Kino: All We Imagine as Light

von Michael Bohli • 17.12.2024

Regie: Payal Kapadia
Land: Indien
Jahr: 2024
Verleih: trigon-film

Der preisgekrönte Spielfilm «All We Imagine as Light» von Payal Kapadia ist eine zauberhafte, poetische Betrachtung des heutigen Mumbais.

Was für ein Glück, ein Film wie «All We Imagine as Light» im Kino erleben zu dürfen. Payal Kapadia gewann mit ihrem zweiten Langwerk nicht nur als erste Inderin den Grossen Preis der Jury in Cannes, sie zeigt sich als Meisterin der poetisch-emotionalen Erzählweise.

Wir begleiten die Krankenpflegerinnen Prabha und Anu in ihrem Alltag in Mumbai, festgehalten in Szenen voller Blautöne, Regenfälle und realen Momenten. Inmitten der Menschenmasse, welche von Verwirklichung und Erfüllung träumt, hadern die beiden mit den gesellschaftlichen Zwängen, ihrem Privatleben und der Liebe.

Diese Probleme und Sorgen werden in «All We Imagine as Light» subtil, aber wirksam in die Erzählform eingeflochten, kleine Momente und Dialogzeilen wirken intensiv. Das Unscheinbare wird bei Kapadia zur Kraft, die anfänglichen, dokumentarischen Aufnahmen verbinden sich mit den gespielten Schicksalen zu Sehnsucht und Kritik am strengen System des Landes, an den schwachen Frauenrechten und den politisch-religiösen Spannungen.

Durch die grossartige Kameraarbeit von Ranabir Das wirkt dieser Abschnitt des Films wie bei Wong Kar-Wai, eine faszinierende Melange aus Farben, Musik, Geräusche und Atmosphäre. Im letzten Drittel wird dies sanft aufgebrochen, eine Verschiebung der Handlungsebene bringt die ehrlich wirkende Mystik und Spiritualität in die Erzählung.

Unaufgeregt bringt Payal Kapadia diese Aspekte zusammen und baut eine Sogwirkung auf, die auch Apichatpong Weerasethakul nicht besser hingekriegt hätte. Der Film verzaubert mit seiner ruhigen und menschlichen Art, das Geschehen berührt und lässt nachdenken.

«All We Imagine as Light» ist ein weiteres Kinohighlight im Trigon-Jahr 2024 und löste bei mir ähnliche Empfindungen wie «City Of Wind» von Lkhagvadulam Purev-Ochir oder «Samsara» von Lois Patiño aus.


Mehr Kino aus Indien bietet das Set «Martin Scorsese – World Cinema 1» mit dem Film «A River Called Titas».