von Selina Milena Urech • 17.02.2025
Regie: Christian Labhart
Land: Schweiz
Jahr: 2025
Verleih: Cineworx
Der Film «Suspekt» beleuchtet den Konflikt zwischen Überzeugung und Moral im Leben des umstrittenen Strafverteidigers Bernard Rambert. Der Film zeigt, wie er für Aktivist*innen kämpfte, die als «Terrorist:innen» galten, und stellt die Frage, wie weit man für seine Überzeugungen gehen kann, auch wenn diese mit moralischen Zweifeln und gesellschaftlicher Ablehnung kollidieren.
Christian Labharts Dokumentarfilm «Suspekt» wirft einen Blick auf das Leben und die Arbeit von Bernard Rambert, einem der kontroversesten Strafverteidiger der Schweiz. Als «Roter Beni» bekannt, hat sich Rambert stets für linke Aktivist:innen eingesetzt, die in den Augen der Gesellschaft als «Terrorist:innen» galten. Er hat sich gegen Repression, menschenunwürdige Haftbedingungen und für faire Prozesse stark gemacht, wie zuletzt beim bekanntesten Schweizer Straftäter Brain Keller.
Der Film konzentriert sich auf ein Gespräch zwischen der Journalistin Julia Klebs und dem Strafverteidiger Bernard Rambert und legt den Fokus so auf das Wesentliche: den Dialog. Auch auf musikalische Untermalungen wird fast gänzlich verzichtet. Labhart gelingt es so, die Stille nicht nur als Stilmittel, sondern gar als Notwendigkeit zu verstehen. Er schafft es mit einer scheinbaren filmischen Einfachheit, einen fesselnden und einnehmenden Grundton herzustellen. Einzig das Archivmaterial begleitet das Gespräch der beiden und führt so die Zuschauenden durch die Vergangenheit des Anwalts.
Rambert ist als Anwalt für Aktivist:innen wie Walter Stürm, Marco Camenisch und Petra Krause bekannt. Der Film zeigt nicht nur seinen juristischen Einsatz, sondern auch die gesellschaftliche Verantwortung, die er trägt. In den Medien war und ist er bekannt als «Terroristenanwalt», doch der Film hinterfragt diese Stigmatisierung und lässt uns verstehen, dass die «Terroristen» für Rambert oftmals die letzten Verteidiger einer besseren Welt waren. «Viele Kämpfe sind vergebens, aber niemals sinnlos», sagt Rambert im Film, ein Satz, der die Ambivalenz seiner Überzeugungen widerspiegelt.
In seiner Reflektion über seine Arbeit und die moralischen Fragen, die er aufwarf – etwa das Recht auf Verteidigung und die Frage, ob es gerechtfertigt ist, Gewalt für einen «gerechten» Zweck einzusetzen – gibt Rambert einen offenen Einblick in seine Ideale, seine Zweifel und seine Erfahrungen als Anwalt für jene, die gegen das System kämpfen. Seine offene Bereitschaft, grundlegende politische Überzeugungen zu hinterfragen, fügt dem Film eine authentische, menschliche Dimension hinzu.
Der Filmemacher Christian Labhart hat bewusst einen unausgewogenen und provokativen Film geschaffen, der vor allem die politische Perspektive Ramberts beleuchtet. Doch gerade diese einseitige Erzählweise zieht so die Zuschauenden in den Sog der politischen, juristischen und moralischen Konflikte, die Rambert in seiner Karriere begleitet haben. Gerade jetzt, in einer Zeit, in der der Diskurs über Gerechtigkeit und Widerstand oft vereinfacht wird, bleibt der Film nicht in klaren Schwarz-Weiss-Kategorien stecken. Labhart lässt die Grautöne der politischen Auseinandersetzungen und die Ambivalenz menschlichen Handelns zu.
Der Film zeigt eine Form des Widerstands, die nicht nur durch juristische Kämpfe geprägt ist, sondern auch durch den ständigen Dialog mit den eigenen moralischen Prinzipien. Wie der Film selbst verdeutlicht, ist die Auseinandersetzung mit den eigenen Überzeugungen ebenso ein Akt des Widerstands.
«Suspekt» ist kein Film für Zuschauende, die nach einfachen Antworten suchen. Labhart liefert ein komplexes, provokatives Porträt von Bernard Rambert, einem Mann, der in der Schweizer Justizgeschichte eine einzigartige, wenn auch umstrittene Rolle spielt. Der Film fordert dazu auf, die Begriffe Gerechtigkeit, Wahrheit und Widerstand neu zu überdenken und lässt Raum für die Grauzonen, die jede politische Auseinandersetzung mit sich bringt. Besonders für die heutige Generation, die sich mit Fragen der politischen und sozialen Verantwortung auseinandersetzt, ist «Suspekt» ein faszinierendes und herausforderndes Werk, das es wert ist, gesehen zu werden.