von Michael Bohli • 24.04.2023
So etwas hat das Aargauer Kunsthaus noch selten erlebt. Eine Ausstellung voller Lärm, Experimente, Krawall und dreckig zusammengebauten Objekten. «Vitamin» von Augustin Rebetez ist weit von den säuberlich überlegten Werken entfernt, die sonst meist in Museumsräumen zu sehen sind.
An die Schau heranschleichen geht nicht, die namensgebende Videoarbeit reisst sofort alle Aufmerksamkeit an sich und spricht die Besucher:innen laut und direkt an. Plakative Aussagen zum Leben und dessen Sinngebung prasseln bunt und gross geschrieben in den Raum, wie ein Songtext ohne Musik wird unsere Vorstellung vom Dasein demontiert. Als ob Alex Hannimann seine Textarbeiten von der depressiven Rock-Band Xiu Xiu hätte interpretieren lassen.
Berauscht tastet man sich weiter durch das Universum von Augustin Rebetez, ohne wirklich auf die weiteren Räume und Themen vorbereitet zu sein. Nicht immer ist es einfach, den roten Faden zwischen krud zusammengebauten Klangmaschinen, unsauberen Photoshoparbeiten und kreativen Explosionen in Videos zu finden. Die kreative Energie des 1986 geborenen Künstlers aus dem Jura scheint unzähmbar, seine Neigung zum übermässigen Sammeln spricht aus den Arbeiten.
Alltagsgegenstände, Holz und Farbe, grossflächige Drucke und viel Klebeband: Für «Vitamin» sind die Ideen wichtig, nicht die Perfektion in der Form und Hängung. Zwar sind in Aarau viele flächigen Elemente erstaunlich glatt und sauber, spätestens aber in der düster-wilden Video-Installation «Throw Your Shadows» prallen das Feuer und das Chaos aufeinander. In Shenzhen erstellt und zum ersten Mal in der Schweiz zu sehen: Black Metal im Aargauer Kunsthaus, flackernde Lichter und verrenkte Körper – der Abgrund wird gross und verschlingt alle Anwesenden.
Bei «Vitamin» beherrscht aber nicht nur die Überforderung das Museum, viele Arbeiten lassen Ruhen und Sinnieren. Besonders die kollaborativen Serien mit Frauenkooperativen aus Marokko und der Glockengiesserei Rüetschi AG zeigen das Leben von nachdenklicher Perspektive, die Vögel als zentrales Motiv. Ob Teppiche, Lichtkästen oder Collagen, Augustin Rebetez geht Wechselwirkungen und Tauschgeschäfte ein.
Die Kumulation all dieser Aspekte findet man an unterschiedlichen Stellen, bestes Beispiel ist aber der hyperaktive Film «Liquid Panic» von 2018. Hier prallen die chaotische DIY-Attitüde, die intertextuellen Referenzen und die unendliche Energie von Rebetez aufeinander. Was entsteht ist ein grosser Spass, der überrascht, mitreisst und dem Leben frischen Wind verleiht. Eine Eigenschaft, die der gesamten Schau zuzusprechen ist.
Die Ausstellung «Vitamin» ist bis am 29. Mai 2023 im Aargauer Kunsthaus zu sehen.
Kuratiert von Katharina Ammann, Assistenz Bassma El Adisey.
Augustin Rebetez: Vitamin
Ort:
Aargauer Kunsthaus Aarau
Datum:
18.02. bis 29.05.2023
Website:
aargauerkunsthaus.ch