Kino: Ein Tag ohne Frauen

von Magali Egger • 02.06.2025

Regie: Pamela Hogan
Land: Island • USA
Jahr: 2024
Verleih: Vinca Film

Die Doku «Ein Tag ohne Frauen» erzählt, wie isländische Frauen 1975 das Land lahmlegten – und ein neues Kapitel Gleichstellung aufschlugen.

Island, 1975. 90 Prozent der Frauen legen an diesem Tag ihre Arbeit nieder. Keine Hausarbeit, keine Kinderbetreuung, keine Büroarbeit. Das Land steht still. Der Dokumentarfilm «Ein Tag ohne Frauen» erzählt, wie aus einem kollektiven «freien Tag» ein feministisches Erdbeben wurde. Und wie daraus ein Land hervorging, das heute weltweit führend in Sachen Gleichstellung ist.

«Wir wollten Gleichheit, nicht mehr und nicht weniger.»

Die Frauen wollten Pilotinnen sein. Richterinnen. Journalistinnen. Sie wollten gleiche Chancen, gleiche Löhne, gleiche Rechte. Doch in Island der 1970er-Jahre bedeutete Frau-Sein: 60 Prozent weniger Einkommen, rechtliche Abhängigkeit, unsichtbare Arbeit. Lange wurde das hingenommen – von Männern, aber auch von vielen Frauen selbst.

Dann kam die Rotstrumpfbewegung in Island auf. Laut, ungeschminkt, unübersehbar. Eine ihrer Aktionen beschreibt der Film besonders eindrücklich: Beim grössten Schönheitswettbewerb Islands stellten die Aktivistinnen demonstrativ eine Kuh auf die Bühne. Für sie war der Wettbewerb nichts anderes als eine Viehschau – bei der Männer Frauenkörper bewerten. Zehn Jahre lang gab es danach keinen Schönheitswettbewerb mehr.

«Sie haben uns ausgelacht. Dann wurden sie nervös.»

Doch die Frauen wollten mehr. Sie wollten Island lahmlegen. Kein Kochen, kein Putzen, kein Arbeiten. Der Film zeigt, wie schwer es war, alle mit ins Boot zu holen – aber auch, wie überraschend breit die Unterstützung war. «Zwei, drei Tage vorher merkten die Männer: Das wird ernst», erinnert sich eine der Aktivistinnen.

Am 24. Oktober 1975 bringen Tausende Frauen ihre Kinder zu den Männern ins Büro – und marschieren los. Nicht nur in Reykjavík. Auch auf dem offenen Meer streiken Fischerinnen. «Sie schrien vom Deck runter: «Es gibt Geschirr zu spülen!»», erzählt eine. Doch die Frauen ignorierten sie. Der Streik wirkt sofort: Telefonzentralen stehen still, Schulen schließen, Zeitungen erscheinen nicht. Männer müssen sich kümmern – und das Land sieht plötzlich, was bisher unsichtbar war.

«Es war wie fließende Lava.»

Der Film arbeitet mit Archivaufnahmen, animierten Sequenzen und persönlichen Erinnerungen. Besonders stark: die Atmosphäre des Streiktages. Eine der damaligen Kinder, heute Regisseurin, beschreibt sie als «Vorfreude und wunderbare Wut». Kein Aufschrei, kein Chaos. «Es war wie ein Vulkan, der langsam ausbricht. Die Lava floss.»

Der lange Atem der Veränderung

Ein Tag ohne Frauen ist keine nostalgische Rückschau. Der Film zeigt, wie ein einziger Tag ein Land langfristig prägen kann. Island bekam mit Vigdís Finnbogadóttir 1980 die erste demokratisch gewählte Präsidentin der Welt. Heute ist fast die Hälfte des Parlaments weiblich. Island steht seit 14 Jahren an der Spitze des Gleichstellungsrankings des World Economic Forum.

Die Doku macht klar: Das war kein Wunder. Es war Organisation, Mut, Wut – und ein kollektiver Kraftakt. Frauen, die offiziell keine Bäuerinnen sein durften, weil sie nicht verwitwet waren. Journalistinnen, die nur Texte tippen durften, nicht schreiben. Und alle, die trotzdem sagten: «Jetzt reicht’s.»

Fazit

«Ein Tag ohne Frauen» zeigt mit Leichtigkeit und Tiefe, was möglich ist, wenn viele Menschen gemeinsam aufstehen. Die Aussagen der Zeitzeuginnen sitzen, der Humor ist trocken, die Bilder kraftvoll. Der Film zieht einen mit – und lässt einen nicht mehr los.

Während Island dieses Jahr 50 Jahre Frauenstreik feiert, fand der erste in der Schweiz erst 1991 statt. Der Film macht deutlich: Es ist nie zu spät, etwas zu verändern. Und manchmal reicht ein einziger Tag, um alles ins Rollen zu bringen.