von Michael Bohli • 27.05.2023
Genre: Noise Rock · Post-Punk
Erscheinungstermin: 19.05.2023
Label: A Tree In A Field Records
Website: mx3.ch/asbest
Die laute und aufrüttelnde Gruppe aus Basel ist wieder da. Asbest demontieren mit ihrem zweiten Album «Cyanide» die falschen Ansichten, die in unserer Gesellschaft herrschen. Noise-Rock mit wichtigen und lauten Inhalten.
Habt ihr soeben euer Ego mit einem neuen Selfie gestreichelt? Oder seid ihr seit Stunden am Doomscrollen? Die Noise-Keule, welche Asbest aus Basel mit «Cyanide» auspacken, treibt euch solche Flausen innert Sekunden aus dem Kopf. Die Gruppe ist mit neun Tracks voller lärmenden Sounds zurückgekehrt, um der digitalen Verklärung und dem Schönreden der heutigen Gesellschaft Einhalt zu bieten.
There is no multitude of I
Yet it is the law that we abide
Seit der Gründung 2016 stehen Anouk Robyn Trachsel, Judith Breitlinger und Jonas Häne dafür ein, dass die scheinheilige Selbstdarstellung der Schweiz der Realität nähergebracht wird. «They Kill» hiess es beim Debüt, als Aufschrei gegen Repressionen und alltäglichen Missbrauch – durch das System, durch Einzelpersonen und Gedanken. Die zweite Platte «Cyanide» ist nicht weniger stürmisch, die Wut von Asbest ist nicht kleiner geworden.
Passenderweise beginnt die Platte mit krumm klingenden Gitarren, einem düster brummenden Bass und dem trockenen Schlagzeugspiel. Fünf Minuten voller Kritik, enerviertem Gesang und lärmenden Rückkopplungen: «Autodigestion» zeigt unseren langsamen Zerfall im kapitalistischen Konstrukt. Diese missmutige Stimmung zieht sich bis zum letzten Takt durch – ein Vergnügen so dunkel, wie die grafische Gestaltung der Platte.
We are trapped in the body of a snake
that is eating its own tail
Asbest spielen ihre Musik langsam und eindringlich, längere Stücke wie «Declaration of Defenselessness» bringen unsere Sorgen und Ängste brodelnd an die Oberfläche. Die unverkennbare Mischung aus Noise, Post-Punk und dreckigem Rock wirkt aufreibend, die Produktion ist nie zu aufgeräumt. Durch die zwei Zwischenspiele ohne Gesang wird die Welt ins Album gelassen, Klänge und Samples schrammen darin über den Boden. Das abschliessende und längste Lied «Cyanide for Breakfast» hält uns im Text den Spiegel vor, die gesamte Platte dient als Projektionsfläche für eigene Revolutionsgedanken und Auflehnung.
We don’t lead the lives we need
We lead the lives we must
Zu dritt schreiten Asbest voran, mit wichtigen Inhalten, plakativen Sätzen und instrumentaler Gegenwehr. Das alles ist auf «Cyanide» nicht in den ersten Minuten zu erfassen, sondern muss in seiner brutalen Gestalt erarbeitet werden.
Diese Rezension erschien zuerst beim Musikbüro Basel.