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Record Cover Expo 2023: 4 gewinnt

von Michael Bohli • 01.11.2023

Spielerglück, heiliges Vinyl? Zum fünften Mal findet in Zofingen die Record Cover Expo statt. Wir haben mit den Ausstellern über das Thema «4 gewinnt» und ihre Sammlungen gesprochen.

Die ursprüngliche Idee hat sich zu einem jährlichen Fixpunkt in Zofingen etabliert: die Record Cover Expo, durchgeführt von den vier Freunden Hannes Mumenthaler, Ronnie van Vliet, Mäse Meyer und Mischa Castiglioni. Ein Ort für Musik- und Vinyl-Fans, für Gespräche und Wiedersehen.

Unter dem Banner «4 gewinnt» werden dieses Jahr die Lieblingsplatten ausgestellt und die Fabrik wohl zum letzten Mal bespielt. Das Gebäude wird in naher Zukunft einem umstrittenen Bauprojekt weichen müssen. Eine gute Gelegenheit, mit den vier Ausstellern zu sprechen.

Phosphor: Wann habt ihr zum letzten Mal «Vier gewinnt» gespielt?

Mäse Meyer: Letzte Woche, da meine Freundin aus der Ludothek ein grosses Spiel für die Ausstellung organisiert hat.

Hannes Mumenthaler: Wahrscheinlich war es an einem verregneten Sonntag vor etwa zwei Jahren, denn eigentlich spiele ich nicht gerne.

Mischa Castiglioni: Bevor es die Zeitrechnung gab. Wahrscheinlich mit Dreissig.

Ronnie van Vliet: Keine Ahnung.

Ihr seid demnach keine Spielernaturen?

Hannes: Jassen und Backgammon spiele ich gerne, sonst wenig.

Mischa: Jassen, Scopa und Brändi Dog – aber nur mit Menschen, die nicht durchdrehen, wenn sie verlieren (lacht).

Ist das Sammeln von Vinyl denn Kalkül oder Glück?

Ronnie: Reines Glück. Du besuchst eine Plattenbörse und hoffst auf Treffer.

Mäse: Definitiv. Neuerscheinung sind relativ einfach zu kaufen, bei älteren Scheiben braucht es Glück, um diese zu einem vernünftigen Preis zu erhalten. Auf Reisen Plattenläden zu besuchen und dort landesspezifische Bands zu entdecken, ist auch immer schön.

Mischa: Ich habe in meiner Sammlung wenig alte Scheiben, das meiste habe ich an Konzerten gekauft und besuche sehr selten eine Börse.

Hannes: Ich kaufe nicht mehr so viel wie früher. Bereits jetzt ist es unmöglich, alles, was ich habe, in meinem Leben nochmals anzuhören.

Mischa: Bei mir wird der Platz langsam knapp; aber gestern am Humus Fest in Fribourg habe ich trotzdem eine Platte gekauft, die ich bloss wegen zusätzlichem Artwork mitgenommen habe.

Warum sammelt ihr?

Hannes: Das begann in der Jugend, als es die CD noch nicht gab. Später gab es dann eine «CD-Pause».

Mischa: Ja, die Pause kenne ich auch (lacht).

Mäse: Diese Zeit gab es wirklich, als die Auflagen viel tiefer waren und viele Alben nicht mehr auf Vinyl gepresst wurden. Da war es oft nicht möglich, eine bestimmte Scheibe als Platte zu erhalten.

Ist Sammeln ein Männerding?

Hannes: Allgemein auf jeden Fall; ich kenne sogar eine Person, die Korkenzieher sammelt.

Mäse: Im Freundeskreis ist der Anteil der männlichen Plattensammler sicherlich höher.

Mischa: Frauen, die exzessiv anhäufen wie Männer, kenne ich praktisch keine.

Wie kam es denn zu dieser Ausstellung?

Ronnie: Wir waren im Chrämerhuus in Langenthal an einer ähnlichen Ausstellung und haben die Idee sozusagen geklaut.

Mäse: Da das Lokal der Fabrik existierte und wir alle Vinylsammler sind, hat sich die Übernahme der Idee angeboten.

Hannes: Wir sassen als Gruppe zusammen und haben den Gedanken ausgearbeitet, da ist auch das erste Thema «Die vier Elemente» entstanden.

Ronnie: Und wir haben den Aufwand völlig unterschätzt. Das Spannende ist aber, dass man sich neu mit der eigenen Sammlung auseinandersetzt und vergessene oder fehlende Alben bemerkt. Oder den Moment gleich nutzt, um das Regal auszusortieren.

Mäse: Spass macht es immer, besonders wenn die Ausstellung dann steht und man mit den Besucher:innen über die Gestaltung und die Musik philosophieren kann. Wir haben in Zofingen sehr viele musikinteressierte Menschen, die immer gerne vorbeikommen.

Wie kommt schlussendlich die Auswahl der Platten zustande?

Mischa: Dieses Mal war es einfach, alle bringen ihre Lieblingsplatten (lacht).

Ronnie: Zuvor war es das aber nicht. Jeder brachte seine Vorauswahl mit, und wir legten die Cover als Ausdrucke auf dem Boden aus. Wichtig ist auch immer, dass sich eine gute Genre-Mischung ergibt und nicht bloss die Metal-Fans beglückt werden.

Mäse: Der Unterschied zu «4 gewinnt» ist auch, dass es zuvor in erster Linie ums Cover ging, jetzt aber vor allem der Inhalt massgebend ist.

Es gibt also dieses Mal auch unschöne Exemplare zu bestaunen?

Mischa: Ganz klar. (lachen)

Ronnie: Bei den vorherigen Ausstellungen war es sehr wichtig, dass es optisch funktioniert. Jetzt galt es, seine 30 Lieblingsplatten mitzubringen – egal, wie diese gestaltet sind.

Mäse: An der Ausstellung dürfen die Besucher:innen dann erraten, welche Alben wessen Lieblingsplatten sind.

Ronnie: Interessanterweise gibt es Alben, die von allen mitgebracht wurden. Vier gewinnt, sozusagen.

Voraussichtlich wird dies die letzte Ausstellung sein.

Hannes: Ja, wir wissen aktuell nicht, wie lange die Fabrik noch stehen bleibt. Aber nach fünf Ausstellungen ist es auch in Ordnung, aufzuhören oder in einer anderen Form weiterzumachen.

Ronnie: Besonders die letztjährige Ausgabe «Verboten und kopiert» war auch sehr aufwändig, was das Suchen der Pendants und Kopien anging. Da waren wir das ganze Jahr dran. Darum haben wir uns jetzt ein einfacheres Thema gesucht.

Habt ihr in euren Sammlungen «heilige» Schätze?

Mäse: Definitiv. Die würde ich auch ausstellen, wenn es zum Thema passte. Ich sammle zum Beispiel ein Label aus den Siebzigerjahren, und das ist wie ein Lebenswerk für mich. Das wird oft zu einer Preisfrage, wie auch ältere Schweizer Alben aus dem Psychedelic- oder Prog-Bereich.

Ronnie: Wobei das Sammeln immer eine Geldfrage ist. Ich habe auch einige Scheiben verpasst, die ich im Nachhinein hätte kaufen sollen. Dafür gibt es Platten, die ich in der Zeit der CD-Pause auf Vinyl und CD gekauft und die Schallplatten eingeschweisst belassen habe. Weil sie zum Hören zu wertvoll sind.

Sozusagen «Vinyl als Wertanlage». Dabei ist Musik doch zum Hören da?

Mäse: Das Verhalten gibt es in allen Bereichen, wie beispielsweise bei Instrumenten.

Mischa: Oder wenn eine limitierte Ausgabe bereits vor dem Erscheinungstermin ausverkauft ist und danach auf Discogs unzählige neue und eingeschweisste Scheiben zum doppelten Preis angeboten werden – das ist nicht der Sinn der Sache.

Ronnie: Die Frage ist auch, was passiert, wenn unsere Generation wegstirbt und alle Sammlungen auf den Markt geschwemmt werden. Kauft das jemand, und welchen Wert hat es dann?

Gibt es denn Käufe oder Nichtkäufe, die ihr bereut?

Mischa: Oh ja, da gibt es viele (lacht). Sozusagen «Verbrechen auf Schallplatte», die beim ersten Hören interessant waren und danach unaushaltbar.

Hannes: Das gibt es bei mir auch – Vinyl, das ich an Konzerten zur Unterstützung der Band gekauft habe, aber seitdem im Regal verstaubt.

Ronnie: Aus der CD-Pause gibt es diverse Scheiben, die ich damals auf Vinyl hätte kaufen sollen. Aber in der Lehre war es auch eine Budgetfrage.

Ist Vinyl für euch weiterhin die Art, Musik zu hören?

Hannes: Ich höre auch Radio.

Ronnie: Jede Art hat ihre Berechtigung. Beim Streaming werden Bands vorgeschlagen, auf die man selber nie kommen würde. Beim Hören von Platten sitze ich zuhause und mache nichts anderes nebenbei. Unterwegs kann man Internetradios auf dem Handy streamen.

Mäse: Vinyl ist ein schönes Format, aber die Hauptsache ist, Musik zu hören.

Aktuell werden wieder Kassetten gekauft.

Ronnie: Das begann vor einigen Jahren, Bands veröffentlichten ihre Musik plötzlich wieder auf Tapes. Aber für mich ist das mehr ein Gag oder ein Liebhaberding. Wo hört man MCs überhaupt noch an?

Mischa: Nicht einmal mein altes Auto hat ein Kassettendeck.

Hannes: Das Tolle an den Kassetten war ja das Zusammenstellen von eigenen Mixtapes – damals ein Novum.

Mäse: Genau, und man konnte die MCs mit dem Walkman mitnehmen!

Mischa: Mir ging es beim Überspielen auf Kassette darum, das gesamte Album, das ich mir nicht leisten konnte, in Ruhe anzuhören. Das hat sich mit der «Generation Spotify» verändert, man kennt bloss noch einzelne Tophits, ohne deren Eingliederung in eine Platte.

Zum Abschluss: Was bedeutet für euch die Fabrik?

Hannes: Tja, Fluch und Segen (lacht). Mein gesamter Alltag spielt sich hier ab und ich merke immer wieder, dass es ein einzigartiger Ort in Zofingen ist, der fehlen wird. Hier finden unterschiedliche Gruppen und Menschen zusammen, für ganz viele Ideen.

Ronnie: Es ist eine grossartige Spielwiese. Aufbauten sind möglich, Ausstellungen, Partys, private Feiern, Public Viewing, Veranstaltungen der Leserei, Tischfussballturniere, alles. In Zofingen gibt es auch andere Lokale, die man mieten kann, allerdings mit komplett anderen Rahmenbedingungen und Einschränkungen. In der Fabrik ist vieles frei.

Hannes: Man darf rauchen und Bier trinken. (Lachen, Husten und Klirren)

Mäse: Ausserdem ist das Ambiente der Räume einmalig und wunderbar. Die Gäste sind immer wieder begeistert – viele wissen gar nicht, dass es die Fabrik überhaupt gibt.

Hoffen wir, dass das Gebäude noch lange bestehen bleibt. Danke für das Gespräch.


Musikalische Tipps der vier Freunde

Humus Fest, 18.11.2023, Sommercasino Basel

RAMS + Urban Junior, 09.12.2023, OXIL Zofingen

Lord Kesseli & The Drums + Asbest, 16.12.2023, Bad Bonn Düdingen

Single-Juke-Box mit Plattentaufe, 14.-16. und 21.-23.12.2023, Eck Aarau

Record Cover Expo 2023

Ort:
Fabrik, Bifangstrasse 1, 4800 Zofingen

Datum:
02.-04. und 09.-11. November 2023

Aussteller:
Hannes Mumenthaler, Ronnie van Vliet, Mäse Meyer und Mischa Castiglioni

Event: facebook.com

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