von Michael Bohli • 02.05.2023
Passieren muss es nicht, wünschenswert ist es aus meiner Perspektive. Das Verständnis zu Kunst hat immer mit emotionaler Anbindung zu tun; mit dem einen Moment, in dem ein Werk, eine Farbe, ein Zustand den persönlichen Widerstand durchbricht und das Schaffen ins Innere gelangt. Bei der Ausstellung «Serious Moonlight» der Künstlerin Betye Saar geschah diese Verdichtung im dritten Raum.
Das Schaffen der Amerikanerin, geboren 1926 in Los Angeles, ist stark mit Empfindungen und Gefühlen verwoben. Zum ersten Mal sind ihre Installationen und Bilder in der Schweiz als Einzelausstellung zu betrachten, das Kunsthaus Luzern hat der Frau eine umfassende Präsentation gewidmet. In neun Räumen werden die magisch aufgeladenen Arbeiten aus unterschiedlichen Materialen gezeigt – von gehängten Malereien, gerahmten Drucken bis hin zu raumfüllenden Zusammenstellungen, Betye Saar hat sich nie auf eine Disziplin beschränkt.
Glücklicherweise, denn ihre persönliche, kollektive und wichtige Auseinandersetzung mit Mythologie, Sklaverei, Unterdrückung und technologischem Fortschritt sind zu grosse thematische Felder, dass all die Eindrücke und Aussagen auf Leinwänden Platz finden würden. Geschickt und furchtlos kombiniert Betye Saar Gewohnheiten mit exotisch wirkenden Elementen, übernatürlichen Kräften und Leidensgeschichten. Wie der Ausstellungstitel es ankündigt, liegen verzaubernde und tragische Szenen nebeneinander.
Die Welt der Toten schleicht sich in unsere Wahrnehmung: die Installation «Mojotech» bringt der Technik die magischen Aspekte zurück, die grössere Arbeit «The Trickster» ist Wiederverwertung und Spiritualität. Wunderbar ausgeleuchtet und vereinnahmend, die Schatten immer präsent. Ob mit der vielfach verwendeten Grafik der Sklaventransporte des Schiffs «Brookes» oder mit unbehaglichen Motiven, die das Leiden und die Trauer hervorheben. Die Besucher:innen werden aufgefordert, sich mit den präsentierten Inhalten und Hintergründen auseinanderzusetzen.
Das eingangs erwähnte «Gliding into Midnight» (2019) schwebt in der Luft, ein mit Steinen gefülltes Boot, aus dem Hände in den Himmel ragen. Die Toten der Vergangenheit dringen in den Raum, Betye Saar macht damalige Taten sichtbar und zeigt die Fäden auf, welche ins Heute führen. Durch die Präsentation und Belichtung wird das Motiv verstärkt, das Werk wirkt kraftvoll und beeindruckend. Ein Highlight in dieser durchweg sehr gelungenen und überzeugenden Ausstellung.
Wer sich durch die dunklen Momente gewagt hat, landet am Ende in der «Oase». Der neunte Raum wirkt im Kunsthaus Luzern wie eine Quelle der Ruhe. Glaskugeln liegen in der Sandlandschaft, die helle Umgebung lässt frei atmen. Gemeinsam mit Betye Saar hat man das im Kollektiv erlebte Schicksal zu fassen gekriegt und tritt verändert aus dem Museum.
Die Ausstellung «Serious Moonlight» ist noch bis am 18. Juni 2023 im Kunstmuseum Luzern zu sehen.
Kuratiert von Fanni Fetzer, Stephanie Seidel, ICA Miami.
Betye Saar: Serious Moonlight
Ort:
Kunstmuseum Luzern
Datum:
25.02. bis 18.03.2023
Website:
kunstmuseumluzern.ch