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Schwelbrand 12: Es wird laut

von Michael Bohli • 17.10.2025

Schwelbrand bringt dir neue Musik ins Haus. In dieser Ausgabe behandeln wir brachiale Klänge mit den Veröffentlichungen von Acheron River, Carson, Death Of A Cheerleader, beurre, Zatokrev und Abraham.

Wenn es dir nicht gut geht, hilft eventuell die richtige Musik. Um Emotionen rauszulassen, darf es gerne laut werden. Das passiert auf den sechs Alben, die wir dir vorstellen – inklusive bekannte Namen, die endlich wieder da sind.

Acheron River: Letter To The Abyss

Metalcore, Post-Hardcore • Self-Release

Einer der ersten Gedanken, der mir beim Anhören des Albums durch den Kopf rauschte, war: Wow, das klingt fantastisch. Das Debüt von Acheron River wurde von der Band eigens aufgenommen und produziert und hat ein Klangbild, das so manche Major-Veröffentlichung in den Schatten stellt. «Letter To The Abyss» knallt richtig rein.

Einflüsse von diversen Richtungen haben die Musiker zu ihrem eigenen Sound kombiniert und liefern zehn Tracks ab, die Metalcore, Post-Hardcore und moderne Härte zelebrieren. Das hat Gewicht und die Texte kreisen um relevante Themen: Krieg, emotionale Probleme und düstere Fantasien sind auf dem Album zu finden.

Cleane Passagen, technische Spielereien, Growls und lautes Gitarrengewitter gehören zu «Letter To The Abyss». Acheron River sind eine neue Band, die erfahren und mutig klingt. Die Gruppe aus Zofingen überzeugt mit dem Debüt vollends und Lieder wie «Pour Decision», «Pain Remains» oder «Liar» reissen mit.

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Carson: When God Knows Why

Stoner Rock • Sixteentimes Music

Hurra, in Luzern wird es wieder knochentrocken. Das Trio Carson hat ein neues Album aufgenommen und dazu keinesfalls den gewohnten Pfad verlassen. Gitarre, Bass, Schlagzeug und Gesang bedeutet auf «When God Knows Why» weiterhin: Alternative Stoner Rock. Gut so.

«Engine Down» startet den Karren mit knurrigem Riffing, wuchtigen Schlägen und Grooves. Das ist treibend, das packt – und lässt bis zum Ende der Platte nicht mehr los. Wer wieder einmal die Haare schütteln möchte, ist hier gut aufgehoben. «Sombre Faces» funktioniert als Gegenpol zu schweren Kompositionen wie dem Titeltrack, «Snow White» lässt an Alice In Chains denken.

Analog und warm im Klang, «When God Knows Why» ist ein geerdet wirkendes Album, das die Spielfreude von Carson hörbar macht und deren Freude am Stoner Rock ohne Probleme auf den gesamten Raum überträgt. Der Schluss ist mit «Marion Morrison» so energetisch geraten, dass das Album von alleine erneut beginnt.

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Death Of A Cheerleader: Rites Of Passage

Doom, Wave, Pop • Sixteentimes Music

Safe the cheerleader, safe the world? Held:innen gibt es bei dieser Band aus Winterthur keine, die Gruppe betrachtet unsere Welt ohne überhöhte Verzerrungen und liefert Lieder ab, die dich fest am Boden verankern. Das gelingt Death Of A Cheerleader mit einer eigenen und sehr überzeugenden Klangmischung.

Alternative Rock, Wave, Doom und verträumte Poppassagen haben in den zehn Liedern ihren Platz und gestalten den Durchgang von «Rites Of Passage» überraschend. «Morals & Machinery» ist verboten eingängig, «Catherine» mitreissend (inklusive Marillion-Keyboard), «Spring Water» lässt das Leben neue Kraft schöpfen.

Was Omar Fra, Skiba Shapiro, Leylah Fra, Dominique Destraz und Simeon Thompson auf diesem Album eingespielt haben, ist eine düstere Vision, die fasziniert. Als Death Of A Cheerleader haben sie die Dramatik des Lebens in Kunst verwandelt und zementieren das am Ende mit dem Longtrack «Travel On, Oumuamua». Diese berührende Komposition hätten Anathema bestimmt gerne in ihrem Katalog.

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beurre: Resonate And Amplify

Extreme Metal • Humus Records

Beurre schmieren dir nicht Butter aufs Brot, sondern Säure mit Glassplittern versetzt. Das tut weh, aus der Ferne betrachtet lässt sich die Schönheit aber nicht leugnen. Genauso verhält es sich mit «Resonate And Amplify», das zweite Album der Band aus Neuenburg ist extremer Metal in Formvollendung.

Zwischen drei und zwölf Minuten lang dauern die Gewitterstürme des Trios, die Gitarren überladen den Klangraum, die verzerrte Stimme erinnert an Frequenzstörungen. Die Musik von beurre scheint aus einem brodelnden Abgrund zu stammen, mit moderner Technik deformiert und stark aufgeladen. Sinnloses Gebolze sind Tracks wie «Theory Of Matter» niemals, sondern clevere Gebilde.

Das langsam heranschleichende «S.kin» zeigt das wunderbar und wirkt wie eine Katastrophenwarnung. Die Luft wird von beurre elektrisch geladen, jedes Lied steigert sich und ruhige Momente lassen Licht durch die Staubwolken. Trotz Covermotiv wird nicht Black Metal gespielt, auf «Resonate And Amplify» gibt es Aspekte von Noise, Post-Metal und Wahnsinn.

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Zatokrev: …Bring Mirrors To The Surface

Post-Metal • Pelagic Records

Basel atmet auf, Zatokrev sind wieder da! Die Gruppe hat über Jahre hinweg die Szene des Post-Metal beherrscht und grossartige Songs geliefert, mit «…Bring Mirrors To The Surface» wird die Stille endlich mit schweren Sounds gefüllt. Dazu haben die Musiker Gäste eingeladen und zeigen sich wunderbar vielseitig.

Zum Start gesellen sich mit Bölzer und Schammasch grosse Namen dazu, «Red Storm» löst das Versprechen des Titels gleich ein – nicht mit Chaos, sondern Gewicht und innerer Spannung. Egal wer mitmischt, das Schlagzeug bleibt laut und satt, die Gitarrenwände türmen sich auf, das Tempo bleibt fassbar. Diese Wucht wird durch INEZONA nicht gebremst, Manuel Gagneux labt sich an der Dunkelheit.

Durch die Kollaborationen und der hellen Gesangsstimme von Frontmann Fredy Rotter schaffen Zatokrev eine Balance, die «…Bring Mirrors To The Surface» zum glühenden Werk im Schatten macht. «Faint» stösst dich fast in den Abgrund, «Pearl Eyes» fängt dich wieder auf. Der Kreis schliesst sich, die Post-Metal-Reise geht weiter.

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Abraham: idsungwüssä

Post-Hardcore • Pelagic Records

Um bei den Sternen anzukommen, benötigen wir viel Energie und Schubkraft. «Fate of Man Lies in the Stars» hat zwar Power, gräbt uns zusammen mit der Musik aber tief in den Boden ein. Abraham sind wieder da und liefern tonnenschweren, verrussten Post-Metal ab. Falls du bereits im Abgrund liegst, stellt «idsungwüssä» keine Leiter bereit.

Als drittes und letztes Kapitel der epischen Saga über den menschlichen Absturz ist die Platte mit einer Stunde Laufzeit wuchtig und gross geworden. Schicht um Schicht bauen sich die Instrumente auf, der Rausch nimmt zu und Abraham verdunkeln den Himmel. Viele Stimmungen herrschen in Liedern wie «I Am the Vessel and the Vessel Is Me», es lauern Gefahren.

Wie der Albumtitel sagt, bleibt die Zukunft der Menschheit unklar, das zeigt sich in der Verzweiflung und Wut, die in den acht Stücken stecken. Abraham wüten und besuchen den Gehörnten mit «En Tüüfus Tümpu», die Ankunft mit «Home» ist keine Erlösung. Klingt dafür echt gut.

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Schwelbrand

Die Beitragsreihe bringt dir neue Musik aus der Schweiz näher, persönlich und mit emotionaler Reaktion besprochen. Alben, EPs und thematische Verbindungen; unregelmässig, immer heiss.

Alle bisherigen Kolumnen hier.

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