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Magdalena Suter: Ateliergespräch

von Michael Bohli • 24.04.2023

Starke Ambivalenz, ein herausfordernder Entstehungsprozess und viel Intuition: Die Gemälde von Magdalena Suter wirken frisch, neuartig und eigensinnig. Wir haben mit der Künstlerin über den Prozess und ihre Werke gesprochen.

Wie gelangt der Betrachter zur Kunst? Im Falle von Magdalena Suter half uns die Buchhandlung Leserei auf die Sprünge – mit einem im Schaufenster ausgestellten Bild und einem weiteren, prominent im Verkaufsraum präsentieren Werk. Ausdrucksstark und kontrastreich sind die Gemälde der in Zofingen wohnhaften Künstlerin. Wir haben sie Anfang April in ihrem Atelier in Olten besucht.

Phosphor: Wie ist die Stimmung an deiner Atelierausstellung?

Magdalena Suter: Sehr gut. Am ersten Abend war es schön, gemütlich und aufregend. Ich versuchte auch Menschen anzulocken, die mich und meine Arbeit noch nicht kennen. Ich bin gespannt, was noch kommt. Bisher war es eine schöne Mischung aus Freunden und neugierigen Bekannten.

Du kommst aus Graubünden – jetzt lebst du im Mittelland. War dieser Regionswechsel intensiv?

Ich hatte grosse Lust, nach Zürich zu ziehen. Eine Anzeige für eine Familien-WG in Zofingen liess mich vor drei Jahren aber umdenken, und ich entschied mich gegen die ursprüngliche Idee.

Einen expliziten Einfluss auf meine Arbeit hat mein Wohnort nicht, eher der gesamte Prozess inklusive Wohnungswechsel. Das Unterland hat auf mich immer eine befreiende Wirkung, auch in Bezug auf mein kreatives Schaffen. Da ich 2020 nach Zofingen kam und mich auch nach der Pandemie nicht aktiv ins kulturelle Leben eingebracht habe, spüre ich den Austausch mit der Region oder deren Einfluss noch nicht sehr stark.

Deine bisherigen Ausstellungen fanden vielfach in Kulturbetrieben statt.

Oft war ich Teil von Gruppen- oder Atelierausstellungen, die ein alternatives Publikum angezogen haben. Die jetzige Atelierausstellung ist meine erste Soloausstellung. Ich finde den Gedanken sehr spannend, ein zunehmend bunteres und breiteres Publikum neugierig auf meine Arbeiten zu machen. Auf diesem Weg ist jeder Austausch und jede Begegnung sehr wertvoll für mich.

Da figurative Malerei oft nahbarer wirkt als abstrakte Malerei oder Installationen mit starken konzeptionellen Kontexten, erreiche ich auch Personen, die sich nicht aktiv mit Kunst auseinandersetzen, was immer besonders spannende Gespräche ergibt.

Meine Ansprüche an ein Bild faszinieren und erschöpfen mich gleichermassen.

Die Gesichter in deinen Gemälden sind sehr detailliert, die Umgebung hingegen abstrahiert.

Meine Bilder entstehen intuitiv und ohne konzeptionelle Grundlage. Die Entstehung ist sehr von meiner Faszination für reduzierte und glatte Flächen beherrscht, grafisch in der Wirkung und begleitet von der Idee, den Strich unerkennbar zu machen. Die Räumlichkeit entsteht nur noch durch die unterschiedliche Färbung der Flächen. Die Umsetzung ist oft sehr anstrengend. Meine Ansprüche an das Bild faszinieren und erschöpfen mich jedoch gleichermassen.

Viele Entscheide passieren bei mir im Prozess, etwa die Farbwahl oder die Perspektive. Der Kontrast zwischen dem plastischen Gesicht und dem flachen Raum hat eine Ambivalenz, die ich stark suche. Diese Spannung begeistert mich und treibt mich an.

Liegt den Gemälden eine Vorlage zugrunde?

Ich arbeite immer mit fotografischen Vorlagen, die ich selbst erstelle. Die Farbwahl und der Ausdruck entwickeln sich während der Arbeit, die Wechselwirkung mit dem Szenario generiert neue Möglichkeiten.

Das Foto ist demnach eine gestellte Situation.

Genau, teilweise kombiniere ich die Vorlage für ein Gemälde aus mehreren Aufnahmen. Wie etwa beim neusten Werk mit der liegenden Figur.

Sind die Bleistiftzeichnungen Studien zu den Gemälden?

Diese Art von Zeichnungen ist im Winter neu entstanden. Das Arbeiten mit Bleistift gefällt mir schon lange. Die gehängte Serie ist sehr spielerisch, ein Ausbruch aus der malerischen Starrheit und ein Gegenpol zu der Schwere. Die Leichtigkeit versuche ich mit feinen Details in die Zeichnungen zu bringen.

Ein Foto diente als Vorlage zur ersten Zeichnung, welche wiederum Vorlage zur zweiten Zeichnung wurde. Und so weiter. Dadurch deformierte sich mit jedem Blatt die Figur und ich konnte frei damit umgehen. Es war eine Freude zu sehen, dass das funktioniert.

In deinem Oeuvre existieren auch collagierte Werke.

Auch das ist für mich ein Spiel mit den Ebenen, die auseinanderdriften – mit dem Kopf, dem Geist und der Räumlichkeit. Es wurde die Frage wichtig, was passiert, wenn ein Gesicht nicht mehr sichtbar ist. Die Technik wurde zweitrangiger, die Wirkung stand im Zentrum. Technisch reizt mich das Spiel mit der Idee, wie stark die Figur aus der abstrakten Umgebung entfernt werden kann, sehr.

Passierte diese Entwicklung schlüssig, oder gab es eine radikale Wandlung?

Diese Art von Bildern zu malen hat sich mit der Zeit entwickelt und ich würde gerne noch weitere solcher Werke kreieren, auch wenn die Herstellung viel Kraft und Aufwand erfordert. Das Resultat ist sehr befriedigend.

 

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Auf deiner Website findet man zusätzlich auf den Kopf gestellte Fotografien.

Die Website habe ich vor etwa einem Jahr komplett umgebaut, viele alte Arbeiten habe ich entfernt. Aktuell zeigt sie einen Eindruck von meinem Schaffen in allen Aspekten. Die Fotos sind keine ausstellbaren Arbeiten, sondern Ein- und Ausdrücke, die im Zusammenspiel mit den weiteren Inhalten eine Gesamtheit ergeben.

Das Kopfstellen hilft, die Verbindungen zu bekannten Motiven zu brechen, wie etwa bei der Kirche in Italien oder dem Erste-Klasse-Wagen der SBB.

Jedes Bild beinhaltet für mich vieles und gleichzeitig oft nichts bewusst Greifbares, zumindest im Moment der Entstehung.

Was inspiriert dich bei deinen Arbeiten?

Die gesamte Welt, sprich meine Welt, auf Basis meiner Wahrnehmung und meiner persönlichen Auseinandersetzungen; und die Vorstellung, dass individuelle Wahrnehmungen und Erfahrungen immer in Beziehung zu einer kollektiv erfahrbaren Welt stehen. Aus diesem Grund macht es mir auch Mühe, meinen Werken Titel zu geben. Jedes Bild beinhaltet für mich vieles und gleichzeitig oft nichts bewusst Greifbares, zumindest im Moment der Entstehung. Einen Namen empfinde ich als Einschränkung. Ohne die eigentliche Praxis der Titelgebung werten zu wollen – diese kann auch sehr spannend sein.

Hast du Held:innen aus dem Kunstbereich?

Das ist immer eine schwierige Frage. Ich setze mich erst sehr neu mit Kunstgeschichte und zeitgenössischer Kunst auseinander. Bei der kontemporären Szene habe ich manchmal Mühe, einen Zugang zu finden. Es gibt viele spannende neue Künstler:innen, die ich erst noch entdecken oder mir erschliessen will. Wie auch bei meiner eigenen Kunst ist mir die Authentizität sehr wichtig.

Über Magdalena Suter

Die Künstlerin Magdalena Suter wuchs im Graubünden auf, hat im Bereich der Studies of History and Social Sciences an der Universität Bern abgeschlossen und lebt aktuell in Zofingen. Ihre Arbeiten umfassen Gemälde, Zeichnungen und fotografische Beobachtungen.

Website: magdalenasuter.com

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