von Michael Bohli • 12.10.2023
Verlag: Rotpunktverlag
216 Seiten • Hardcover
Erscheinungstermin: 20.09.2023
ISBN: 978-3-03973-002-5
Valentina Mira aus Italien hat mit dem Thema einer Vergewaltigung keinen einfachen Weg für ihren Debütroman «X» gewählt, aber einen wichtigen und notwendigen.
Das tätowierte «X» auf dem Finger steht für unaussprechliche Taten, für komplexe Gefühle und viel Leid. Dass Valentina das kleine Symbol nicht in wenigen Sätzen erklären kann, ist verständlich. Anstatt Reden zu schwingen, schreibt sie Briefe an ihren Bruder, der die Zeilen nie lesen wird. Doch die Worte müssen raus, die Wahrheit ans Licht.
Die Klarheit darüber, was sich damals im Sommer nach dem Abitur in der Wohnung von G. zugezogen hatte. Dass der Faschist und Freund von Valentinas Bruder zu ihrem Vergewaltiger wurde. Dass die Welt zusammenbrach und der jungen Frau aufzeigte, wie allein sie in dem patriarchalen System und wie unzuverlässig die italienische Gerechtigkeit ist. Die Briefe werden zur Selbstermächtigung, zum Kampf gegen die von aussen auferlegte Stille.
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Viele Parallelen lassen sich zwischen den Figur Valentina und der Autorin Valentina Mira ziehen. Der Name, ihr Umfeld und die gemachten Erfahrungen im Berufsalltag mit den misogynen Grundstrukturen, die in Italien herrschen. Trotzdem ist «X» keine Biografie, sondern ein Roman, der zu mehr Gleichberechtigung und weniger Gewalt an Frauen aufruft.
Eine starke Geschichte, die unter die Haut geht und sich in jedem Satz realistisch anfühlt. Die Briefstruktur und die Ichperspektive, welche tief ins Innere der Hauptfigur blicken lässt, sind gut gewählt und entfaltet die Geschehnisse geschickt strukturiert. Die Sprache ist direkt und ohne Scham, der brutale Alltag, den Frauen weltweit erleiden müssen, wird greifbar.
«X» ist aufwühlend, Valentina Mira aus Rom lässt ihre Erfahrung als Autorin mit schonungslosen Aussagen zum Thema Vergewaltigung in beeindruckenden Sätzen zusammenkommen und hat ein Debüt geschrieben, das den Atem raubt.