von Michael Bohli • 21.12.2024
Worte, Klänge und Bilder zum Thema Science-Fiction: Das bietet die erste Ausgabe von WE WILL SEE im Januar in Brugg. Wir haben mit den Macher:innen gesprochen.
Science-Fiction im Kino: in der Schweiz ein Nischenthema. Mit WE WILL SEE in Brugg wird solchen Geschichten und Inhalten mehr Raum geben. Nicht nur den Filmen, sondern auch Büchern und Musik; 2025 unter dem thematischen Banner «Technology Beyond Control» und präsentiert vom Kino Excelsior und dem Verein Cinéxtravagant.
Es erwarten euch sechs Filme, ein Buchclub, Zukunftsmusik von DJ HNS und anregende Gespräche. Wir haben mit der Co-Leitung, bestehend aus Daniela Minneboo und Michel Frutig, gesprochen, um mehr Details zu diesem aufregenden Tag zu erfahren.
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Phosphor: Denkt ihr oft an die Zukunft?
Michel Frutig: Aktuell sehr viel, was durch den KI-Hype ausgelöst wurde. Früher dachte ich meist bloss an meine eigene Zukunft, heute an die Auswirkungen oder Möglichkeiten, die der technologische Fortschritt für unsere Gesellschaft bringen könnte. Wie etwa mehr persönliche Freiheit und weniger Bullshit-Jobs.
Daniela Minneboo: Im Buch «The Second Machine Age» von Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee werden solche Themen behandelt. Der Mehrwert, den die Maschinen generieren, kann solidarisch geteilt werden, um die Arbeitslast zu verringern. Allerdings zeigt die Geschichte, dass dies oft nicht passiert, auch wenn wir heute im Vergleich zu gewissen (aber nicht allen) Epochen weniger arbeiten.
Michel: Ich frage mich oft, ob KI wirklich die disruptive Technologie ist, als die sie oft dargestellt wird. Reicht es dieses Mal aus, um den Kapitalismus zu stürzen, um den Menschen wegzurationalisieren?
Seid ihr denn hoffnungsvolle Menschen?
Daniela: Nicht wirklich, nein (lacht).
Michel: Die Menschheit hat bewiesen, dass sie immer auf eine mirakulöse Art und Weise umdenken kann, wenn sie das Messer am Hals hat. Vielleicht passiert das jetzt wieder, angetrieben durch die Klimakatastrophe und KI.
Daniela: Oder es ist dann doch etwas Unerwartetes, das das Ende bringt. Nicht der Atomkrieg oder die Klimakrise, sondern eine Qualle oder ein Bakterium.
Wie ist Science-Fiction in euer Leben getreten?
Michel: Als ich früher von der Schule nach Hause kam, lief im TV oft «Star Trek: The Next Generation». Darauf habe ich mich immer sehr gefreut und das war der Grundstein.
Daniela: Bei mir war «The Matrix» eine Initialzündung, den habe ich mir als Teenager dreimal pro Woche angeschaut. Die Dramaturgie des Filmes ist genial, die Vermengung des Biologischen und Digitalen funktioniert hervorragend.
Was darf unsere Leserschaft von WE WILL SEE erwarten?
Daniela: Die Anzahl Science-Fiction-Filme ist riesig. Wir wollen einen jährlichen Tag auf die Beine stellen, der sich einem spezifischen Thema widmet. 2025 starten wir mit dem Thema «Technology Beyond Control», welches mit passenden Filmen und Büchern behandelt wird. Da Science-Fiction in der Literatur entstanden ist, war für uns klar, dass wir nicht nur Filme zeigen werden.
Michel: Es darf ein Experiment erwartet werden, das ein holistisches Erlebnis aus Musik, Literatur und Film sein wird. Ebenso werden alle Filme von Expert:innen eingeführt, etwa durch Barbara Ikica, einer Mathematikerin und Machine-Learning Ingenieurin.
WE WILL SEE ist demnach kein einmaliges Event, sondern eine jährliche Reihe?
Michel: Wir arbeiten definitiv auf dieses Ziel hin und haben für die kommenden Jahre bereits viele Ideen und Themen bereit.
Wer ist nebst euch im Team?
Daniela: Stephan Filati als Betreiber des Kino Excelsior und Caroline Dahl, die bei vielen Inhalten und beim Buchclub mitgearbeitet hat, gehören ebenfalls dazu. Hannes ist unser Space-DJ und für Instagram zuständig, Romana Hegi wird den Tag kulinarisch abrunden.
Buch, Musik, Film; in welchen Formen geniesst ihr Science-Fiction am liebsten?
Michel: Bei mir beschränkt es sich grösstenteils auf Serien und Filme, Bücher aus dem Gebiet lese ich eher selten.
Daniela: Ich lese auch Bücher aus dem Genre und werde bei dem Thema auch gerne nerdig. Sehr zu empfehlen sind Klassiker wie die Werke von H.G. Wells, den Strugatzki-Brüdern oder «Die linke Hand der Dunkelheit» von Ursula K. Le Guin. Neuer und super sind zum Beispiel «Die Anomalie» von Hervé Le Tellier oder «Maschinen wie ich» von Ian McEwan.
Hat Science-Fiction in der Schweiz den Stellenwert, den sie verdient?
Daniela: Es ist auf jeden Fall eine Nische. Man darf aber nicht vergessen, dass die Schweiz mit dem Maison d’Ailleurs in Yverdon-les-Bains sogar ein Science-Fiction-Museum vorzuweisen hat.
Michel: Wir waren aber perplex, dass es abgesehen von gewissen Festival-Kategorien wie beim NIFFF kein Festival oder Spezialevent zum Thema gibt. Wir hoffen, dass wir mit unserem Experiment diese Lücke füllen können.
In der Filmauswahl habt ihr auf Blockbuster verzichtet.
Daniela: Bei diesem Thema hätte gerade «The Matrix» perfekt gepasst. Wir wollten aber weniger bekannte, von uns geliebte Werke in die Retrospektive einbauen.
Michel: Zusätzlich sind wir kein klassisches Filmfestival mit Jury und Preisen; die Programmierung funktioniert anders. Wir freuen uns aber sehr, «The Assessment» von Fleur Fortuné als Schweizer Vorpremiere zeigen zu können.
Welches sind eure persönlichen Favoriten aus dem Gebiet der Science-Fiction?
Michel: Ich bin grosser Fan von «Star Trek», seit TNG über «Deep Space Nine» bis zu den heutigen Serien wie «Lower Decks» oder «Strange New Worlds». Bei Filmen stehe ich sehr auf Werke wie «Starship Troopers», «Robocop» oder «The Terminator». Eine grosse Neuentdeckung für mich war in Bezug auf unser Festival «Colossus».
Daniela: Mein Lieblingsfilm ist «Stalker» von Andrei Tarkovsky, grossartig. Dann liebe ich «Total Recall» von Paul Verhoeven und «Metropolis» von Fritz Lang und bin auch von Rainer Werner Fassbinders «Welt am Draht» sehr begeistert.
Besten Dank für das Gespräch, wir freuen uns sehr auf den Tag!