von Cornelia Hüsser • 06.05.2023
Der Human Rights Day wurde dieses Jahr bereits im April zelebriert, mit zwei Dokumentarfilmen im Kino Riffraff, präsentiert vom Human Rights Film Festival Zürich.
Nach dem unerwarteten Abbruch des Festivals 2022 – aufgrund der Schliessung des KOSMOS – kehrte das HRFF für einen Abend in sein ursprüngliches Stammkino zurück. Gezeigt wurden zwei Filme, die auch im Dezember im Programm gewesen wären.
Der Dokumentarfilm «Chaylla» begleitet eine junge Frau, die sich aus einer gewalttätigen Beziehung zu lösen versucht. Beeindruckend offen und reflektiert erzählt sie von Situationen, in denen sie physische oder psychische Gewalt durch ihren Partner erlebt. Sie holt sich rechtliche Unterstützung, lebt zwischenzeitlich in einem Frauenhaus, erleidet trotzdem Rückfälle in gewohnte Muster – und gibt währenddessen ihr Bestes, die beiden Kinder in einem sicheren Umfeld grosszuziehen.
Paul Pirritano und Clara Teper durften die Protagonistin während mehreren Jahren begleiten und zeigen ihren Lebens- und Leidensweg auf – und zugleich ihre Stärke und ihren Willen, im patriarchalen System als Frau und Mutter zu bestehen. Die Kamera bleibt immer nahe an Chaylla, zeigt jede Regung in der Mimik und lässt uns ihre Probleme und Empfindungen direkt spüren. Aus dem allgemein eher unschön gedrehten und montierten Dokumentarfilm wird so eine ergreifende Erfahrung, die viele Aspekte häuslicher Gewalt aufzeigt.
Im Anschluss an den Film sprach Rozë Berisha über ihre Erfahrungen als Sozialarbeiterin bei Brava, einer NGO, die sich gegen Gewalt an Frauen und Sexismus in der Schweiz einsetzt. Weshalb sich die Ablösung von einem gewalttätigen Partner oft schwierig gestaltet und mit welchen Problemen sich die Opfer konfrontiert sehen, wurde noch einmal deutlich.
Das Recht, über den eigenen Körper bestimmen zu dürfen, wird hierzulande häufig mit dem Recht auf Abtreibung in Verbindung gebracht. Das ist auch in El Salvador nicht anders; dass dort aber noch viel niedrigschwelliger angesetzt werden muss, wird in «Fly So Far» deutlich. Der Film begleitet Teodora Vásquez, die zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde, weil sie eine Fehlgeburt erlitt.
Mit diesem Schicksal ist sie nicht alleine. Im Gefängnis lernte sie zahlreiche andere Frauen kennen, über die das Gericht ohne Beweislage nach dem gleichen Schema urteilte: Sie hätten ihre Fehlgeburten absichtlich herbeigeführt, also «abgetrieben». Und Abtreibungen gelten in El Salvador als Mord.
Die schwangere Frau als Brutkasten, ein religiös fehlgeleitetes Rechtssystem, groteske Strafen zur Abschreckung und Gefügigmachung: Diese brutale Realität zeigt Celina Escher in ihrer Dokumentation, die unter die Haut geht. Ein gut gemachter und gelungen gedrehter Film, der angemessen wütend macht und zum Handeln inspiriert.
Nach dem Film setzten Noëmi Grütter (Frauenrechtsexpertin und Co-Präsidentin Sexuelle Gesundheit Schweiz) und Celina Escher diesen in einen erweiterten Kontext: El Salvador hält am Abtreibungsverbot fest, doch auch in Europa und den USA erstarken frauenfeindliche Bewegungen. Selbst in der Schweiz fordern zwei laufende Volksinitiativen neue Einschränkungen. Der Film bezieht damit nicht nur Position zur Stellung der Frau in El Salvador, sondern überall auf der Welt: Es gilt, sich zu wehren.
Das nächste Human Rights Film Festival findet vom 04.-10.04.2024 im Riffraff statt.
HRFF:
humanrightsfilmfestival.ch
Chaylla:
novanima.eu
Fly So Far:
flysofarfilm.com