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Eusi Sicht – Ein Vorgespräch

von Michael Bohli • 01.04.2025

Zum zweiten Mal laden junge Fotograf:innen mit einer Ausstellung im Hangar dazu ein, frische Perspektiven einzunehmen. Wir haben vorab mit den Initianten des Projekts gesprochen.

Als Noah Aecherli und Dan Schilter 2024 innerhalb weniger Wochen aus einem Einfall die Fotoausstellung «Eusi Auge» mit Freund:innen auf die Beine gestellt hatten, waren sie vom grossen Echo überrascht. Grund genug, auch dieses Jahr wieder in den Hangar beim OXIL zu laden und Bilder unterschiedlicher Menschen zu zeigen.

Unter dem Namen «Eusi Sicht» zeigen sechs junge Fotograf:innen ihre Kunst, die Ausstellung ist am 5. und 6. April öffentlich zugänglich. Wir haben uns mit den Initianten zum Gespräch getroffen und wollten wissen, wie sie die Welt sehen und was Fotografie für sie bedeutet.

2025 dabei: NajeebKristinaRobinChristaNoahDan

Phosphor: Welches ist eure erste bildliche Erinnerung?

Noah Aecherli: Ich glaube, das ist im Auto meiner Eltern. Wir sind nach Frankreich gefahren, ich war vier oder fünf Jahre alt.

Dan Schilter: Bei mir ist es im Garten auf der Schaukel, mit meinem Dad und meinem Bruder.

Denkt ihr allgemein eher in Bildern?

Noah: Ich denke schon – auch vom Lerntyp her.

Dan: Auch ich mache sehr viel visuell. Wenn ich beispielsweise in der Schule etwas erkläre – ich arbeite momentan als Lehrer –, geht das viel einfacher, wenn ich es kurz aufzeichne.

Seit wann fotografiert ihr? Ist das etwas, das ihr schon von klein auf macht?

Dan: Meine erste Kamera hatte ich mit zehn oder elf Jahren, eine einfache Digitalkamera. Dann habe ich länger nicht mehr fotografiert, bis ich von meinem Grossvater eine analoge Nikon geerbt habe. Mit dieser bin ich nach Amsterdam gegangen, und da hat es mich gepackt.

Noah: Bei mir war es ähnlich, ich habe mit einer kleinen Digitalkamera gestartet. Mein Vater hat früher viel im Wald fotografiert. Wurzeln, in denen er Dinge erkannt hat – ich hatte also schon früh kreativen Input (lacht). Auch ich habe dann wieder aufgehört, bis ich vom damaligen Freund meiner Mutter, einem Fotografen, eine Spiegelreflexkamera bekommen habe. Das war vor etwa zehn Jahren.

Dan: Ich kann mich gut erinnern. Wir kennen uns schon seit Ewigkeiten, und Noah war immer der, der uns mit dem Bildermachen gestresst hat. Jetzt sind wir das beide (lacht). Aber Noah war früh im Foto-Game.

Noah: Aber erst jetzt habe ich wirklich ein Auge dafür.

Dan, du fotografierst analog. Hast du deine Filme und Fotos auch schon selbst entwickelt?

Dan: Ja, zweimal. Ein Horrorszenario, auf den Fotos war fast nichts zu erkennen. Meistens lasse ich sie daher professionell entwickeln. Ich möchte nochmals einen Anlauf nehmen und suche momentan einen Ort, an dem ich eine Dunkelkammer einrichten kann. Dieses Jahr habe ich pro Woche einen Film gefüllt, das geht langsam ins Geld … Ein gewisses Risiko ist dabei, solange man noch nicht geübt ist.

Habt ihr das Gefühl, dass sich eure Sicht auf die Welt oder den Alltag verändert hat, seitdem ihr wieder intensiver fotografiert?

Noah: Auf den Alltag bestimmt. Ich sehe oft in normalen Situationen wie auf dem Arbeitsweg Motive und denke, dass ich jetzt die Kamera hätte mitnehmen sollen. Man achtet mehr auf kleine Dinge wie interessante Farbkombinationen.

Dan: Mir geht es gleich. Ich renne morgens auf den Zug, sehe, wie die Sonne über der Stadt aufgeht und bereue, die Kamera nicht dabeizuhaben. Es sind diese kleinen Alltagsmomente, die ich einfangen will. Der Name unserer Ausstellung spiegelt das auch wieder: So sehen wir die Welt.

Ihr gehört also nicht zu den Menschen, die das Handy zücken, wenn sie die Kamera nicht dabeihaben.

Noah: Sehr selten.

Dan: Das hat einfach einen anderen Vibe. Es ist ein spezielles Gefühl, mit einer Kamera zu fotografieren und – im Analogen – auf die Fotos zu warten. Auf dem Handy habe ich zehntausend Bilder, und niemals jedes davon angeschaut.

Dann ist sehr ausgewogen zwischen Analog und Digital, wenn man euch beide zusammen am Tisch hat.

Dan: Ja, wir diskutieren oft über die Vor- und Nachteile. Manchmal will mich Noah davon überzeugen, digital zu fotografieren – aus finanziellen Gründen. Aber ich finde den Prozess des Analogen zwanzigmal geiler als das Digitale.

Noah: Es ist cool, dass du hartnäckig bleibst (lacht). Das macht es authentisch.

Dan: Analog fotografieren entschleunigt.

Noah: Definitiv. Wir hatten mal ein Covershooting. Am Ende des Abends dachte ich, dass wir etwa 300 bis 400 Fotos gemacht hatten; es waren 900! An die Hälfte davon konnte ich mich nicht einmal mehr erinnern. Das passiert im Analogen nicht, dort muss man bedacht vorgehen.

 

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Was zeigt die Ausstellung «Eusi Sicht»?

Noah: Unsere Sicht (lacht). Zum einen die Sicht im Alltag, die Dan bereits angesprochen hat. Zum anderen die Sicht auf die Fotografie als Kunstform. Es geht nicht nur um das Foto an sich, sondern um den Prozess dahinter.

Dan: Bei dieser Ausstellung kennen wir uns untereinander nicht so gut wie beim letzten Mal. Es ist spannend, wie unterschiedlich die Bilder sind, sich aber trotzdem zu einem Ganzen zusammenfügen. Ich bin extrem gespannt, wie es an der Ausstellung wirken wird. Und ehrlich gesagt auch ein bisschen nervös. Aber das ist eine gute Erfahrung.

Die letzte Ausstellung habt ihr im engeren Freundeskreis auf die Beine gestellt. Wie habt ihr die Fotograf:innen dieses Mal ausgewählt?

Dan: Auch bei dieser Ausstellung sind Künstler:innen aus unserem Bekanntenkreis dabei, zwei haben wir über Instagram gefunden.

Noah: So fassen wir auch die Region etwas weiter, von Bern bis Zürich. Mit Zofingen in der Mitte.

Gibt es etwas, das ihr im Vergleich zur ersten Ausstellung komplett anders machen werdet?

Dan: Organisatorisch bestimmt. Die erste Ausstellung hatten wir innerhalb von zwei Monaten auf die Beine gestellt und einfach mal geschaut, was passiert. Dieses Mal haben wir uns mehr Zeit für das Konzept und die Kommunikation genommen, wir wissen, wie die Licht- und Soundverhältnisse im Hangar sind.

Noah: Am ersten Abend nach der ersten Ausstellung sind wir bereits zusammengekommen und haben besprochen, was wir beim nächsten Mal alles besser machen (lacht). Aber eigentlich war sie sehr gut. Das Potenzial und die Motivation sind riesig.

Dan: Es ist auch geil, etwas zur Kultur in Zofingen beitragen zu können.

Die Ausstellung findet wiederum im Hangar beim OXIL statt. Was reizt euch an diesem Ort?

Noah: Die industrielle Umgebung, die im Kontrast zur schönen Altstadt steht. Es ist speziell, dass man den Hangar betritt und sich sofort absorbiert und ungestört fühlt.

Dan: Für mich ist auch Barrierefreiheit ein wichtiges Thema. Es soll für alle möglich sein, die Ausstellung zu besuchen – das ist hier gegeben. Und ich mag das Individuelle, etwas «Abgefuckte».

 

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Die erste Ausstellung habt ihr innerhalb kürzester Zeit selbst organisiert. Was war die Initialzündung?

Dan: Ich habe mit meinem Bruder beim Hangar einen Bus angemalt und fand den Ort interessant. Eine Fotoausstellung wollte ich schon länger machen. Da habe ich zu Noah gesagt: Lass uns hier etwas machen. Wir haben uns nie darüber unterhalten, was dagegen sprechen könnte. Wir sind jung und haben Bock.

Denkt ihr, dass Zofingen ein guter Ort für junge, kreative Leute ist?

Noah: Ja und nein (lacht). Zofingen ist eine tolle Stadt mit einer guten Infrastruktur. Aber es dürfte mehr los sein. Das meiste konzentriert sich auf die Sommermonate mit dem Heitere Open Air und dem Kinderfest, ansonsten ist es sehr ruhig. Das ist schade.

Dan: Zofingen ist abends nach 22 Uhr ausgestorben, selbst am Wochenende. Dabei gäbe es so viele Dinge, die man machen könnte. Das Bewusstsein, dass auch die Jugend einen Ort für sich braucht, ist nicht sehr ausgeprägt.

Was kann getan werden, um Kreativität zu fördern?

Noah: Freiräume bieten. Das OXIL ist ein super Platz, genauso das TENN. Orte bieten, an denen Leute sich ausprobieren und scheitern können.


Dan und Noah haben diverse Kulturtipps für euch bereit:

Die Musiker Che$ter, Reevah und DJ Garnelo, das Tanzprojekt Tell A Story von Lea Nardon und Mara Peyer und die regelmässigen Aktivitäten von W-OG beleben Zofingen.

In Brugg entsteht im August das kollaborative Kunstprojekt «WOHIN», jetzt schon vormerken.

Eusi Sicht

Ort:
Hangar, Zofingen

Datum:
05.+06.04.2025

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