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BRUGGGORE 2025: Das erste Jubiläum

von Michael Bohli und Conny Hüsser • 28.04.2025

Zum fünften Mal lud das BRUGGGORE Filmfestival zum Gruseln ins Kino und wir haben uns bereitwillig unter die Zombies, Monster und blutigen Verbrechen gemischt.

Das Jahr 25 im 21. Jahrhundert durch die Zahl 5 geteilt ergibt? Genau, die 5. Ausgabe des BRUGGGORE Filmfestivals! Das erste Jubiläum wurde mit einem ausgeweiteten Programm, dem ersten Kurzfilmblock, vielen Premieren und sehr toller Atmosphäre gefeiert. Wir haben uns an allen Tagen in Brugg unter die Freaks und Fans gemischt.

Eine Übersicht zu allen gesichteten Filmen findet ihr bei Letterboxd: ConnyMichael

Tag 1: Architektur

Von der Arbeit im Architekturbüro direkt ans Festival für einen Film über einen Architekten – so mühelos lässt sich das BRUGGGORE mit dem echten Leben verbinden.

Der Start mit «El instinto» von Juan Albarracín war dreckig agoraphobisch, Holzwände und Fesseln bestimmten den Raum. Ganze Stadtgebiete umspannte der erste Teil der Yoshiaki Kawajiri-Rückschau, «Demon City Shinjuku» lieferte schicke Animationcells mit kaputten Wolkenkratzern, pinke Lichter und einen sehr stabilen Soundtrack. Das Fantoche lieferte ab.

Wenn Geister die Logik der Gebäude durcheinanderbringen, dann müssen wir bei K-Horror gelandet sein. «Idiot Girls and School Ghost: School Anniversary» von Kim Min-ha war die grösste Überraschung des ersten Tages (und des gesamten Festivals), unglaublich unterhaltsam und sympathisch. Nicht nur aufgrund geloopter Treppen, sondern auch wegen des Casts, Meta-Jokes und unzähligen Überraschungen.

Da wir auch die Gaumenfreude in Brugg zelebrieren, haben wir den Lady Carrot mit Rüeblifinger und den Cassis Infusion mit blutrot gefüllter Spritze kredenzt. Yummie! 😈

Tag 2: Symptome

Blutunterlaufene Augen, geknickter Gang und Vitaminmangel – typische Symptome bei Besucher:innen eines Festivals. Wir schlurfen durch Brugg, immer auf der Suche nach dem nächsten filmischen Boost.

Zurück in die Pandemie-Zeit versetzte uns der erste Wettbewerbsfilm «Else» von Thibault Emin, inklusive Lockdown. Der Geschmacksverlust passierte hier allerdings nicht am Gaumen: Weder die KI- noch die handgemachten Effekte sehen gut aus, seltsame Filtereinsätze versuchen dies erfolglos zu übertünchen – und auch die Story ist unglaublich zäh.

Stellenweise zäh fühlte sich «Steppenwolf» an und liess uns am Geschmack zweifeln. Denn Regisseur Adilkhan Yerzhanov zeigt so viel nihilistische Gewalt und misogyne Handlungen, dass das manisch-durchgeknallte Lachen des Protagonisten nichts half. Das war nicht nur Symptom, sondern vollendeter Wahn vor der Kulisse des gesellschaftlichen Zerfalls in Kasachstan.

Wer niest, verteilt seine Viren an die Umwelt. Nicht so in «Escape from the 21st Century» von Li Yang, in dem drei Teenager auf diese Weise 20 Jahre in der Zeit vor- und zurückreisen können. Komplett abgedreht und überladen startet der Film zwar unterhaltsam, verliert sich aber im Mittelteil.

Hydriert haben wir uns an diesem Tag mit dem Klassiker Gore Royal, aus dessen Eis gruseliges Glibberzeug schlüpft. Yummie. 😩

Tag 3: Erinnerungen

Ein Filmfestival bedeutet Wiedersehen und Schwelgen in vergangenen Ausgaben – wenn das zurückliegende Konsumverhalten es zulässt. Als Gedächtnisstütze hilft das eigene Profil auf Letterboxd.

Wie aber mit dem kompletten Verlust von Erinnerungen umgehen? Im spirituell gehaltenen Mysterydrama «Alucina» von Javier Cutrona ging es um Trauma und Verdrängung, präsentiert mit spirituellen Motiven und Problemen in der Erzählstruktur. Mich(ael) erinnerte das Werk daran, dass ich Filme mit sehr präsenten und abrupt kurzen Musikeinspielern nicht so mag.

Die «gute» alte Zeit der Creature Features voller Atombombentests und sexistischen Sprüchen wurde mit «Them!» (Gordon Douglas) nach Brugg geholt, eine wunderbar nostalgische Erfahrung. «Vampire Hunter D: Bloodlust» liess an die in den Nullerjahren gekauften Ausgaben der Zeitschrift Animania denken. Der Dhampir war damals oft ein Thema und viele Bilder dieses Gothic-Grosswerks von Yoshiaki Kawajiri aus Japan bekannt, mit wiedergewonnener Freude an Manga und Anime war die Sichtung umso erfreulicher.

Weniger nice: Die Game-Verfilmung «Until Dawn». David F. Sandberg lieferte einen Zeitschlaufenfilm, in dem sich die Charaktere gegenseitig mit Erinnerungen stützen müssen, ich selber werde das Werk dank uninspirierter Umsetzung und egalen Monstern aber rasch vergessen haben.

Nur dank gemachter Filmerfahrungen und Erinnerungen an damals funktionierte der Splatter-Spoof «Vampire Zombies … From Space» (Michael Stasko), der sich zwar mit jeder Szene weg von der Hommage zum Trash verschob, aber im nächtlichen Kino viele Lacher abholte. Tja, mit dem Humor ist es halt so eine Sache.

Neben den Langfilmen haben wir uns den Kurzfilm-Block «Short But Deadly» gegönnt, den es dieses Jahr zum ersten Mal gab. Die Auswahl reichte von detaillierter Stop Motion («Les Bêtes», Michael Granberry) über einen Tanzfilm («Syncope», Linus von Stumberg) bis zu Horror-Comedy in Kürzestausgabe («Type A», Jake Barcus). Eine schöne, an andere Festivals erinnernde Abwechslung in der gemütlichen Excelsior Suite und ab sofort hoffentlich jährlich.

Auf der flüssigen Seite war es weniger spannend, dafür gab es einen leckeren, veganen Schoko-Erdnuss-Cookie. Mjam. 🍪

Tag 4: Beziehungen

Ein Festival verbindet nicht nur in der Angst und in Albträumen, sondern mit Menschen, die sich jährlich vor Ort treffen und über Filme, das Leben und Kreativität austauschen.

Wie unangenehm das Leben im Patriarchat und Kapitalismus für Frauen ist, brachte «The Black Hole (Must Auk)» von Moonika Siimets auf die Leinwand. Drei Kurzgeschichten über Einsamkeit, Liebe und Verbindung in Estland, gemischt mit Aliens, einer Riesenspinne und merkwürdigem Österreicher, aber mit zu wenig Interkonnektivität.

Wie sich die Vergangenheit an uns rächt, illustrierte der indigen-spirituell durchwobene Folk-Horror «Un cuento de pescadores» aus Mexiko. Edgar Nito liess junge Liebende und Rivalinnen aus einem Fischerdorf hübsch gefilmt im See sterben; was bleibt, ist die Einsamkeit.

In «Blutgletscher» (Marvin Kren) passierte die Rache durch die Natur am Menschen: Eine rote Substanz, die durch die Klimaerwärmung aus dem Gletscher dringt, lässt Lebewesen zu tödlichen Mischformen zu mutieren. Zum biologischen Nonsens paarten sich noch abschliessende patriarchale Lebensentwürfe, die man 2025 wirklich nicht mehr auf der Leinwand sehen will.

Von der Koexistenz zwischen Geistern und Menschen erzählte der episch gemachte und durchwegs extrem spannende «Paprik Gula» aus Indonesien. Awi Suryadi lieferte zahlreiche Schockmomente und ein brutales Ringen um Schuld, Sühne und Frieden im Blockbusterformat.

Eine weitere Pandemie bot «Trizombie» von Bob Colaers: Während ein Virus fast die gesamte Menschheit zu Zombies mutieren lässt, bleiben einzig jene mit zusätzlichem 21. Chromosom verschont und müssen sich nun gemeinsam durchschlagen. Der wahrscheinlich erste Zombiefilm, den man mit voller Überzeugung liebevoll, cute und herzerwärmend nennen kann.

Kulinarisch haben wir die Drink-Reihe mit dem «Witches Potion» komplettiert und die obligate vegane Pinsa aus dem Kino-Ofen geknabbert. Mampf. 🍕

Tag 5: Stereotypen

Horrorfilme schauen nur Kellerkinder und Verrückte? Nein, auch dieses Jahr zeigte sich das Publikum von einer durchmischten, cuten und kontaktfreudigen Seite. Sogar am letzten Tag, trotz ersten Erschöpfungsanzeichen.

Erschöpfend brutal und nahe dem kompletten Wahn bewegte sich «Deus Irae» von Pedro Cristiani; ein Film der sich dem Thema Exorzismus abseits der gewohnten Pfade näherte und einen blutigen Albtraum über physischen und psychischen Missbrauch auf die Leinwand brachte. Damit holte sich die argentinische Produktion den Publikumspreis «Eye Of The Beholder», den der Regisseur vor Ort entgegennahm. Eine verdiente Auszeichnung.

Vollends im Sumpf der popkulturellen Zitate und überholten Klischees der Achtzigerjahre versank die trashige Creature-Produktion «The Creeps» von Marko Mäkilaakso; ein negatives Paradebeispiel für die unangebrachte, männliche Weltsicht. Glücklicherweise hielt Sasha Rainbow anschliessend mit ihrem Debüt «Grafted» dagegen und holte Female Rage ins Kino. Schöne Effekte, tolles Spiel und einige harte Schläge gegen das Patriarchat; so mögen wir das.

Weibliche Wut war auch Thema bei «Bernadette will töten» von Oliver Paulus und Robert Herzl, blieb dabei aber oberflächlich. Die titelgebende Bernadette findet im Darknet eine Community, die angehende Täter und Opfer zusammenbringt. Fast wäre es dem Regieduo gelungen, Gewaltdarstellungen als Unterhaltungsform tiefer zu ergründen, doch es blieb bei mittelspassigen Dialogen und Plot.

Leidenschaft und Exzess gab es bei «Chainsaws Were Singing» von Sander Maran aus Estland, einem bluttriefenden Musical voller Überzeichnungen aber mit viel Herz. Der zu lange Film lieferte ähnliche Freude wie die Frühwerke von Raimi und Jackson.

Arm und Reich spielte David Yarovesky in «Locked» gegeneinander aus. Eddie, chronisch pleite, steigt in einen nicht abgeschlossenen SUV – und damit in die Falle eines reichen Psychopathen, der (natürlich) krebskrank ist und (natürlich) einen Verlust rächen und (natürlich) dem Pöbel Manieren beibringen will, bevor er das Zeitliche segnet. Nett gefilmt, aber wenig innovativ.

Am letzten Tag lieferte uns das Odeon-Team Gaumenfreuden mit den veganen Dürüm und den Festivaldrinks. Ein toller Abschluss auf dem Höhepunkt. 🌯

Fünf Jahre BRUGGGORE, fünf Jahre Liebe für die Abgründe und dunklen Seiten der Filmwelt; es war erneut ein wunderbares Festival. Allerdings haben wir für 2026 einen Wunsch an die Filmemacher:innen: Kill Your Darlings! Es muss nicht jeder Film länger als 90 Minuten sein.

See you next year, Maniacs!


Mehr Phosphor: Alles über die Festival-Ausgabe von 2024 lest ihr in diesem Beitrag.

BRUGGGORE Filmfestival 2025

Ort:
Kinos Excelsior und Odeon, Brugg

Datum:
22. bis 26.04.2025

Website:
brugggore.ch

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