von Michael Bohli • 19.08.2024
Die Rückkehr ans wohl liebevollste Festival der Region: Am Gleis Aarau begeisterte 2024 während zwei Tagen erneut mit den Acts, dem Gelände und der wunderbaren Stimmung.
Die Details machten es aus, clevere Einfälle verwandelten das Festival am Gleis in einen Wohlfühlort in Aarau. Mit viel Leidenschaft und Energie wurde das Wenk Areal in eine Oase transformiert, auf der sich Bauten, eine Mini-Disco und ein TV mit Biber-Dokumentation finden liessen. Ich fühlte mich sofort wohl, der Rest des zahlreich erschienenen Publikums ebenfalls.
Tanzfreudige Menschen und gute Grooves begrüssten unsere Ankunft am Freitagabend, als Stevo Atambire & World Citizen auf der Bühne standen. Die Arme wurden geschwenkt und die Synthies lockten mit ihrem Wummern sogar Fans der düsteren Klänge zum Auftritt.
Donat von Obliecht taufte danach diverse Orte des Festivals passend um. Aus dem Innenraum des Wenks wurde die Sauna, der Jingle Jangle Jam zur Hippiefalle. Trotz Hitze und enger Bühne spielte das Trio super auf, rhythmisch hypnotisch, mit berührenden Melodien und euphorisch gesteigerten Passagen.
Die blitzschnell organisierte Ersatzmannschaft FC Kleinstadt kam anschliessend direkt aus dem Training zum Match, mit druckfrischem Merchandise und live noch nie gespielten Songs. Die dringliche Mischung aus Deutschpunk und Post-Punk riss alle mit, die Band aus Baden begeisterte mit mächtig Energie und cleverem Songwriting. Nicht einmal eine gerissene Saite und zwei Neustarts von Songs konnten diese Tabellenstürmer ausbremsen, die Lieder der EP «Mit steigender Drehzahl» wurden zusammen mit den lebendigen Ansagen zum Feuer in der Nacht. Mein Herz dribbelte.
Intimer ging es am Samstag mit Deep Fried Galaxy weiter. Während wir alle am Schluss zu Nelly Furtado tanzen, hatte die Band aus Solothurn den Abend mit ihren Popklängen in einen Safe Space verwandelt. Neugierig durchwandelten wir die Sounds, Laut und Leise wechselten sich ab und «Virgo» lieferte den wilden Beat. Die Synthesizer frästen sich durch unsere Gefühle, im Kopf wuchs ein Garten.
Bei Alpha-Ray aus Bern musste ich zuerst in die Lieder finden, danach aber liessen mich die Kompositionen dank rhythmischer Komplexität und einfühlsamen Inhalten über unsere Welt im geschaffenen Kosmos versinken. Die Trompete lieferte zusammen mit dem Synthie das entrückte Empfinden.
Durchatmen und die Augen schliessen: Im Innenraum gab es darauffolgend von Darja Keller gelesene Passagen aus dem Buch «Sihl City» zum Genuss. Der intime Rahmen war für die sehnsüchtigen Texte über lange Sommerabende, in denen das Herz laut pocht, perfekt geeignet. Zwei Einblicke und kurze Gespräche wechselten sich ab, das Festival wurde literarisch passend und queer begleitet.
Gegen die binären Normen und die unterdrückenden Systeme ging Big Zis vor. Die Sprachkünstlerin und Musikerin riss gemeinsam mit dem Publikum das Patriarchat nieder, entlarvte die Rape Culture und sagte uns allen, was Sache ist. Wir schrien die Autos aus Aarau heraus, tanzen zur perkussiven Top-Leistung der Band und freuten uns über sprachlich gelungene Beobachtungen.
Ein perfekter Schlusspunkt für unseren diesjährigen Besuch, ein weiteres Highlight neben dem Gleisfeld in Aarau. Am Gleis, wir sind verliebt in dich und deine Leidenschaft.
Bereits 2023 waren wir vor Ort und haben unsere Eindrücke in diesem Beitrag festgehalten.
Festival am Gleis
Ort:
Wenk Areal, Aarau
Datum:
16. + 17.08.2024
Website:
festivalamgleisaarau.ch
Grafik:
Alexandra Siebert