von Michael Bohli • 17.02.2024
Die KultMovieGang aus Bern zelebriert am Kult Attack Festival 2024 die grossen Filme der Neunzigerjahre. Doch wie stehen sie zur Schweizer Popkultur aus dem Jahrzehnt?
2023 wagte die KultMovieGang aus Bern den Schritt zum eigenen Festival, was vier Tage voller Filme aus den Achtzigerjahren bedeutete. Der Versuch, das etablierte Programm aus Kultfilmen, Animittwoch und Worst-Nights mit einem Highlight zu ergänzen, funktionierte wunderbar und lockte unterschiedlichste Menschen in den Kinosaal.
Weniger als ein Jahr später findet bereits die zweite Ausgabe des Kult Attack Festivals statt, mit 20 Filmen aus den Neunzigerjahren an vier Tagen im cinéClub Bern. Ein Reigen der kultigen Figuren und Szenen, «The Lion King», «Pulp Fiction», «Jurassic Park» und «Clueless» sind mit dabei. Doch wie steht es den Organisatoren des Festivals um das Wissen der Schweizer Popkultur der 90er? Wir haben mit Ronny Kupferschmid und Philippe «Hausi» Hausherr gesprochen.
Phosphor: Warum schaut man sich Filme immer wieder an?
Hausi: Die einfachste Antwort: Weil sie gut sind. Aus meiner Sicht sind Filme oftmals Konsumgüter, die je nach Geschichte oder Wendung nach der Erstsichtung durch sind. Ausser es gibt interessante Details zu entdecken.
Ronny: Ganz klar Lieblingsfilme, die man immer wieder sichten möchte.
Gibt es Filme, die ihr bei aller Liebe nicht mehr im Kino sehen wollt?
Ronny: Die langen, sperrigen und schweren Filme würde ich weniger im Kino zeigen wollen.
Hausi: Natürlich ist das eine Frage des Geschmacks, man muss aber offen bleiben und vielleicht Filme nochmals besuchen, die man vor 20 Jahren gesehen und nicht gemocht hat. Gerade das Gefühl und die Stimmung im Kino – den Film mit anderen zusammen zu sehen – können einen grossen Unterschied machen.
Im März findet das Festival statt. Hat euch der Erfolg der ersten Ausgabe Recht gegeben?
Ronny: Ja! Toll ist, dass für die diesjährige Ausgabe ein Monat vor Beginn bereits mehr Tickets verkauft wurden als beim Festivalstart von 2023. Unser Ziel ist, dass wir das Festival längerfristig etablieren.
Hausi: Dieses Jahr ist das Nostalgiegefühl bei mir stärker, da ich viele der Filme bei ihrem Erscheinen bereits im Kino gesehen habe. An solche Momente erinnert man sich besser als an TV-Sichtungen im Wohnzimmer.
Werden die Fans am Kult Attack 2024 glücklich gemacht?
Hausi: Die Programmierung ist bei uns etwas speziell. Wir nehmen gerne Wünsche entgegen, haben aber auch unsere eigenen Vorlieben, die durchdrücken. Trotzdem versuchen wir auch Leute ins Kino zu locken, die das sonst nicht mehr machen und zeigen darum auch einige «People Pleaser».
Ronny: Wir sind sechs Personen im Team und haben eine Shortlist mit unseren Bewertungen zusammengestellt – und da auch die Erwähnungen der letztjährigen Fragebögen in Betracht gezogen. Die eher anspruchsvollen und unbequemen Filme zeigen wir als KultMovieGang im Rahmen der Kultfridays. Leider holen solche Filme meist weitaus weniger Leute ins Kino.
Kommen wir nun zur geballten Ladung 90er-Swissness. Film ab!
Ronny: Ah, «Fascht e Familie», ich habe es damals nie geschaut.
Hausi: Bei uns lief es damals ebenfalls nicht, aber in Erinnerung geblieben ist Walter Andreas Müller. Plus gab es damals T-Shirts mit Flips Sprüchen zu kaufen, und das war auf dem Pausenplatz immer ein Highlight.
Ronny: Für mich war die Sendung vor allem Martin Schenkel, dessen Songs ich immer mochte und der leider sehr früh verstorben ist.
Ronny: Ui, das ist so typischer Neunziger-Sound, noch vor MusicStar. Sozusagen der Schweizer Versuch, die Popströmungen der damaligen Zeit zu imitieren.
Hausi: Da muss ich mich ausklinken, das habe ich entweder verdrängt oder nie mitgekriegt.
[Der Refrain erklingt und beide stöhnen auf.]
Hausi: Ah, jetzt. Danke für nichts! (lacht)
Ronny: Ach ja, der Beat Schlatter. An «Komiker» kann ich mich noch erinnern, hier allerdings fällt mir wenig dazu ein.
Hausi: Die Frage ist, ob solche Filme weiterhin als Wiederholung beim Schweizer Fernsehen gezeigt werden, oder ob sie auch dort in Vergessenheit geraten sind.
Ronny: Subzonic, die Band von Roman Camenzind. Ich habe sie damals im Berner Wasserwerk live erlebt, die Schweizer H-Blockx sozusagen. (lacht) Für mich war «Titelgschicht» der «Sell-Out-Song» von Subzonic; weg vom rauen, hin zum cleanen Sound.
Hausi: Ich kannte sie vor dem Song nicht, was wohl eine Frage des Alters ist. Das Video hat aber filmtypische Kameraperspektiven.
Ronny: Ach ja, Koller. Den Film schauten wir damals mit der Schule im Kino und ich wollte, typisch Pubertät, desinteressiert sein – doch diese Geschichte drang zu mir durch und nahm mich mit.
Hausi: Interessanterweise haben die bekanntesten und angesehensten Schweizer Filme meist Migration zum Thema, wie etwa «Die Schweizermacher». Ernste Themen scheinen bei uns besser zu funktionieren. Eingebrannt hat sich bei mir die Szene im Schwimmbecken, als der Geflüchtete im Schnee fast erfror.
Hausi: Damals hiess es noch «Victors Spätprogramm». Giacobbo führte seine TV-Karriere bis in die Nullerjahre mit «Giacobbo/Müller» fort.
Ronny: Die Sternstunde des Spätprogramms war für mich der Auftritt von Uriellas Mann Icordo als Mr. Tomato – der danach sogar interviewt wurde.
Hausi: Schwamendingen kennt man weiterhin hauptsächlich wegen Harry Hasler. (lacht)
Ronny: Huch, was ist das? Das kenne ich nicht.
Hausi: Techno mit einer Spur Trance. Es war die Zeit dieser Sounds, mit der Street Parade und der Love Parade. Ich frage mich, ob diese Szene wieder zurückkommt. Warst du Techno-Fan, Ronny?
Ronny: Naja, ich war einmal in Montreux bei einem Auftritt der Berner DJs Snowman und Mind-X, da hatte es sogar selbstgebastelte Karton-Deko. (lacht)
Ronny: Schön, ein super Album. Zur Vorbereitung für mein DJ-Set am Festival habe ich diese Scheibe hervorgeholt; «Toucher» und «Traffik» sind meine Favoriten.
Hausi: Die Band ist im Berner Stolz verankert und dient dank ihres Namens als Behauptung, dass wir Zürich bei den Chansonniers stets einen Schritt voraus waren. Ob das stimmt, ist eine andere Frage, man brüstet sich aber gerne damit.
Ronny: «Beresina»! Ihr macht uns ein schlechtes Gewissen betreffend der Festival-Programmation. (lacht)
Hausi: Diesen Film haben wir für die Programmation sogar diskutiert, auch weil «Beresina» eine der Inspirationsquellen für «Mad Heidi» war. Wieder sind wir beim Thema Migration, und die weibliche Hauptrolle ist, analog zum modernen Heidi, nicht bloss ein Opfer.
Ronny: Hier ist ja Martin Schenkel! Und Viola Tami, die ist doch mit Roman Kilchsperger zusammen.
Hausi: Hast du zu viel Schweizer Illustrierte gelesen? (lacht)
Das Lied wurde als Titelsong für die Soap «Lüthi & Blanc» geschrieben.
Hausi: Ach wirklich? Der Song ist aber schon fast unangenehm Pop. Wobei ich von «Lüthi & Blanc» nie eine Folge gesehen habe.
Ronny: Ich auch nicht. Da mag ich die anderen Songs von Schenkel lieber.
Danke für eure Reaktionen. Wir sehen uns am Festival!
02.03.24: Chelsea Deadbeat Combo • Hafenkneipe, Zürich • Swiss-HC at its best
15.03.24: Worst-Movie-Night Bern: Johnny Mnemonic • Ein 90s-Kultfilm mit minderer Qualität.
16.3.24: Worst-Movie-Night Neuchâtel: Plan 9 From Outer Space • Das erste Mal in der Romandie.
17.3.24: Sofalesung mit Adam Schwarz • Wichler’s-Wisi-Huus, Lungern • Unser Lieblingsbuch 2023 «Glitsch» auf Lesetour.
24. bis 27.4.24: Brugggore Filmfestival • Nach Kult Attack unser zweitliebstes Filmfestival. Wir lieben unsere Freunde aus dem Kanton Aargau.