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Ein bisschen Art Basel

von Michael Bohli • 19.06.2023

Abseits des Art-Basel-Chaos voller Geld, Macht und Überforderung gab es in der Weltkunststadt viel Schönes und Tiefreichendes zu entdecken. Wir waren einen Nachmittag unterwegs.

Bereits am Centralplatz war klar: Von einem Besuch des Messeareals wird abgeraten. Zu viel, zu gross, zu überbevölkert. Glücklicherweise bedeutet Art Basel aber nicht bloss eine Feier des überteuerten Marktes, sondern diverse zusätzliche Veranstaltungen in der Stadt und ein allgemein erhöhtes Bewusstsein für Kunst.

Gründe, an diesem sonnigen Samstag nach Basel zu reisen gab es genug, zwei davon waren tonangebend. Denn während der Art Basel findet in der Kaserne jährlich die I Never Read Art Book Fair statt. Die Halle wird von unabhängigen Verlagen und Publizist:innen in Beschlag genommen und man darf sich verträumt durch wunderschöne Hefte und Bücher blättern.

Wie etwa an der Volumes in Zürich geriet man sehr schnell in Versuchung, von jedem Verkaufsstand ein Druckerzeugnis nach Hause zu nehmen. Schade bloss, war es wie immer viel zu heiss und erfolgte die Präsentation der Ware in Regalen und nicht mehr auf Tischen. Das half der Übersicht nicht.

Unübersehbar thronte über dem Marktplatz die neue Installation von Claudia Comte an den Baugerüsten des Globus-Gebäudes. Die Intervention während der Sanierung bringt beruhigende Farben und Formen ins Getümmel, Wellen und ein Sonnenuntergang lassen innehalten. Nicht alle, denn die meisten Passant:innen realisierten wohl nicht, dass es hier wunderbare, öffentliche Kunst zu erleben gibt.

Endspurt hiess es, wer das Werk einer Legende aus der Nähe sehen wollte. Im Cartoonmuseum endete am Wochenende die Ausstellung «Will Eisner – Graphic Novel Godfather» und zeugte vom Genie des Autors aus den USA. Nicht nur schuf er mit The Spirit eine der berühmtesten Figuren der Comic-Geschichte, er erfand im Alleingang die Form der Graphic Novel.

In Basel gab es viele Originalzeichnungen zu bestaunen, unterteilt in das thematische Schaffen des 2005 verstorbenen Meisters. Armeearbeiten, Zeitungsseiten, Buchprojekte: Nicht nur als Geschichtenerzähler und Illustrator war Will Eisner ein Genie, auch im Bereich des Lettering setzte er Massstäbe.

Als Kontrast fand in den Räumlichkeiten des Museums die Präsentation des Hécatombe Collectives aus Genf statt. 2004 von fünf Kunstschaffenden gegründet, steht die Gruppe für experimentierfreudiges und eigenständiges Schaffen. Plakate, Comics, Illustrationen, Fanzines und Kunst finden zusammen; Aude Barrio erschuf zusammen mit NuR als «Cute Boy Slave» gar eine faszinierende Melange aus Live-Zeichnungen und Ambient-Sounds.

Besinnlicher, aber nicht weniger tiefschürfend ist das Werk von Andrea Büttner. Die Künstlerin aus Stuttgart beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Grundlagen wie Arbeit, Wertschätzung und Spiritualität. Die Ausstellung «Der Kern der Verhältnisse» im Kunstmuseum Basel zeigt Werke unterschiedlicher Machart: Videoinstallationen, betörende Holzschnitte, collagierte Forschungen und wandfüllende Malereien.

Büttners Arbeiten sind nicht bloss als Konsumgut gedacht, sondern dienen als Einstieg in grössere Diskussionen und als Anstoss für Auseinandersetzungen. Während der sakrale Gesang von «What Is So Terrible About Craft? / Die Produkte der menschlichen Hand» den Raum füllte, wurden Betrachtungsweisen, Urteile und Moral herausgefordert. Ein guter Kontrast zum Wirbelsturm in der Messe.


Hinweis: Im Cartoonmuseum startet am 1. Juli 2023 die neue Ausstellung «Chris Ware – Paper Life». Grosse Empfehlung!

I Never Read – Art Book Fair

Ort:
Kaserne, Basel

Datum:
14. bis 17. Juni 2023

Website:
ineverread.com

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