Chiharu Shiota: Eye to Eye

Direkt in die Augen schaut man «Eye To Eye» nicht. Die raumfüllende und für das Museum Haus Konstruktiv entwickelte Installation von Chiharu Shiota zaubert mit Fäden und alten Brillen eine intensive Wirkung herbei; kurz nach dem Betreten des Raums fühlt man sich wie in einer anderen Welt. Unter Wasser vielleicht? Die Lichtreflektionen auf den Gläsern könnten Luftblasen sein. Oder doch schwebend über dem Boden?

Je länger man sich Gedanken zum Werk macht, desto stärker wirkt die Vergangenheit. Hinter jeder aufgehängten Fassung steckt die Geschichte eines Menschen, eines Lebens. Glück, Trauer, Wut – nur wenige Spuren auf dem Material zeugen davon. Die Emotionen hängen im Raum, durchdringen das Bewusstsein und ehe man sich versieht, ist «Eye To Eye» eine nachdenkliche Arbeit über Vergänglichkeit und den kollektiven Schmerz.

Die feinen, unsichtbaren Verbindungen des Lebens stehen im Zentrum von Chiharu Shiotas Schaffen. Auf ihren Zeichnungen werden Darstellungen von kleinen Menschenfiguren von Farbflächen überragt, dünne Fäden als einziger Halt. In den Glaskästen drapierte Gegenstände sind von roten Netzen eingefangen. Hergestellt in geduldiger Arbeit machen diese Fadenarbeiten Kräfte sichtbar, sie uns sonst verborgen bleiben.

Die Künstlerin aus Japan verarbeitet in ihren sorgfältig ausgeführten Arbeiten die eigene Sterblichkeit und Krebserkrankung – poetisch in der Wirkung und universell anknüpfend. Das macht die Ausstellung im Museum Haus Konstruktiv zu einer emotional nachhaltigen Erfahrung. Gleichzeitig vermag es Chiharu Shiota aus Trauer neue Hoffnung zu schöpfen und mit ihrer Kunst das Licht heller scheinen zu lassen.

Die Ausstellung wurde von Sabine Schaschl kuratiert.

Bilder: Stefan Altenburger © 2023, ProLitteris, Zurich