegs unter, Gewinner gibt es keine.

Die kurze Geschichte gefällt mit gut geschriebenen Charakteren, einem cleveren Ende und besonders den detailreich ausgearbeiteten Zeichnungen. Ob Kriegsgerät oder Gesichter, in jedem Panel gibt es viel zu entdecken und Muralt zeigt sich bei der Kolorierung als Talent. «Hellship» ist stilistisch leicht anders als das neuste Werk «Buglands» und näher am Realismus – für Fans europäischer Comics ein Fest.

48 Seiten • Hardcover • Bestellen


Mehr Phosphor: Gespräche mit Swiss Artists an der Fantasy Basel 2025.