von Michael Bohli • 23.05.2024
Regie: Mohamed Kordofani
Land: Sudan
Jahr: 2023
Verleih: trigon-film
Hat die Menschlichkeit noch Platz, wenn die Spannungen grösser werden? Der sudanesische Regisseur Mohamed Kordofani untersucht das in seinem Spielfilm «Goodbye Julia».
Am Anfang von «Goodbye Julia» knallt es mehrfach: Der SPLA-Führer John Garang stirbt 2005 bei einem Helikopterunfall, die Nordsudanesin Mona fährt einen kleinen Jungen an und dessen Vater wird von Monas Ehemann erschossen. In dieser verzweifelten Lage spannt Mohamed Kordofani einzelne Fäden der Annäherung und Versöhnung.
Julia, die Witwe aus dem Süden, wird von Mona als Haushaltshilfe angestellt, was einem heimlichen Schuldzugeständnis gleichkommt und die Beziehung zwischen den Frauen verkompliziert. Vieles bleibt lange ungesagt, der Spielfilm springt ins Jahr 2010 und lässt die Situation durch das Referendum über die Abspaltung des Südens dichter und brenzliger werden.
In dieser politisch und gesellschaftlich turbulenten Phase in der Geschichte des Sudans stellt Mohamed Kordofani die kollektiven Widrigkeiten mit seinen Charakteren dar. Eine Wohnung wird zur Spielfläche von Schuld, Hass, Vergebung und Zuflucht; die Ehe unterstützt die Spirale der Gewalt und die individuellen Handlungen schaffen es nicht, die Generationenschuld zu unterbrechen.
In «Goodbye Julia» gibt es keine einfachen Wahrheiten und richtigen Positionen. Monas Ehemann sagt ihr erbost ins Gesicht: «Du bist Teil der Gesellschaft, der du Rassismus vorwirfst. Auch du bist für ihr Leiden verantwortlich.» Welch grosse Worte, die sehr gut auf die Schweiz übertragen werden können. Ist es nicht unsere aller Schuld, dass die Welt so ungerecht ist?
Leider wirkt die Geschichte, die Kordofani erzählt, zu vielen Teilen gewöhnlich und für das Drama-Genre zu typisch, um solchen tiefreichenden Aussagen gerecht zu werden. Das gute Spiel von Siran Riak (Julia) und Eiman Yousif (Mona), die schöne Kameraarbeit und der Einblick den Sudan machen «Goodbye Julia» aber mehr als interessant.
Mohamed Kordofanis Arbeit wurde als ersten Film aus dem Sudan in Cannes gezeigt. Sollte es auch für dich der erste Film aus diesem Land sein, machst du mit «Goodbye Julia» nichts falsch.