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Wortspiele, intelligente und schlechte Witze – mit Valerio Moser

von Cornelia Hüsser und Andi Hofmann (Bilder) • 15.06.2023

Valerio Moser ist Spoken-Word-Künstler aus Langenthal und schreibt Texte zu verschiedensten Themen. Gerade hat er seinen neuen Band «Ein Tablett voll glitzernder Snapshots» veröffentlicht – und im Rahmen einer Lesung im OXIL präsentiert.

Glühender Sonnenschein, Getränke und Grilladen: Mehr braucht es nicht für einen gemütlichen Abend. Ausser vielleicht einer unterhaltsamen Lesung unter freiem Himmel. Möglich gemacht haben es die Leserei und das OXIL in Zofingen. Ort des Geschehens: alte Tankstelle hinter dem Club; Tatzeitpunkt: Freitag, 9. Juni 2023; Drahtzieher: Valerio Moser.

Dieser hat ein Jahr lang jeden Tag einen kurzen Text geschrieben. Gesammelt und gebunden gibt es sie auf kaufmännischem Weg zu erwerben – oder eben in Form einer Live-Performance zu kredenzen. Doch wie sieht eine Lesung mit Valerio Moser aus? Humorvolle und absurde Gedanken, Wortspielereien und Ernsthaft-Pointiertes wechseln sich ab. Dazwischen schleicht sich die eine oder andere musikalische Untermalung mit Synthie, Vocoder und Nebelmaschine. (Urheber dieser Songs ist übrigens seine Band Moder und Sauerland; der Bandkollege allerdings abwesend und sehr weit weg, also handlungsunfähig gegenüber der Weiterverwertung seiner Werke. Selber schuld.)

Und während die meisten der vorgetragenen Texte im Vorfeld sorgfältig durch den Autor kuratiert wurden, darf das Publikum jeweils auch Wunschdaten aus dem Tagebuch nennen. Dieser Faktor des Unberechenbaren ist nicht zu unterschätzen, wurden wir an diesem Tag unter anderem mit recht abgefahrenem Science-Fiction-Reis belohnt. Ob das wirklich lustig ist? Und überhaupt, was macht guten Humor aus? Hat die Schweiz so etwas wie einen Nationalhumor? Über das und mehr haben wir mit Valerio im Interview geplaudert. Und zwar anhand des Witzbuchs des selbsternannten «Pioniers in der hochkomplexen Welt der Wortspielereien» Paul Linus Urban.

 

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Phosphor: Wir haben ein Witzebuch mitgebracht und würden gleich in die Vollen gehen:

Was macht eine Bombe im Treppenhaus?

Valerio: Sie geht hoch!

Damn! Wir sitzen hier mit einem Profi am Tisch. Worin liegt denn der Reiz von Wortspielen?

Wortspiele sind eine interessante Art, über die Sprache zu reflektieren. In der Sprache gibt es viele Parallelen, die sich nicht aus dem Inhalt ergeben, sondern aus dem Klang, der Wortlänge oder ähnlichem. Es ist interessant, gerade solche Parallelen zu finden und die Sprache auf eine andere Art zu entdecken.

Arbeitest du selbst gerne mit Wortspielen?

Gelegentlich, mich reizt mehr das Experiment. Ich bleibe nicht gerne in einer Stilistik – ich werde mir selber schnell langweilig – sondern probiere gerne immer wieder Neues aus.

Kommen wir zum nächsten Witz …

Was macht ein Zombie, wenn er seine Hand verliert? – Er geht in den Secondhand-Shop.

Ich fühle mich wie in diesen TikTok-Formaten, in denen Leute einander Witze erzählen und nicht lachen dürfen. Man will bei solchen Witzen eigentlich auch nicht lachen, weil man sie schon ein bisschen blöd findet.

Das ist wahr. – Der erste Witz funktioniert nur auf Hochdeutsch, diesen haben wir jetzt auf Mundart erzählt. Wo verortest du den Humor in der Schweiz?

In den letzten Jahren hat sich viel getan. Es gibt natürlich die prominenten Persönlichkeiten die grösstenteils vor der Jahrtausendwende gross geworden sind.  Aus den Nullern und 10er Jahren sind viele aus der Slam-Szene in die Humorbranche eingetaucht. Und jetzt gerade passiert viel in der jungen Stand-up-Szene. Es gibt also durchaus frischen Humor – er findet einfach noch nicht auf den grossen Bühnen statt.

Gibt es für dich einen Schweizer «Nationalhumor» – wie man es beispielsweise aus dem britischen Raum kennt?

Ich glaube, in der Schweiz gibt es verschiedene Kreise. Aus der Ostschweiz fallen mir beispielweise mehrere Leute ein, die ihren Humor in der Beschreibung von alltäglichen Absurditäten finden. In Bern, um Matto Kämpf und King Pepe, gibt es einen ganz verdrehten, teils recht wirren Humor. Das sind Inseln mit Leuten, die einander inspiriert haben und einen Stil weiterentwickeln. Das beobachte ich auch in der Slam-Szene: Zwei, drei Personen finden sich, inspirieren sich gegenseitig und es entsteht eine neue Stilistik. Einen pauschalen «Schweizer Humor» nehme ich nicht wahr, eher eine grosse Diversität.

Es gibt aber auch das Klischee, dass die Schweizer Bevölkerung überhaupt keinen Humor habe.

In der Schweiz ist es rein infrastrukturell gar nicht möglich, mit der gleich grossen Kelle wie in Deutschland oder den USA anzurichten. Der Markt ist einfach zu klein – darum ist Schweizer Humor international wohl weniger präsent und umgekehrt internationale Acts bei uns sehr präsent. Auch das Schweizer Fernsehen setzt beispielsweise eher auf sichere Werte – also Leute, die bereits ein grosses Publikum haben. So entsteht schnell ein altbackenes Image. Darüber wird aber gerade breit diskutiert. Es wäre schön, wenn sich daraus neue Formate entwickeln würden, die jungen Künstler:innen eine Plattform bieten.

Zeit für einen weiteren Witz.

Ich habe Angst …

Wie flirten Schildkröten? – Sie turteln.

Der kombiniert Deutsch und Englisch. Wie ist das bei dir, in welcher Sprache arbeitest du am liebsten?

Primär arbeite ich in der Sprache, die ich am besten kann, also Schweizer- und Hochdeutsch. Ich habe einmal einen Slam in New York gewonnen – mit einem Mundart-Text. Das war interessant.

Ich glaube, wenn man eine spannende Idee hat, kann man die auch in andere Sprachen übersetzen. Die Finessen der Sprache zu beherrschen ist aber schwieriger. Das Schweizerdeutsche hat einen ganz eigenen Klang, und ich spiele gerne mit dieser Ästhetik.

Das Publikum findet sich so auch selbst in den Texten wieder.

Und es fühlt sich auch nicht wie schon tausend Mal gehört an. Das beobachte ich auch in der Musik: Bands schreiben lieber mittelmässige Texte auf Englisch, obwohl sie sich auf Schweizerdeutsch wahrscheinlich viel besser ausdrücken könnten. Vielleicht ist diese Distanz gewünscht oder der Text bei der Musik gar nicht so wichtig. Bei meinen Shows möchte ich Nähe erzeugen.

Wie hat das denn in New York funktioniert?

Ich hatte dort einen Text gewählt, bei dem es mehr um den Klang als um den Inhalt ging. Das entstand aus der Beobachtung heraus, dass mich schwedische und isländische Bands, die ich eine Weile lang gehört hatte, voll einnehmen konnten – obwohl ich kein Wort verstand. Ich wollte das auf das Schweizerdeutsche übertragen und habe ein paar Schnabelwetzer-ähnliche Texte geschrieben. Mit diesen funktioniert das sehr gut – Reime und sich wiederholende Klänge erkennt man immer.

Wir kommen zum letzten Witz. Achtung, sie werden immer besser:

Wie nennt man die Tochter eines Winzers? – Weinbergschnecke.

Okay. Wow.

Damit wären wir beim Thema Niveau angelangt. Wie wichtig ist ein gewisses Niveau im Humor?

Es gibt viel Humor, der nach unten tritt oder Stereotypen bedient. Das ist halt sehr einfach und  wird schnell repetitiv. Ich behaupte aber, dass man über jedes Thema gute humoristische Texte schreiben kann, wenn man sich seiner eigenen Position bewusst ist und im Auge behält, worüber man am Ende lacht.

 Ist denn intelligenter Humor nachhaltiger?

Humor hat immer mit den Systemen zu tun, in denen man sich befindet. Wenn man sexistischen, Rassismen bedienenden Humor macht, bestärkt man die bestehenden Systeme. Ich finde solchen Humor langweilig, weil es meistens der immer gleiche Witz in neuen Worten ist, bei dem einfach ein paar Parameter verändert wurden. Humor, der das nicht macht, zeigt im besten Fall neue Perspektiven auf, mit denen man auf diese Themen blicken kann und kann damit systemkritisch sein.

Zum Abschluss: Worüber lachst du selber laut?

Nach über 15 Jahren, in denen ich selber auftrete, ist es schwierig, noch überrascht zu werden. Es passiert aber immer wieder mal, wenn etwas aus den gewohnten Schemata ausbricht. Über den Lego Movie habe ich gelacht. Oh, und Cunk on Earth! Andere Serien wiederholen ihren Humor oft nach drei, vier Episoden, aber hier wurde ich die ganze erste Staffel hindurch bestens unterhalten.

Vielen Dank für das Interview. Lass uns noch einen letzten Zufallswitz kredenzen.

Habe neulich ein Dach gekauft. Ging aufs Haus.


Kulturtipp von Valerio

Stefan Hostettler ist ein Künstler aus Bern, der seine Graffiti-Vergangenheit mit modernen Elementen zusammenbringt.

Valerio Moser – Ein Tablett voll glitzernder Snapshots

Datum:
9. Juni 2023

Ort:
OXIL, Zofingen

Website:
valeriomoser.ch

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