thumbnail

Zehn Jahre Human Rights Film Festival in Zürich

von Michael Bohli • 05.04.2025

Seit zehn Jahren findet das Human Rights Film Festival in Zürich statt und zeigt sich 2025 als wichtiger Bestandteil der Kinolandschaft. Wir waren mit dabei.

Menschenrechte, Grundrechte, Gleichstellung, Demokratie und mehr stehen in der heutigen Weltlage unter Beschuss; auch in der Schweiz. Da ist es nicht nur wichtig, sondern zwingend, dass im Kulturbereich auf die Gefahren hingewiesen wird. Mit dem Human Rights Film Festival Zurich (HRFF) existiert seit zehn Jahren ein Gefäss, das Film, Kino und den Kampf um Gerechtigkeit zusammenbringt.

Das Festival

Für die Jubiläumsausgabe haben sich die Macherinnen des HRFF nicht auf den Lorbeeren ausgeruht, sondern ein waches und forderndes Programm zusammengestellt, das nebst neuen Filmen den Kinobesuch mit Talks, Events und einer Ausstellung gelungen erweiterte.

Gespräche mit Filmemacher:innen und Aktivist:innen nach den Screenings gehörten zu den Fixpunkten, im Popup-Shop von Kein&Aber konnte passende Literatur gekauft und im Dachstock des sogar Theater die Geschichte des Río Atrato in Kolumbien erlebt werden. Der Fluss wurde zu einem Rechtssubjekt, die Ausstellung «Ein Fluss bekommt Recht» erläuterte dies mit Fotos, Texttafeln und Tonaufnahmen.

Die Filme

«First they came for the journalists. We don’t know what happened after that.» Auch hierzulande geraten Medien immer stärker unter Druck von Rechts, mit dem Dokumentarfilm «State Of Silence» (Santiago Maza Stern) wurde Einblick in die Situation Mexikos geboten. Dort werden seit Jahren investigative Journalist:innen ermordet, während die Regierung tatenlos zuschaut. Ein erschütterndes Porträt mutiger Menschen – dazu zählt auch Simon Ali aus Kenia, der den Mord an seinem Vater untersucht. Die sehr schön erzählte und toll gefilmte Dokumentation «Searching For Amani» (Nicole Gormley, Debra Aroko) bringt das Thema mit Klimawandel und sozialer Ungerechtigkeit zusammen.

Die Auswirkungen des Klimawandels waren beim hybriden Film «The Wolves Always Come At Night» (Gabrielle Brady) zentral, zeigt der Film den schwierigen Alltag, den mongolische Hirtenfamilien zu bewältigen haben. Ein sensibles, poetisches Wirken, das perfekt zu «City Of Wind» (Lkhagvadulam Purev-Ochir, 2023) passt. Hypnotisch ruhig und sperrig war «Intercepted», bot Oksana Karpovych in der Dokumentation ungewohnte Bilder aus dem Ukrainekrieg unterlegt mit Telefonaten russischer Soldaten. Hass und Leid, zusammen neben Ruinen und Wracks.

In einem zunächst komplett weissen Raum konfrontiert eine Tochter (Eleonora Camizzi) ihren Vater, der vor 30 Jahren mit paranoider Schizophrenie diagnostiziert wurde und sich offenbar nie richtig öffnen konnte – und reflektiert sich dabei auch selbst. «Bilder im Kopf» nehmen den Raum ein und bringen ein berührendes Debüt auf die Leinwand. Auch aus der Schweiz der Beitrag «Immortals» von Maja Tschumi, welche das Leben von Milo und Khalili aus Bagdad porträtierte. Leider war der Film trotz interessanten Inhalten unausgeglichen und besonders den nachgedrehten Szenen fehlte es an Gewicht.

Gelungener «Preparations for a Miracle» (Tobias Nölle), in dem ein Androide aus der Zukunft in Lützerath landet. Staunend bis verständnislos blickt er auf Maschinen, Proteste und Polizei – wunderbare, ruhige Aufnahmen stehen in krassem Kontrast zur fortschreitenden Zerstörung.

Heute schon etwas bei Amazon bestellt? Hoffentlich nicht. «Union» (Brett Story, Stephen Maing) dokumentiert den mühseligen Aufbau einer Amazon-Gewerkschaft auf Staten Island während der Corona-Pandemie. Schade ist, dass interne Konflikte und Probleme nur am Rande gestreift werden – vorhanden waren bzw. sind sie nämlich durchaus.

«Undercover – Exposing the Far Right» (Havana Marking) begleitet die britische Organisation Hope Not Hate, die Strategien, Mechanismen und zentrale Akteure rechtsradikaler Gruppierungen aufdeckt. Die aktuelle Undercover-Recherche führt sie unter anderem in die Abgründe von Eugenik-Träumen. Ein mutiger und erschütternder Film.

Umso lyrischer und fliessender war der Abschluss mit ​​«Name Me Lawand» von Edward Lovelace. Die emotionale und ergreifende Annäherung an den tauben und isolierten Migranten Lawand war dank grossartigem Schnitt und vielschichtiger Tonspur extrem immersiv und voller Hoffnung.

Die Erinnerung

Obwohl wir nicht alle zehn Ausgaben erlebt haben, sind doch einige Erfahrungen aus unseren Besuchen am HRFF hängengeblieben. 2020 war die Pandemie am wüten, wir sahen im Kino den erschütternden Film «The Cave» über den Krieg in Syrien und den skandalträchtigen «Lovemobil», der sich trotz Doku-Label nachträglich als Inszenierung herausstellte.

Die wohl absurdeste Reise gab es 2021 zu sehen, als ein Jahrhunderte alter Baum ausgehoben und unter technischem Höchsteinsatz nach Georgien verschifft wurde – um dort die Sammlung eines reichen Ex-Premiers zu erweitern. Der Film hat sich nicht nur als Plakatmotiv im Gehirn eingebrannt.

2022 schafften wir immerhin drei Besuchstage inklusive Filme wie «Alis» und «Je Suis Noires», bevor der KOSMOS während des Festivals Konkurs ging und seine Türen schloss. 2023 ging es also für einen Human Rights Day zurück ins RiffRaff, und am HRFF 2024 waren wir mit Phosphor zum ersten Mal «richtig» dabei. Wir hoffen auf viele weitere Ausgaben.

Was wir nach all diesen Jahren und Erfahrungen bestätigen können: Das Festival formt über Zeit die Empathie, Gedanken und Sichtweise für mehr Verständnis. Ja, Filme können der Welt helfen. Darum existiert das Human Rights Film Festival.

Human Rights Film Festival Zurich 2025

Ort:
Riffraff, Zürich

Datum:
27.03. bis 02.04.2025

Website:
humanrightsfilmfestival.ch

bild