von Michael Bohli und Liliane Holdener (Bild) • 26.08.2023
Während des Heitere Open Air finden sich alle auf dem Zofinger Hausberg ein. Wir haben vor Ort mit Eskry, Est8 und King MCH über die Thut-Stadt, Rap und das Festival gesprochen.
Rap ist in Zofingen seit mehreren Jahrzehnten ein wichtiger Grundpfeiler der Musikszene. Von Old School zu Gangsta, von lauten Abrissen zu intimen Geständnissen ist alles dabei. Wir haben uns mit Eskry, Est8 und King MCH zu einem Gespräch getroffen und die Szene und ihre aktuelle Situation unter die Lupe genommen.
Nach vielen Live-Shows, Kollaborationen und veröffentlichten Singles sind die drei Rapper nicht nur geläufige Namen, sondern wagen mit ihrer Musik einen persönlichen Ansatz. Während also der Sonntag am Festival rumpelt, suchen wir uns auf dem Zeltplatz eine gemütliche Ecke und vertiefen uns in die Diskussion.
Phosphor: Das Heitere Open Air ist ja eher der DJ Bobo unter den Festivals. Braucht man hier eine schnelle Brille?
ESKRY: Unbedingt, aber die Verkaufsstände hier gehen noch nicht ganz mit der Mode. Man ist noch bei der Herzen-Sonnenbrille. Nächstes Jahr gibt es dann überall schnelle Brillen.
Trotzdem ist es das Festival von Zofingen. Was ist das für euch – Zofingen?
Est8: Ruhe um 22 Uhr!
(Es rumpelt kurz auf dem Platz und diverse weitere Stichworte werden durcheinander gerufen: Hallo Kebab, Ochsen, Freunde, Familie.)
Im Rap wird oft und gerne Lokalpatriotismus betrieben. Woher kommt das?
ESKRY: Wir haben hier einfach eine enorme Vielfalt in der Musik, besonders für eine so kleine Stadt.
Est8: Man zeigt mit solchen Sprüchen auch, zu welcher Gruppe man gehört.
King MCH: Ich denke, das ist zusätzlich historisch bedingt. Angefangen hat es mit East- und West Coast, was adaptiert und bis heute weitergezogen wurde. Wir machen es vor allem, weil wir uns mit dem Ort identifizieren. Auch wenn ich nicht mehr hier wohne, komme ich regelmässig zurück.
Dann bestätigst du das Klischee, dass alle Ex-Zofinger irgendwann zurückkommen …
King MCH: Ja, wir haben hier unser Studio, meine Familie und Freunde sind hier. Ich werde immer Zeit in Zofingen verbringen.
Wir sitzen hier mit «ESKRY and Friends» – der Name hat sich so ergeben. Wie könnte man euch auch nennen?
Est8: Das müssen wir tatsächlich noch klären.
ESKRY: Der Begriff «and Friends» ist einmal aufgetaucht und hat sich seither ein wenig verselbstständigt. Ein Kollektiv im eigentlichen Sinne gibt es aber nicht, wir treten in verschiedensten Formationen zusammen auf.
King MCH: Wir haben erst kürzlich darüber gesprochen, dass wir einen neuen Namen brauchen. Ich glaube, ESKRY fände das auch selbst besser …
ESKRY: Ja. So klingt es immer, als wäre ich der Hauptact, was aber nicht der Fall ist.
Est8: Gestern waren Dodo and Friends am Heitere. Wir haben uns schon gefragt, ob das jetzt dieselben Friends sind und wir auf die Bühne müssen (lacht).
Wie kommt man denn zum eigenen Künstlernamen?
ESKRY: Darf man diese Frage einem Rapper stellen?
Est8: Meiner ist von meinem Nachnamen abgeleitet.
King MCH: Bei mir sind es auch Buchstaben aus meinem Namen. Irgendwann kam «King» hinzu. Das geschah spontan, aber nach einer so langen Zeit ändert man den Namen nicht mehr.
ESKRY: Auch mein Künstlername entstand spontan. Ich habe meinen Vornamen durch ein Übersetzungstool gejagt und geschaut, in welcher Sprache etwas Gutes rauskommt.
Wie hat sich die Zofinger Rap-Szene in den letzten Jahren verändert?
King MCH: Ich glaube, dass jene, die später mit der Musik angefangen haben, viel mehr mit der Zeit gehen. Andere bleiben der alten Schule treu. Und das ist gut so, es bringt Vielseitigkeit in die Szene.
ESKRY: Wenn man jetzt frisch mit Rap anfängt, besteht bereits eine Szene, an die man anknüpfen kann. Andere haben sich alles selbst beigebracht – ich hingegen konnte einen Text schreiben und loslegen, die Technik war schon da. Das hat es einfacher gemacht.
King MCH: Und sonst hättest du es dir einfach selber beigebracht.
Est8: Meine Band The Waves Take bewegt sich im Rock- und Metalbereich. Aber ich habe schon immer Rap gehört. Nach einem Konzert von ESKRY und MCH im OXIL haben wir spontan zusammen gerappt.
King MCH: Da hat EST8 noch auf Englisch gerappt, später dann auf Schweizerdeutsch. Und seither schreibt er fleissig Tracks.
ESKRY: Und ist auch musikalisch eine Bereicherung!
Wie kam es zum Sprachwechsel?
Est8: Englische Texte sind stärker an den Wortschatz und an Wörter gebunden, aus denen ich einen Text machen kann. Auf Schweizerdeutsch steht das Thema stärker im Zentrum, es ist fliessender und fühlt sich natürlicher an.
ESKRY: Emotionen lassen sich in der Muttersprache sowieso am besten ausdrücken.
Ihr habt oft intime und düstere Texte. Wie geht es euch?
(Einstimmiges «gut».)
Est8: Meine düsteren Texte sind vor allem vergangenheitsbezogen, keine Momentaufnahmen.
King MCH: Das könnte ich gar nicht, direkt aktuelle Situationen aufgreifen. Und selber höre ich gerne melancholische Musik, weil sie mich berührt, auch das kann mir Kraft geben.
Wer fehlt denn in dieser Runde für einen Zofinger Cypher?
ESKRY: luKsius würde ich an einem Zofinger Cypher fühlen. Er hat in kürzester Zeit einen enormen Fortschritt gemacht. Lyrisch der Wahnsinn.
King MCH: SMK darf auch nicht fehlen, er kann extrem gut freestylen. CMC, der zwar nicht viel Zeit hat – aber wenn, dann immer etwas Grobes liefert. Und 24Dias, CHE$TER und REEVAH – auch wenn wir nicht eng zusammen Musik machen, ist gegenseitiger Support da. Und Looke wäre auch dabei.
Es scheint ja nicht viele Frauen in der Szene zu geben …
King MCH: Nein, das ist so. Mir fallen auch rückblickend keine Frauen aus Zofingen ein, die Rap gemacht hätten.
Est8: Da muss man wohl nach Bern oder Zürich. Zofingen ist eher konservativ.
Wie nehmt ihr die Schweizer Rap-Szene allgemein wahr?
ESKRY: Ich höre ehrlich gesagt gar nicht so viel Schweizer Rap.
King MCH: Ich höre auch eher französischen und deutschen Rap, oder englischsprachigen Oldschool. Aber es gibt wahnsinnig viele gute Acts in der Schweiz.
ESKRY: Ob es gut ist oder ob ich es fühle, ist ja auch ein Unterschied.
Was darf man in naher Zukunft von euch erwarten?
ESKRY: MCH und ich bringen Ende Jahr eine EP raus.
King MCH: Ich bin noch an einer anderen EP mit RHD, da gibt es aber keine fixen Zeitpläne. Mit CMC habe ich ebenfalls ein paar Tracks aufgenommen, die wahrscheinlich als einzelne Songs veröffentlicht werden.
Est8: Für mich liegt der Fokus momentan stärker auf der Band. Ich würde gerne mehr rappen, aber mir fehlt die Zeit dafür.
Würdet ihr am Heitere auftreten, wenn ihr die Möglichkeit hättet?
ESKRY: Safe.
Est8: Ich komme auch mit.
King MCH: Unbedingt!
The Waves Take – Post-Hardcore / Heavy Rock aus Zofingen.
Der 1. Mai auf dem Kasernenareal in Zürich: Kulturelle Vielfalt, Essen aus aller Welt und politisch sinnvolle Diskurse.
OXIL – das inklusive Kulturlokal für alle.
Grup Cicek Taksi aus Bern. Anatolische Musik.