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Daniel Bracher: Ein Atelierbesuch

von Michael Bohli und Liliane Holdener (Fotos) • 01.03.2024

Der regional tätige Künstler Daniel Bracher arbeitet interdisziplinär und fürchtet sich nicht vor Versuchen und Abgründen. Wir haben ihn in seinem Atelier in Aarburg besucht.

Collagen, Objekte, Fotoserien und Projektionen: Der Künstler Daniel Bracher arbeitet mit unterschiedlichen Materialien und Werkzeugen, um seine Visionen Wirklichkeit werden zu lassen. Dazu verwendet er Fundstücke, Bilder und alte Gegenstände von überallher.

In seinem Atelier in Aarburg, direkt an der Aare gelegen, schöpft Bracher Kraft und Inspiration, ordnet die Unruhe und experimentiert mit Projektoren und Scans. Ab dem 16. März 2024 stellt Daniel Bracher zusammen mit Christina Gähler, Susanne Lemberg und Samuel Peyer unter dem Banner «Hier! Jetzt!» im Kunsthaus Zofingen aus.

Wir haben den in Strengelbach geborenen Künstler zwischen Arbeiten, Werkzeugen und Aussicht zu seinem Schaffen befragt und einige Bilder zum Gespräch mitgebracht.

Phosphor: Wann warst du zum letzten Mal in der Aare schwimmen?

Daniel: Im Spätsommer, im Winter ist es mir zu kalt. Bei Wiggereinlauf kann man wunderbar baden, hier bei der Woog (Aarewaage) ist es aber gefährlich.

Ist die Natur allgemein wichtig für dich?

Ja, die Natur ist ein grosser Antrieb für meine Kunst. Eine Reihe meiner Werke nenne ich «Ursuppe», angelehnt an den wissenschaftlichen Versuch, die Grundbedingungen für die Entstehung von Leben zu schaffen.

Privat gehe ich gerne Pilze sammeln im Wald, tauche und suche dabei regelmässig nach angeschwemmtem Material. Im Auengebiet bei Schönenwerd fand ich früher viel Material, das ich für Collagen verwendet habe. In aktuellen Werken sind Stücke alter Tapeten aus Gleina in Deutschland verarbeitet.

Ist es für dich wichtig, dass in den Werken die Materialien erkennbar bleiben?

Nicht unbedingt. Für mich ist es Gebrauchsmaterial, ein Stilmittel, das mit einer Hintergrundgeschichte aber einen Mehrwert bieten kann.

Je nach Lichtstimmung ist es im Atelier bestimmt magisch.

Sehr oft poste ich auf Instagram kleine Skizzen in Form von Videos und Fotos, bei denen ich  mit Licht spiele, die Linse des Smartphones überklebe oder mit einer Fischerrute Gegenstände ins Licht hänge. Diese Ideen möchte ich später als vollwertige Arbeiten mit passender Qualität umsetzen.

 

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Wie darf man sich deinen Alltag im Atelier vorstellen?

Wie ein Beruf: Hinkommen, arbeiten, nach Hause gehen. Aber die Zeit hier geniesse ich sehr, besonders im Sommer ist die abendliche Stimmung mit dem Licht wunderschön. Der Alltag ist aber diszipliniert. Manchmal übernachte ich auch hier, wenn ich vertieft in meine Arbeit bin.

Ich habe eine kleine Werkecke, in der ich notwendige Werkzeuge habe, diverse Arbeitstische und vielfältige Möglichkeiten. Nur die digitale Bildbearbeitung erledige ich in meiner Wohnung.

Wie sieht es in deinem Atelier in Berlin aus?

Da ich die Atelierwohnung mit anderen Personen teile, sind meine Arbeiten und Materialien in meiner Abwesenheit verstaut. Ich halte mich aber regelmässig dort auf, meist für mehrere Tage. Interessanterweise fühle ich mich dort anonymer und freier als hier, da ich ausser für Museumsbesuche und Essen das Atelier selten verlasse und den Alltag nicht so spüre. Dafür verschiebt sich mein Arbeitsrhythmus in die Nachtstunden.

Kommen wir zu unseren mitgebrachten Bildern.
[Wir legen Daniel die Fotos von Roman Sonderegger und Judith Nussbaumer hin.]

Ich verehre ihre Arbeit und habe mit beiden im Leben zu tun. Mit Roman Sonderegger arbeite ich im Kunsthaus Zofingen im technischen Dienst, mit Judith Nussbaumer hatte ich letztes Jahr in Olten eine gemeinsame Ausstellung.

Beschäftigst du dich mit der Schweizer Kunstszene?

Berufshalber, da ich im Aargauer Kunsthaus und Kunstmuseum Zofingen arbeite, Ausstellungen aufbaue und viele Personen an den Veranstaltungen kennenlerne. Generell ist die Zeit im Kunsthaus für mich wie ein Nachstudium – die Depots der Sammlung sind beeindruckend und inspirierend.

Solche Begegnungen und Momente üben einen starken Reiz aus, eigene Werke umzusetzen. Ich finde aber auch die umgekehrte Vorstellung reizvoll: Was könnte entstehen, wenn man noch nie ein Bild gesehen hat, also komplett unvoreingenommen ist?

Erreichst du das, wenn du mit Schüler:innen arbeitest?

Meine schönste Erfahrung bei «Kultur macht Schule» war die Zusammenarbeit mit Kindergartenkindern, da sie mit Mut vorgehen und nie daran denken, dass etwas nicht genügen könnte. Selbstzweifel fehlen ihnen, nicht so wie bei uns Erwachsenen. Auch ich tue mich schwer, wenn mir jemand bei der Arbeit zuschaut.

[Die nächsten Bilder zeigen Simon Berz und Omni Selassi.]

Der Auftritt von Omni Selassi im OXIL bei «LUX – 5 Jahre Kunstadapter» war für mich ein Highlight des Festivals. Simon Berz kenne ich leider noch nicht persönlich, finde seine Arbeiten aber grossartig und grenzüberschreitend mutig. Ich bin sehr auf seine Performance an der Vernissage von «Hier und jetzt» gespannt.

Allgemein höre ich sehr viel Musik, auch im Atelier während der Arbeit. Jazz, beruhigender Electro und ultraböser Metal, alles ist dabei. Ebenso ist mir meine Musiksammlung sehr wichtig.

[Das Foto der Zofi Brocki passt zu der Aussage.]

Die Quelle meiner Findungen (lacht). In diesen Räumen finde ich viel Material für meine Werke, und auch bei den Schallplatten suche ich immer nach spannenden Scheiben.

Sind dir die Geschichten hinter den Objekten wichtig?

In Brockenstuben ist das meist anonym, für mich spielen Haptik und Optik eine wichtige Rolle. Knochen und Geweihe beispielsweise kaufe ich immer. Das ekelt mich nicht.

[Das nächste Bild zeigt getrocknete Blumen.]

Von der Form her ähnelt dies meinen Arbeiten, ich zeige aber zusätzlich Innereien (lacht). Bei meinen Arbeiten existieren Schönheit und die Abgründe zusammen, auch wenn viele Werke auf den ersten Blick bunt wirken.

Was mich stark fasziniert, sind die Details, der Mikrokosmos der Natur. Bei meinen Scans entdecke ich viele Feinheiten selbst erst, wenn diese als Grossdrucke im Atelier sind.

[Der Niklaus-Thut-Brunnen ist das letzte Bild.]

Den habe ich bereits einmal karikiert – beim Projekt der Neoscope 2018 in Zofingen (lacht). Im Zuge dessen habe ich mich über die Figur und Person informiert und so, wie er auf dem Brunnen dargestellt wurde, sah er nicht aus. Er war wahrscheinlich Alchemist, Bierbrauer und stammte aus Sursee. Bei einem Zofinger Stadtbrand gingen alle Unterlagen über Thut verloren.

Interessanterweise erinnert mich diese Darstellung an Ikonen, die beispielsweise wie bei Jesus alle eine ähnliche Richtung vorgeben. Zu diesem Thema habe ich diverse Ideen für Arbeiten.

Was bedeutet Zofingen für dich?

Ich bin gerne vor Ort im schönen Städtchen, nur ist leider selten viel los und man klammert sich stark ans Alte. In der Gegend fühle ich mich aber verwurzelt.

Ist die Zukunft ein wichtiges Stichwort für dich?

Ja, wichtiger als die Vergangenheit. Ich versuche stärker in der Zukunft zu leben als im Vergangenen. Es muss Neues entstehen, so sind auch bei Ausstellungen praktisch alle meine Arbeiten jeweils neue Werke.

Was darf man von dir in Zukunft erwarten?

Einiges. Ich habe ganze Kisten voller Ideen und Notizen, die ich regelmässig anschaue und weiterentwickle. Wichtig ist mir das Experiment, ich versuche mich gerne an Neuem und mische Techniken. Ebenso habe ich ganz viele Träume von Projekten, die ich gerne umsetzen möchte, wie eine Ausstellung im Aargauer Kunsthaus.


Daniel Bracher empfiehlt:

Kunstraum Aarau: Seit 1990 von einem Verein geführter Ausstellungsraum.

Über Daniel Bracher:

Der 1971 geborene Künstler lebt und arbeitet in Vordemwald, Aarburg und Berlin. Seine Werke bestehen aus Skulpturen, Objekte, Fotograrien, Collagen und mehr.

Aktuell:
16.03. bis 26.05.2024 • «Hier! Jetzt!» im Kunsthaus Zofingen
03.04. bis 25.05.2024 • Residenz mit Petra Njezic an der Schule Uerkheim

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